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Wilde Bundesratskandidaten
Blocher bricht das Tabu

Christoph Blocher, Alt-Bundesrat und Nationalrat SVP-ZH, spricht waehrend einer Medienkonferenz zum Thema "Schweizer Recht vor fremdem, internationalem Recht", am Montag, 12. August 2013 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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Christoph Blocher lässt kein gutes Haar an den offiziellen Bundesratskandidaten der SP: Das Zweierticket mit Jon Pult und Beat Jans sei eine «Provokation». Beiden fehle sowohl «die Lebenserfahrung wie auch der Leistungsausweis». Dass Jans Regierungsratspräsident des Kantons Basel-Stadt ist, macht die Sache für Blocher nicht besser. Das sei kein Leistungsausweis. Jans habe er einmal persönlich erlebt, das sei ein «linker Ideologe und der andere sowieso», sagt der SVP-Übervater am Freitagabend auf seinem persönlichen TV-Sender Teleblocher.

Dann bricht Blocher ein Tabu: Er lässt mehrmals durchblicken, dass er es legitim finden würde, wenn die bürgerlichen Parteien weder Pult noch Jans, sondern «einen dritten Kandidaten» der SP wählten. «Das wäre trotzdem ein Vertreter der Partei. Das wäre nicht das Ende der Konkordanz», sagt Blocher. Er verweist auf die beiden Alt-Bundesräte Otto Stich und Willi Ritschard, die beide gegen den Willen der SP gewählt wurden und laut Blocher trotzdem gute Bundesräte waren, auch für die SP selber. 

Der SVP-Doyen relativiert die SVP-Klausel

Blochers Worte sind auch für die eigene Partei eine Zäsur. Denn er stellt damit das ungeschriebene Gesetz zur Disposition, das vor 16 Jahren auf Druck der SVP im Bundeshaus etabliert wurde. Seit Blochers Abwahl und der Wahl der wilden Kandidatin Eveline Widmer-Schlumpf wählte das Parlament ausnahmslos nur noch Kandidierende, die von ihrer Partei offiziell vorgeschlagen wurden.

Der Grund: Die SVP hatte nach dem Schock über Blochers Abwahl in ihren Statuten eine Klausel eingebaut, wonach gegen den Willen der Partei gewählte Kandidaten aus der Partei ausgeschlossen werden. Das setzt seither die Parteien unter Druck, sich immer schön an das Kandidaten-Ticket der SVP zu halten. Aus anderen Parteien heisst es umgekehrt, dass man sich wegen der Klausel seither generell an offizielle Kandidaten habe halten müssen, um die Konkordanz nicht zu gefährden.

Blocher relativiert nun eben diese Klausel in den Statuten seiner Partei. Er sagt: «Es ist nicht so, wie überall geschrieben wird, dass die SVP Kandidaten ausschliesst, die sich gegen den Willen der Fraktion wählen lassen.» In einem ersten Schritt würde ein gegen den Willen der Partei gewählter Bundesrat zwar schon ausgeschlossen. Blocher betont aber, dass zwei Drittel der Fraktion und zwei Drittel des Parteivorstandes die Klausel überstimmen könnten, sodass der wilde Kandidat dann doch ein SVP-Bundesrat sei.

Die 2 gewaehlten Kandidaten Jon Pult, Nationalrat SP-GR, rechts, und Beat Jans, Regierungspraesident Basel-Stadt, links, auessern sich waehrend einer Medienkonferenz, bei der Bekanntgabe der offiziellen Kandidaten der SP fuer die Bundesratswahl als Nachfolge von Bundesrat Alain Berset, am Samstag, 25. November 2023, im Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Blocher sagt, dass die bürgerlichen Parteien die SP gewissermassen auch vorwarnen könnten, indem sie noch vor den Wahlen einen dritten Kandidaten verlangten. Blochers Worte könnten Einfluss auf die Wahl des Bundesrates haben – nicht nur für seine eigene Partei, in der bereits Parlamentarier öffentlich mitteilten, die SP-Kandidaten seien für sie unwählbar. Blochers Relativierung der eigenen Klausel könnte auch ein Zeichen an andere sein, dass die Zeit der Zurückhaltung sich dem Ende nähert. 

Auch die Mitte kritisiert das ungeschriebene Gesetz

Unzufrieden ist man mit der gegenwärtigen Situation auch in der Mitte. Fraktionschef Philipp Matthias Bregy fordert die Bundesratsparteien auf, sich darüber auszutauschen, welche Parameter bei künftigen Bundesratswahlen gelten sollen. Bregy will dabei nicht nur die Zauberformel diskutieren, sondern auch die Ticketfrage.

Gemäss Bregy haben die Parteien derzeit zu viel Einfluss auf die Bundesratswahlen und das Parlament zu wenig Handlungsspielraum. «Es kann nicht sein, dass im Falle der Wahl eines wilden Kandidaten gleich eine Staatskrise droht», sagt Bregy. Er will die Debatte aber erst nach der diesjährigen Gesamterneuerungswahl am 13. Dezember führen, zum Beispiel im Rahmen der Von-Wattenwyl-Gespräche. Dort treffen sich jeweils Vertreter der Regierungsparteien mit dem Bundesrat.

Wird Cassis durch Pfister ersetzt?

Allerdings geistert seit Tagen das Gerücht durchs Bundeshaus, dass das Mitte-links-Lager einen Plan schmieden könnte, um FDP-Bundesrat Ignazio Cassis durch Mitte-Präsident Gerhard Pfister zu ersetzen. Selbst Blocher schliesst das nicht aus. Verbreitet hat das Gerücht die FDP selber. Fraktionschef Damien Cottier bestätigt auf Anfrage: «Wir befürchten, dass einige Mitte-links-Parlamentarier einen Geheimplan schmieden, um unseren Bundesrat Ignazio Cassis abzuwählen.»

Interview mit CVP Praesident Gerhard Pfister, am Freitag, 21. August 2020 im Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

Dafür gebe es Indizien: Zwei Personen aus der FDP seien angefragt worden, ob sie nicht Bundeskanzler werden möchten. Einer der beiden Angefragten sei eine aus dem Tessin stammende Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Die zweite Person ist ein ehemaliger hoher Bundesbeamter aus der Deutschschweiz. Cottiers Befürchtung: «Es besteht das Risiko, dass man Herrn Cassis abwählen will, mit der Begründung, dass die FDP ja jetzt einen Bundeskanzler bekomme.»

Ein erfahrener SP-Nationalrat betont, er habe zwar nie von einem solchen Plan gehört. Aber: «Falls es einen solchen gibt, würde auch ich erst am Tag der Bundesratswahlen morgens um 7 Uhr davon erfahren», sagt er. «Denn wenn der Plan vorher bekannt wird, ist er tot.» Rein machtpolitisch gesehen schliesst der Nationalrat einen solchen Plan nicht aus: Die Mitte hätte ein Interesse, weil sie dann einen zweiten Bundesrat hätte. Die SP hätte ein Interesse, weil der Bundesrat eine Mitte-links-Mehrheit bekäme. Die Grünliberalen könnte man gewinnen, indem man ihnen das Amt des Bundeskanzlers verspricht. Offen ist, ob die Grünen mitmachen würden. Denn sie hoffen ja, ihren eigenen Kandidaten anstelle von Cassis in den Bundesrat zu bringen.

Mitte-Fraktionschef Bregy sagt: «Die Mitte wird keine Bisherigen abwählen. Es gibt keinen Geheimplan.» Am 13. Dezember werde es «total langweilig» werden. Es tönt genauso gut nach einem  Ablenkungsmanöver.