Börsen-EntwicklungTrump kann Schweizer Anlegerinnen und Anlegern ziemlich egal sein – die USA aber nicht
Seit der künftige Präsident hohe Zölle angekündigt hat, gibt es die Sorge, dass die Kurse ins Minus drehen könnten. Doch die Gefahren für die Börsen liegen ganz woanders.
![06.11.2024, Hessen, Frankfurt/Main: «Election 2024» steht auf einem Monitor im Handelssaal der Deutschen Börse. Auf den sich deutlich abzeichnenden Sieg Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl haben Investoren mit Käufen am deutschen Aktienmarkt reagiert. Foto: Boris Roessler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++](https://cdn.unitycms.io/images/23NOK5fIKw6BHC-zBzqANq.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=Zic16KaGQ6U)
- Banker jubeln über Trumps Wirtschaftspolitik, die US-Börsenkurse steigen seit seiner Wahl.
- Doch Trump droht mehreren Ländern Handelszölle an, das könnte sich schlecht auf die Wirtschaftsentwicklung auswirken. Denn US-Firmen wachsen stark im Ausland.
- Die Risiken für die Börsen liegen aber gar nicht zwingend in der Zollpolitik. Sondern darin, ob die Erwartungen an die Börsenstars wie KI-Firmen gerechtfertigt sind.
Die Stimmung im Herzen der Finanzwelt fasste Jamie Dimon, Chef der US-Grossbank JP Morgan, treffend zusammen. Seit der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten würden die Banker «in den Strassen tanzen», sagte der 68-Jährige vor wenigen Tagen auf einer Konferenz. Aussichten auf laxere Regeln für Firmen inklusive Banken sowie niedrigere Unternehmenssteuern führten zu guter Laune an der Börse. Die Kurse des US-Leitindex S&P 500 stiegen seit der Wahl um rund 5 Prozent, die der kleineren US-Werte im Index Russell 2000 sogar um mehr als 10 Prozent.
Nun fuchtelt der baldige Präsident Trump allerdings mit der Zollkeule herum, mit ihr droht er Kanada, Mexiko und China. Viele Privatleute auch in der Schweiz fragen sich angesichts der widersprüchlichen Signale: Sollten sie jetzt einsteigen? Oder schnell alles in Sicherheit bringen? Die ungewöhnliche Antwort auf diese Frage lautet: Donald Trump kann den Schweizer Anlegerinnen und Anlegern ziemlich egal sein – vor den USA sollten sie sich trotzdem in Acht nehmen.
Denn unabhängig von Trump sind die börsennotierten US-Unternehmen erst einmal zum Erfolg verdammt. Ihre Umsätze wachsen schneller als anderswo auf dem Globus, vom Umsatz bleibt mehr hängen als in anderen Weltregionen, und von diesem Geld geben die US-Firmen auch noch mehr an ihre Anlegerinnen und Anleger zurück. Während anderswo auf der Welt nahezu flächendeckend konjunkturelle Tristesse herrscht, scheint für US-Aktien das merkelsche Diktum zu gelten: Sie sind alternativlos.
Auch ohne Trumps Zutun könnten Kurse drehen
Trotz dieser Ausnahmesituation für amerikanische Unternehmen am Parkett könnten die Kurse unter Druck geraten. Denn auch wenn Gewinne und Margen der Firmen kräftig gestiegen sind, haben die Aktienkurse noch weit kräftiger zugelegt. Gedankenspiel: Wollten Anleger alle handelbaren Aktien der Firmen im S&P 500 aufkaufen, müssten sie derzeit rund 25-mal so viel zahlen wie die prognostizierten Firmengewinne der kommenden zwölf Monate.
Zum Vergleich: Im historischen Mittel reichten rund 15 aufsummierte Jahresgewinne. Schon ohne Trumps Zutun könnte also ein kleiner Knacks ausreichen – und die Kurse könnten drehen.
Die Debatten über US-Aktien konzentrieren sich gerne auf den Konjunkturtrend im Land, gehen damit aber notorisch am Kern der Sache vorbei. Schliesslich kommen nur 60 Prozent der Umsätze amerikanischer Börsenfirmen tatsächlich aus dem eigenen Land. Die Umsätze der grössten US-Börsenunternehmen stiegen in den vergangenen zehn Jahren vor allem deshalb so stark, weil sie im globalen Geschäft Marktanteile gewannen.
Trumps grösster Hebel auf die Kurse wäre also nicht die Konjunkturpolitik, sondern die Standortfrage. Würde er Kartellgesetze verschärfen oder Steuern nicht so deutlich senken wie erwartet, könnten Aktien empfindlich reagieren. Mit der Zollkeule, die nun Schlagzeilen macht, hat das jedoch wenig zu tun.
Das grösste Risiko für die Börse lauert anderswo
Das grösste Risiko für die Börsen heisst nämlich nicht trumpsche Dummheit, sondern künstliche Intelligenz (KI). Sollten die grossen Digitalunternehmen ihre Ausgaben für diese Technologie auch nur zeitweise drosseln, liessen sich die himmelhohen Erwartungen an ihre Aktien kaum mehr rechtfertigen. Und darüber entscheidet eben nicht Trump. Sondern, wie viele Menschen und Unternehmen künftig bereit sind, für die KI-Angebote von Microsoft oder Amazon Geld zu zahlen.
Auch ein weiterer Stolperstein entzieht sich Trumps Kontrolle und liegt nur scheinbar weit entfernt: Sollte die japanische Notenbank ihre Zinsen weiter anheben, könnten japanische Grossanleger weitere Milliarden aus den USA herausziehen und in ihr Heimatland transferieren, um dort von den Zinsen zu profitieren. Genau das geschah Anfang August bereits einmal und bescherte den Weltbörsen einen schockartigen Ausverkauf.
Angesichts dieser Gemengelage gilt für Privatanleger der immer gleiche Dreiklang: Wer einen langen Anlagehorizont mitbringt, kann zwischenzeitliche Kapriolen an den Märkten gelassen aussitzen. Wer neben Aktien auch auf Zinsanlagen setzt, baut so einen Puffer ins Depot ein. Und wer sein Geld global noch breiter streut als bislang, muss auch die Ereignisse in den USA nicht übermässig fürchten. Selbst wenn dort ein Präsident Donald Trump mitmischt.
Fehler gefunden?Jetzt melden.