Bundesrats-Ticket der SPJans gegen Pult: Die spannendsten Bundesratswahlen seit sehr langer Zeit
Die SP geht mit Beat Jans und Jon Pult in die Bundesratswahlen. Die einzige Frau im Rennen, Evi Allemann, bleibt chancenlos.
Klatschen sie?
Klatschen sie laut? Oder nur freundlich? Zurückhaltend gar?
Auf halb eins an diesem Samstag ist die grosse Präsentation der SP angekündigt, eigentlich, kurz vor drei Uhr öffnet sich die Tür zum Fraktionszimmer der SP, und die Stimmenzähler kommen heraus. Schon wieder! Zum 18. Mal machen sie sich auf den kurzen Weg vom Sitzungszimmer der SP in einen Nebenraum. In den Händen die offiziellen Bundesratswahl-Urnen (die eckigen, grünen), auf dem Gesicht einen entschuldigenden Ausdruck. «La patience est la mère de toutes les vertus!», ruft der Nationalrat und Stimmenzähler Baptiste Hurni den anwesenden Journalistinnen und Journalisten zu. Geduld ist die Mutter aller Tugenden.
«La patience est la mère de toutes les vertus.»
Nach ein paar Minuten machen sich die Stimmenzählerinnen und Stimmenzähler wieder auf den Weg zurück. Ein kurzer Moment der Stille. Und dann hört man sie klatschen. Sie klatschen nicht mehr so wie kurz nach 13 Uhr, als die ersten Kandidaten offensichtlich aus dem Rennen ausgeschieden waren (leise, zurückhaltend, fast mitleidig). Oder so wie kurz nach 14 Uhr, als die erste Linie des SP-Tickets besetzt war (laut und kurz, eruptiv!).
Nein, jetzt klatschen sie richtig, sie klatschen final. Laut und überschwänglich und immer wieder. Bravo! Bravo! Dann geht die Tür auf, endlich, und heraus treten Beat Jans mit einem Blumenstrauss, Jon Pult mit einem Blumenstrauss, die Fraktionsspitze, die Parteispitze, ohne einen Blumenstrauss. Es ist ein antiklimaktischer Moment, niemand sagt etwas, nur die Fotografen rufen scheu dazwischen: Bitte etwas näher zueinander, danke, noch einmal!, danke!
Voilà. Zweieinhalb Stunden später als gedacht, nach insgesamt 18 Wahlgängen, hat die SP ein offizielles Bundesrats-Ticket. «La patience est la mère de toutes les vertus.» Die SP schlägt den Basler Regierungspräsidenten Beat Jans (59) und den Graubündner Nationalrat Jon Pult (39) zur Wahl in die Landesregierung vor.
Knallharte Strategie der Kandidierenden
Wie ist es dazu gekommen?
Das lässt sich an der detaillierten Auswertung der einzelnen Wahlgänge, die von der SP nach der Wahl zur Verfügung gestellt wird, recht gut ablesen. Bei der Besetzung der ersten Linie des Zweier-Tickets ging es für das gut organisierte Lager von Jon Pult offensichtlich darum, einen Gegner auszuwählen.
Man sollte sich von den netten Worten der Kandidaten und Kandidatinnen übereinander nicht täuschen lassen – am Schluss geht es bei der Nomination für ein Bundesrats-Ticket immer um knallharte Strategie. Im ersten Umgang also um die Frage: Wen unterstütze ich als Fan von Jon Pult? Wer ist ein möglichst schlagbarer Gegner? Und hier schien es so, dass sich die Pult-Unterstützer in einem Rennen gegen Beat Jans mehr Chancen ausrechneten als in einem Rennen gegen die Berner Regierungsrätin Evi Allemann.
Allemann konnte darum als Einzige bis ganz zum Schluss mit Jans mithalten. Nach Wahlgang drei fiel Daniel Jositsch aus dem Rennen (er hatte jeweils vier Stimmen gemacht und verabschiedete sich nach der Nomination kommentarlos), während der nächsten drei Wahlgänge wehrte sich Matthias Aebischer hartnäckig gegen ein Ausscheiden (mit 6 und 7 und 7 Stimmen) und fiel dann nach dem siebten Umgang aus dem Rennen. Es blieben: Pult (Aus nach Wahlgang 8), Nordmann (Aus nach Wahlgang 9) und dann das finale Duell: Jans gegen Allemann, 29 zu 20 Stimmen für den Basler.
Die Pult-Unterstützer rechneten sich in einem Rennen gegen Beat Jans mehr Chancen aus als gegen Evi Allemann.
Damit war der eine Platz auf dem Ticket besetzt – und damit war das Schicksal der Berner Regierungsrätin, die bereits zum zweiten Mal einen Nominationsprozess durchgemacht hat, besiegelt. Ihre Stimmen gingen am Schluss mehrheitlich zu Jon Pult, im Rennen um den zweiten Platz kam sie kaum mehr über zehn Stimmen und schied nach Wahlgang 7 aus. «Wir haben immer gesagt, dass Kandidaturen aus sämtlichen Landesteilen und von sämtlichen Geschlechtern gewählt werden können», erklärte Co-Fraktionspräsidentin Samira Marti später das doppelte Männer-Ticket.
Dass es für Evi Allemann knapp werden könnte (nachdem viele am Anfang gedacht hatten, die SP werde ganz sicher eine Frau aufs Ticket hieven), hatte sich in den letzten Tagen immer deutlicher abgezeichnet. In den Hearings habe Allemann ungelenk gewirkt, hiess es in der Fraktion. Und je klarer dieses Kommunikationsdefizit wurde, desto kleiner die Scheu innerhalb der SP-Fraktion, auf ein reines Männer-Ticket zu setzen.
Auf zur zweiten Linie! Die Stimmen von Beat Jans gingen im zweiten Rennen erstaunlicherweise zu Roger Nordmann. Offenbar rechneten sich die Unterstützer des Baslers bei einem Duell gegen Nordmann mehr Chancen aus als gegen Pult. Doch vergeblich: Das finale Duell zwischen Pult und Nordmann fand im achten Wahlgang statt und ging mit 27 zu 22 Stimmen für Pult aus.
Pult hat in diesem Nominationsprozess sein strategisches Geschick bewiesen.
Das Resultat dieses – etwas komplizierten und langwierigen – Prozesses: Die Schweiz wird die spannendsten Bundesratswahlen seit langer Zeit erleben. Beide, Jans und Pult, gelten als starke Kandidaten, beide können gut kommunizieren, niemand hat die eindeutige Favoritenposition. Es gibt natürlich Indizien, das schon. Das Alter unterscheidet die beiden (Jans ist schon fast sechzig, Pult erst fast vierzig), die Herkunft (Stadt gegen Land), die Erfahrung in einem Exekutivamt (die Jans hat und Pult nicht). Pult gilt als einen Tick linker, Jans als einen Tick europafreundlicher. Jans hat ein Problem mit den Bauern, dürfte dafür gerne gelesen haben, dass sich FDP-Chef Thierry Burkart jemand mit Führungserfahrung als SP-Bundesrat wünscht. Pult ist super vernetzt im Bundeshaus und hat in diesem Nominationsprozess sein strategisches Geschick bewiesen.
Auf die Frage, was sie voneinander unterscheidet, sagte Pult: «Am Schluss ist es eine Persönlichkeitswahl, unsere Positionen sind sehr ähnlich. Meine Botschaft ist folgende: Ich repräsentiere die Vielfalt der Schweiz, und diese Vielfalt ist eine Stärke.» Jans sagte: «Ich möchte als Brückenbauer auftreten. Wenn Stadt und Land weiter auseinanderdriften, braucht es Leute, die schauen, dass es Lösungen gibt, die für beide Seiten stimmen. Ich traue mir das zu – weil ich aus einem urbanen Zentrum komme und Regierungserfahrung habe.»
Das tönt natürlich alles schön und wohlziseliert, muss aber etwas übersetzt werden. Was Pult eigentlich sagt, ist: Ich bin jung, ich komme aus den Bergen, ich bin die Zukunft. Was Jans eigentlich sagt, ist: Ich weiss, wie Regieren geht, und es braucht jemand aus einer Stadt im Bundesrat.
Pult gilt als einen Tick linker, Jans hat ein Problem mit den Bauern
Beide Kandidaten wurden auch schon nach ihren offensichtlichen Schwächen gefragt. Bei Pult gehört dazu, dass er (auch weil seine Juso-Zeit noch nicht so lange her ist) als ziemlich links gilt. Er habe sich in seinem Kanton Graubünden während Jahren politisch in der Minderheit bewegt – und habe es dennoch immer wieder geschafft, Lösungen zu finden, entgegnete Pult darauf.
Bei Jans sind das Problem die Bauern. Sie wiesen schon kurz nach der Bekanntgabe seiner Kandidatur auf die landwirtschaftliche Politik des ausgebildeten Landwirts hin, die in ihren Augen gar nicht landwirtschaftsfreundlich war. Er werde versuchen, mit den Bauern in einen Dialog zu treten, sagte Jans darauf. Er sei zwar ein Städter, aber er habe auch eine Lehre als Bauer gemacht – und darum glaube er, dass eine Verständigung möglich sei.
Er freue sich auf die nächsten Wochen, sagte Jans, er werde sein Bestes geben. Das sagte auch Pult.
Das Rennen geht los.
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