LiveTicker zur Regierungskrise in LondonBoris Johnson kündigt in von «Buh»-Rufen begleiteter Rede Rücktritt an
Der skandalumwitterte Premier hat sich an die Nation gewendet. Wir berichten live.
Das Wichtigste in Kürze
Der britische Premierminister Boris Johnson tritt als Chef seiner Konservativen Partei zurück.
Er wolle aber als Regierungschef weitermachen, bis ein Nachfolger gewählt ist, sagte Johnson am Donnerstag in London.
«Buh»-Rufe im Hintergrund begleiteten seine Rede.
Ob seine Partei den vorläufigen Verbleib Johnsons im Amt des Regierungschefs akzeptieren wird, ist noch offen.
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Die Ausgangslage
Johnson war in den vergangenen Tagen massiv unter Druck geraten. Mehrere Kabinettsmitglieder und Dutzende parlamentarische Regierungsmitarbeiter traten von ihren Ämtern zurück. Zuletzt forderte ihn sogar der erst am Dienstag ins Amt berufene Finanzminister Nadhim Zahawi zum Rücktritt auf.
Oppositionschef Keir Starmer von der Labour-Partei begrüsste den erwarteten Rücktritt Johnsons. Das seien «gute Neuigkeiten», sagte Starmer der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge. Er fügte hinzu: «Aber es hätte schon vor langer Zeit passieren sollen.»
Noch am Mittwochabend hatte ein enger Johnson-Vertrauter verkündet, der Premier werde nicht aufgeben. «Der Premierminister ist in einer optimistischen Stimmung und wird weiterkämpfen», sagte Johnsons parlamentarischer Assistent James Duddridge dem Sender Sky News. Johnson habe bei der vergangenen Parlamentswahl das Mandat der Wähler bekommen und «so viel zu tun für das Land».
Doch ein Festhalten an der Macht schient angesichts des massiven Gegenwinds kaum möglich. Am Donnerstag berichtete unter anderem die BBC unter Berufung auf Regierungskreise von Johnsons bevorstehender Rücktrittsankündigung.
Notfalls, so berichteten britische Medien, sollte Johnson per Misstrauensvotum aus dem Amt entfernt werden. Der Tory-Politiker hatte erst vor einem Monat eine Misstrauensabstimmung in seiner Fraktion knapp überstanden. Für eine weitere Misstrauensabstimmung wäre eine Änderung der parteiinternen Regeln notwendig gewesen. Erwartet wurde zunächst, dass es Johnson darauf ankommen lassen würde. Doch am Donnerstag wurde der Druck offenbar zu gross.
Ausgelöst wurde die jüngste Regierungskrise in Westminster durch eine Affäre um Johnsons Parteikollegen Chris Pincher, dem sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Zuvor war herausgekommen, dass Johnson von den Anschuldigungen gegen Pincher wusste, bevor er ihn in ein wichtiges Fraktionsamt hievte. Das hatte sein Sprecher zuvor jedoch mehrmals abgestritten.
Die Affäre erwies sich nun als Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Johnson steht schon seit Monaten massiv wegen illegaler Lockdown-Partys während der Pandemie im Regierungssitz Downing Street in der Kritik. Er hatte wegen Teilnahme an einer der illegalen Zusammenkünfte selbst einen Strafbefehl von der Polizei erhalten und ist damit der erste britische Regierungschef, der sich während seiner Amtszeit strafbar gemacht hat. Trotzdem stritt er lange jegliches Fehlverhalten ab. (sda)
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