Mutmasslicher Staatsstreich in BrasilienDen Plan für das Attentat druckte der Bolsonaro-Berater im Präsidentenpalast
Fünf Männer sollen 2022 die Ermordung von Präsident Lula geplant haben. Zu Jair Bolsonaro pflegten sie enge Beziehungen. Eine Anklage gegen den Ex-Präsidenten wird damit wahrscheinlicher.
- Fünf Männer planten die Ermordung von Lulas Regierungsspitze und eine Militärherrschaft.
- Die Ermittlungen belasten Bolsonaro, da Spuren direkt zu ihm führen.
- Ein verhafteter Berater druckte den Attentatsplan im Präsidentenpalast aus.
- Bolsonaros Sohn sagt, Tötungsgedanken seien abstossend, doch kein Verbrechen.
Brasilien stand näher an einem Staatsstreich, als bisher bekannt war. Und gewaltbereite, antidemokratische Kräfte hatten Beziehungen bis in die höchsten Ränge der Regierung von Jair Bolsonaro, der Brasilien von 2019 bis 2022 regierte. Das zeigen jetzt Festnahmen und Erklärungen der brasilianischen Behörden.
Am Dienstag hat die brasilianische Bundespolizei bekannt gegeben, dass fünf Männer die Ermordung von Präsident Lula da Silva, Vizepräsident Geraldo Alckmin und Alexandre de Moraes, Richter am obersten Gerichtshof, geplant hatten. Danach wollten die Beschuldigten eine Militärregierung installieren.
Die Pläne betreffen eine Zeit, in der Brasiliens Demokratie gefährdet war. Der linke Lula da Silva hatte im Oktober 2022 die Wahlen gegen den ultrarechten Amtsinhaber Jair Bolsonaro gewonnen. Dieser weigerte sich aber, den Wahlsieg anzuerkennen. Im Vorfeld hatte er mehrmals angedeutet, sich notfalls auch mithilfe des Militärs an der Macht halten zu wollen.
Auch vier Festgenommene waren Angehörige des Militärs. Beim fünften handelt es sich um einen Mitarbeiter der Bundespolizei. Die Militärs gehören den sogenannten «kids pretos» (schwarze Kinder) an. Das sind Spezialeinheiten der Armee, benannt nach den schwarzen Balaklavas, die sie während der Einsätze tragen. Es handelt sich um Elitesoldaten, die für die Terrorabwehr zuständig sind.
Die Spuren führen zum Ex-Präsidenten
Für den ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro stellen die Ermittlungsergebnisse ein grosses Problem dar, da mehrere Spuren direkt zu ihm führen. Besonders belastend ist die Tatsache, dass einer der verhafteten Militärs auch als hoher Berater von Bolsonaro in dessen Generalsekretariat arbeitete.
Ebendieser Berater skizzierte den Attentatsplan auf einem Dokument. Dieses druckte er im Präsidentenpalast aus. Kurze Zeit später begab er sich in die offizielle Residenz des Präsidenten – um das geplante Attentat mit Bolsonaro zu besprechen? Der Verdacht liegt zumindest nahe. Eine direkte Beteiligung des Ex-Präsidenten präsentierten die Behörden allerdings nicht.
Anders verhält sich die Situation bei Walter Braga Netto, Bolsonaros früherem Verteidigungsminister und Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten bei den Wahlen 2022. Gemäss den Ermittlungen fand ein Gespräch zwischen dem Verteidigungsminister, zwei verhafteten Militärs und einem weiteren Bolsonaro-Vertrauten statt. Einer der verhafteten Generäle sendete dem Bolsonaro-Vertrauten danach ein Word-Dokument, wo er die anfallenden Spesen für das Attentat – Essen, Hotels, Sachaufwand – auflistete.
Brasiliens Präsident Lula äusserte sich noch nicht zu den Attentatsplänen. Auch Ex-Präsident Bolsonaro schweigt bislang. Dafür meldete sich sein Sohn Flavio im sozialen Netzwerk X mit der bemerkenswerten Aussage: «Unabhängig davon, wie abstossend der Gedanke ist, jemanden zu töten, es ist kein Verbrechen.»
Damit spielt der Sohn Bolsonaros darauf an, dass die fünf Männer die Attentatspläne nie umgesetzt haben. Wieso, bleibt unklar. Aufklärung könnte am ehesten Jair Bolsonaro selber liefern. Auch gegen ihn laufen Ermittlungen, weil er einen Putsch geplant habe, um auch nach der Wahlniederlage an der Macht zu bleiben. Bereits haben ihm die Behörden den Pass entzogen und ein Reiseverbot ins Ausland verhängt.
Bolsonaro machte es wie Trump
Bestens dokumentiert ist, wie Bolsonaro nach seiner Wahlniederlage Brasiliens Demokratie an den Abgrund brachte. Wie auch sein Vorbild Donald Trump verbreitete der Ex-Präsident die Lüge der «gestohlenen Wahl».
Monatelang hat er ohne jeglichen Beweis das elektronische Wahlsystem Brasiliens angegriffen, obwohl dieses immer bestens funktioniert hat. Noch heute ist ein grosser Teil der Bolsonaro-Anhänger überzeugt, dass die Wahlen gestohlen wurden. Eine verheerende Wirkung hatten offensichtlich gefälschte Videoschnipsel, die angeblich nicht funktionierende Wahlmaschinen zeigten und auf X und Whatsapp millionenfach geteilt wurden.
Anfang 2023 veranstaltete der Bolsonaro-Mob dann eine brasilianische Version des Capitol-Sturms (lesen Sie hier die Analyse). Anhänger verschafften sich gewalttätig Zugang in das Parlament, den obersten Gerichtshof und das Büro des Präsidenten in der Hauptstadt Brasília. Nur weil Lula an diesem Tag gar nicht in Brasília war, konnte Schlimmeres verhindert werden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Bolsonaro erhebt, ist mit den nun bekannt gewordenen Ermittlungsergebnissen deutlich grösser geworden. Die Ermittlungen sollen in den kommenden Wochen abgeschlossen werden.
Fehler gefunden?Jetzt melden.