Bundesratswahlen und Nacht der langen MesserAlle Zeichen auf Jans – und ja kein falsches Wort
No more games. Es ist der Abend vor der Bundesratswahl, und plötzlich hat niemand mehr Lust auf Spiele. Die Tendenz ist klar: Beat Jans bleibt Favorit – auch wenn Pult aufholt.

«Es ist alles gesagt.» Magdalena Martullo-Blocher schaut sich noch einmal kurz um und verschwindet dann die Treppe hinunter. Fertig. Es ist alles gesagt.
Man könnte jetzt Sprüche darüber machen, dass das bei SVP-Nationalrätin Martullo-Blocher ja immer so sei. Dass bei ihr immer «alles gesagt» ist. Fertig, keine Lust. Doch das wäre an diesem Abend im Bundeshaus zu einfach.
Die Ernsthaftigkeit, ja die Unlust sogar, irgendetwas zu meinen, nur auch schon anzudeuten, stellt man an diesem Abend bei ganz vielen Parlamentarierinnen und Parlamentariern fest. Nach Wochen der nicht so geheimen Geheimpläne, der verqueren Spekulationen und Szenarien ist es heute: ernst.
Das Einzige, was man immer wieder hört, ist: keine Spielchen. Bitte keine Spielchen. Das ist Bundeshaussprech für: bitte nicht bewegen. Wir machen lieber gar nichts.
Und was für einen selber gilt, das sollen bitte auch alle anderen einhalten.
Eine klare Drohung und die SP im Dilemma
Am deutlichsten sagt das Fraktionschef Thomas Aeschi. Im obersten Stock des Bundeshauses tritt er kurz vor die wartenden Journalisten und formuliert eine Warnung in zwei Sätzen: «Die SVP wird einen der beiden offiziellen Kandidaten der SP wählen. Unter der Bedingung, dass sich die SP bei der Wahl von Ignazio Cassis auch an die Konkordanz hält.» Dann wiederholt er dasselbe auf Französisch. Und verabschiedet sich. Die Drohung bleibt unter der Glasdecke hängen.
Es ist nicht lange her, da hat Christoph Blocher dazu aufgerufen, den Vorschlag der SP zu ignorieren und einen «wilden» Kandidaten zu wählen. Zählt sein Wort denn gar nichts mehr? Blochers Einfluss sei sicher nicht mehr so gross wie früher, sagt der neu gewählte Berner Nationalrat Hans Jörg Rüegsegger dazu. Die angeblichen Geheimpläne, über die in den vergangenen Tagen geschrieben wurde. Das ganze Theater. Rüegsegger findet all das fragwürdig. Schädlich. «Es geht auch um die Glaubwürdigkeit der Politik», sagt er.
Nicht alle sehen das gleich. Viele lassen sich den Plan B, die Wahl von Daniel Jositsch, offen. Etwa die Zürcher SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann: «Je schlechter Cassis abschneidet, desto mehr Stimmen wird Jositsch wohl von uns Bürgerlichen erhalten.» In den letzten Wochen wurden auch andere mögliche wilde Kandidierende von der SVP lanciert, namentlich etwa Eva Herzog. Aber in der Poleposition bleibt Jositsch.
Wie genau die SVP definiert, ob «die Konkordanz eingehalten ist», lässt sie offen. So wird die Drohung maximiert. Einzelne SVP-Parlamentarier sagen: Nur eine Abwahl von Cassis ist ein Bruch mit der Konkordanz. Andere finden: Schon die Ankündigung einer Stimmfreigabe sei ein Tabubruch.
Das Dilemma der SP, es wird durch diese Drohung erneut deutlich. Spricht sich die SP offiziell für Cassis aus, macht sie ihre engste Partnerin, die Grüne Partei, wütend. Empfiehlt sie den grünen Kandidaten Gerhard Andrey, droht ihren eigenen Kandidaten die Unterstützung wegzubrechen – nicht nur von der SVP, sondern auch von der FDP.
Nachdem die SP-Spitze vor den Wahlen wochenlang gepredigt hat, die linken Parteien müssten gemeinsam gegen den «Bürgerblock» antreten, geht es nun für die SP darum, ihre Macht zu sichern. Zumal Andrey mehr als die Stimmen der Ratslinken bräuchte, um Cassis abzulösen. Und die bekommt er nicht. Hier waren die bürgerlichen Parteien alle deutlich.
Darum schweigt die SP. Sie zögert den Entscheid maximal hinaus, will erst am Mittwochmorgen entscheiden, zehn Minuten vor dem Start der Wahlen. Ist sie so unentschlossen? Oder will sie sich bloss nicht in die Karten blicken lassen? Die SP hat auch bei früheren Bundesratswahlen erst am Morgen des Wahltags ihre Entscheide bekannt gegeben (oder auch nicht). Es gibt ihr die Möglichkeit, kurzfristig auf das zu reagieren, was bis dahin noch geschehen könnte.
Alle Optionen offenhalten
Auch für andere Fraktionen gilt: Man will sich alle Optionen offen halten. Flexibel bleiben. Die GLP sagt diesmal: nichts. Sie zieht damit eine Lehre aus den letzten Bundesratswahlen. Damals hatte sie eine klare Wahlempfehlung für Eva Herzog ausgesprochen. Gewählt wurde Elisabeth Baume-Schneider. Sich für die Konkurrenz starkgemacht zu haben, sei nicht die beste Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit mit einem Bundesratsmitglied, heisst es in der GLP. Keine Wahlempfehlung auszusprechen, kann auch bedeuten, es sich mit niemandem verscherzen zu wollen.
Im zweiten Stock tritt Corina Gredig, die neue Fraktionspräsidentin der GLP, vor die Medien. Es ist ihr erster Auftritt in der neuen Funktion, sie wirkt etwas nervös. Dabei verkündet sie die Nichtaussage ihrer Partei sehr souverän: Für die GLP sind beide Kandidaten der SP wählbar. Ebenso vage bleibt Gredig beim Sitz von Aussenminister Ignazio Cassis: Mittelfristig müsse man die Zusammensetzung des Bundesrates überdenken, die FDP sei übervertreten. Kurzfristig bedeutet das aber lediglich, dass sowohl Cassis wie auch der grüne Kandidat Gerhard Andrey Stimmen aus der GLP erhalten werden.
Das Wort «mittelfristig» hört man auch bei der Mitte mehrfach. Dort hat man offenbar auch keine Lust auf «Spielchen» und gibt bekannt, dass man keine wiederantretenden Bundesräte abwählen werde (was jetzt auch keine absolut bahnbrechende News ist).

Dabei sehen das nicht unbedingt alle in der Fraktion so. Nachdem schon letzte Woche Mitte-Ständerat Pirmin Bischof in der «Arena» laut hinterfragt hat, ob auf dem Ticket gewählt werden sollte, legt nun sein Ständeratskollege Benedikt Würth nach: «Der Ticketzwang ist eine Kastrierung des Wahlkörpers.» Das gelte nicht nur für die diesjährige Wahl, sondern ganz generell. Er selbst fühle sich nicht an ein Ticket gebunden.
Die Grünen sind die Einzigen, die offen Veränderung fordern. Dass die Chancen ihres Kandidaten Gerhard Andrey gering sind, wissen sie: Das «Machtkartell» scheine sich weiterhin an seinen Sitzen festzuklammern, schreiben sie auf X. Sollte die SP den Angriff auf den FDP-Sitz nicht mittragen, planen sie aber keinen Angriff auf einen SP-Sitz. So scheint es zumindest. Nach seinem Hearing in der SP-Fraktion sagt Gerhard Andrey deutlich, er stehe für einen SP-Sitz nicht zur Verfügung.
Pult «öffnet Herzen»
Und gibt es in all dem Schweigen, in all der Ernsthaftigkeit trotzdem noch Raum für eine Tendenz? Aus der Mitte hört man, dass Jon Pult einen sehr guten Auftritt gezeigt habe. Er habe «die Herzen geöffnet» und darum eindeutig Boden gutgemacht. In der FDP heisst es, Pult werde auch «einige Stimmen» machen. Bis jetzt hat es immer so ausgesehen, als sei Beat Jans bei den bürgerlichen Parteien eindeutig im Vorteil. Am Ende sei es auch immer eine Frage der Sympathie, sagen viele. Doch der Vorteil bleibt bei Jans.
Markus Ritter, der Bauernpräsident, der schon vor einem Jahr die richtige Siegerin vorausgesagt hatte, ist sich ziemlich sicher: Morgen wird Jans gewählt. Auch in der GLP neigt die Mehrheit der Fraktion Richtung Jans (natürlich nur inoffiziell).
Und was ist nun mit all den Geheimplänen? Dass es eine grosse Überraschung gibt, ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Gäbe es einen Geheimplan, würden sich die Beteiligten wahrscheinlich genau so äussern. Vage und diffus.
Ha!
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