Bürohr – Wirtschaftsnews der Woche Anleitung für Defibrillatoren irritiert Angestellte von Migros-Tochterfirma: «Sehr makaber»
Das «Bürohr» der SonntagsZeitung ist eine Institution. Gerüchte, Possen, Erfolgsmeldungen: Hier lesen Sie, was abseits der grossen Schlagzeilen in der Wirtschaft passiert.
Nicht gerade grosses Fingerspitzengefühl bewies am Donnerstag Thomas Gubler, Interimschef der Migros-Tochterfirma Delica. Am frühen Morgen war bekannt geworden, dass die Angestellten der Migros-Industrie per Mail zu einer Infoveranstaltung vom kommenden Dienstag eingeladen worden waren. Es deutet alles darauf hin, dass die Chefs dann die Entlassung von mehreren Hundert Angestellten bekannt geben. Im Fokus des Abbaus stehen Migros-Tochterfirmen wie Delica und Elsa. Am frühen Nachmittag liess Gubler am Standort Buchs AG auf allen Schreibtischen eine Anleitung zur Bedienung der Defibrillatoren verteilen. «Im Fall eines Herzstillstandes sind in der Delica Buchs an acht Standorten Defibrillatoren platziert», heisst es darin in leicht schrägem Deutsch. Unter den Mitarbeitenden sorgte die Aktion für Lacher. «Sehr makaber – eine gute Vorbereitung für die nächste Woche», lautete eine Stimme.
Doch noch schöne Ferien dank Hometogo
Zehntausende Reisende sind von der Pleite des Reiseveranstalters FTI betroffen und verständlicherweise frustriert. Doch sie können sich nun trösten, denn sie sind Teilnehmer eines Gewinnspiels. Dieses bietet der Konkurrent Hometogo, ein Online-Marktplatz für Ferienhäuser und -wohnungen, an. Er möchte so vielen Reisenden wie möglich helfen, doch noch schöne Ferien zu haben, lässt Firmenchef Patrick Andrae verlauten. Wohl eher geht es darum, von deren Unglück zu profitieren, denn unter allen von der FTI-Zahlungsunfähigkeit Betroffenen verlost Hometogo lediglich einen siebentägigen Aufenthalt in einer Villa in Kroatien. Dazu bekommen alle, die an der Verlosung teilnehmen, einen Gutschein von bis zu 100 Euro für ihre nächste Reise. Mit wem wohl? Mit Hometogo. Die Pleitegeier drehen ihre Runde.
Migros und Coop müssen sich warm anziehen
Migros und Coop sollen die Bauern für ihre Produkte fair entschädigen: Dieses Ziel verfolgt seit einem Jahr der neue Verein «Faire Märkte Schweiz». Gegründet haben ihn der prominente Volkswirtschaftsprofessor Mathias Binswanger und Stefan Flückiger, der zuvor als Co-Geschäftsführer beim Schweizer Tierschutz arbeitete.
Bei «Faire Märkte Schweiz» amtet Flückiger als Präsident und gleichzeitig als Geschäftsleiter. Doch offenbar hat der Verein so viel zu tun, dass er nun per Stelleninserat einen Co-Geschäftsleiter sucht – zunächst mit einem Pensum von 40 bis 60 Prozent, ab 2025 sei auch ein Pensum von 80 bis 100 Prozent möglich. Ein Jahr nach der Gründung sei der Verein «bereits eine starke Stimme in unserem Land», heisst es in der Stellenanzeige. Nun wollen Binswanger und Flückiger Gas geben. Zu den Aufgaben des Co-Geschäftsleiters gehören unter anderem die «Planung und Durchführung von Massnahmen und Kampagnen im Themenbereich Marktmachtmissbrauch». Gut möglich, dass sich Migros und Coop warm anziehen müssen.
Was bringt Urs Furrer da so auf die Palme?
Dem neuen Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands, Urs Furrer, wurde nachgesagt, er sei ein politischer Softie, der mit dem Gepolter seines Vorgängers Hans-Ulrich Bigler aufhören werde. Irrtum, kann man da nur sagen. In bester Bigler-Manier teilt Furrer, der sein Amt am 1. Mai angetreten hat, in seinem neusten Editorial in der «Schweizerischen Gewerbezeitung» aus: Gegen den «journalistischen Mainstream», gegen «Thesenjournalismus», gegen «linkslastige Journalisten», gegen die «selbstgerechten Moralapostel» und «Moralhüter in den Medien».
Was hat Furrer derart auf die Palme gebracht? Es war ein Artikel der «NZZ am Sonntag» von 2019, in dem unter dem Titel «Der Zuckerkrieg» beschrieben wurde, dass Zucker zu einem gesellschaftlichen Problem geworden sei, da Krankheiten und Übergewicht zunähmen. Doch in der Schweiz verhindere eine mächtige Lobby jeden Versuch, den Konsum zu regeln. Gemeint war unter anderem Furrer: Er arbeitete seit 2014 als Verbandsdirektor der Schokoladeproduzenten und der Backwaren- und Zuckerwarenindustrie. Dass er den Artikel fünf Jahre nach dessen Erscheinen immer noch nicht verwunden hat, finden wir: süss!
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