Untersuchung enthüllt FehlerDas steckt hinter dem Boeing-Debakel
Der vorläufige Untersuchungsbericht des Alaska-Airlines-Unfalls zeigt gravierende Mängel in der Produktion der «737»-Serie auf. Externe Inspektoren sollen sie nun überwachen.
Das National Transportation Safety Board (NTSB) hat seine Aufgabe wieder einmal gründlich erledigt. In der vorgeschriebenen Zeit – nämlich bis spätestens einen Monat nach dem Unfall – legte die amerikanische Unfalluntersuchungsbehörde am Dienstagabend ihren ersten Zwischenbericht zum Alaska-Airlines-Flug 1282 vor. Auf 19 Seiten geht es um die Montagearbeiten im Boeing-Werk in Renton im Bundesstaat Washington, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu dem beinahe katastrophalen Unfall geführt haben, sie dokumentieren den Flugverlauf vom 5. Januar und beschreiben den Zustand der beschädigten Boeing 737-9. Dabei stellte sich vor allem eine Frage: Waren an der herausgebrochenen Türfüllung, die den Jet zu einer Notlandung zwang und Boeing in eine tiefe Krise stürzte, die Bolzen montiert, mit denen das Teil befestigt werden sollte?
In der Analyse kommt das NTSB zu dem Schluss: Die vier grossen Schrauben, normalerweise zwei vertikal angebracht und zwei horizontal, haben gefehlt. Und da die Behörde auch die Wochen, nachdem die Maschine im September 2023 im Boeing-Werk zusammengebaut worden war, minutiös rekonstruiert hat und keine weiteren Arbeiten am Rumpf finden konnte, ist nun klar: Es waren wirklich Boeing-Mechaniker, die die vier Bolzen einfach vergessen haben. Sogar ein Bild dokumentiert, wie die Füllung in ihrer Halterung sitzt – aber ohne die großen Schrauben. Für Boeing hätte es irgendwie kein peinlicheres, vorläufiges Ergebnis geben können.
Aufsichtsbehörde bremst Boeing aus
Boeing bietet die 737-9 in mehreren Versionen an. Wer besonders viele Passagiere unterbringen will, der muss zusätzliche Notausgänge einbauen. Wer wie Alaska Airlines weniger Passagieren mehr Platz bieten will, kann die Rumpföffnungen mit fest verschraubten Füllungen versehen.
Alaska Airlines hatte die Maschine erst Ende Oktober 2023 übernommen und seither auf 154 Flügen eingesetzt. Es war reiner Zufall, dass nicht schon viel früher etwas mit dem losen Teil passiert war. Am 5. Januar startete die 737-9 von Portland in Oregon aus in Richtung des kalifornischen Ontario bei Los Angeles. Auf einer Höhe von knapp 5000 Metern fiel die Füllung aus dem Rahmen nach aussen, in der Kabine kam es zu einem explosionsartigen Druckverlust, aber es gelang den Piloten, wieder in Portland zu landen. Niemand wurde ernstlich verletzt, aber auch das war ein glücklicher Zufall: In der betroffenen Reihe 26 sass niemand, und das schwere Teil beschädigte beim Herausfallen auch keine der Steuerflächen, die sich wenige Meter weiter hinten befinden.
Schon bevor das NTSB den Bericht veröffentlicht hatte, hat die Aufsichtsbehörde Federal Aviation Administration (FAA) Konsequenzen gezogen: Dauerhaft überwachen nun rund zwei Dutzend Inspektoren die Boeing-Werke. Die FAA will künftig pro Monat nur 38 neu gebaute 737-9 zulassen, viel weniger, als Boeing eigentlich plant. Je nachdem, wie lange die FAA dies durchzieht, dürften Hunderte 737 verspätet ausgeliefert werden, Einnahmen in Milliardenhöhe verschieben sich zumindest deutlich nach hinten.
United Airlines hat schon angekündigt, einen längst unterschriebenen Auftrag für 150 Flugzeuge aus der Flottenplanung zu nehmen. Boeing-Chef David Calhoun, bereits massiv unter Druck, hat angekündigt, alles daranzusetzen, die Qualität der Produktion zu verbessern. Auch Boeing lässt die Verfahren derzeit von externen Experten bewerten.
Dem Fehler war eine Reparatur vorangegangen
Dass die Mechaniker im September 2023 die Füllung überhaupt ausbauen mussten, lag allerdings am Zulieferer Spirit Aerosystems. Die Firma aus Wichita in Kansas baut den gesamten 737-Rumpf. An dem Alaska-Airlines-Jet waren aber Niete und eine Dichtung beschädigt und mussten repariert werden – dies ging eben nicht, ohne vorher den Verschluss zu entfernen.
Auch Spirit-Chef Pat Shanahan, Ex-Boeing-Manager und früherer stellvertretender Verteidigungsminister unter Donald Trump, hat nun einschneidende Veränderungen angekündigt. Er will vor allem die Produktion der 737 wenigstens ein bisschen modernisieren. Anders als bei Airbus werden die Rümpfe praktisch noch vollständig in Handarbeit gefertigt, an manche versteckte Stellen kommen die Mechaniker nur mit Mühe heran.
Nun sollen sie Werkzeuge an die Hand bekommen, mit denen die Montage körperlich leichter und auch präziser wird. Gerade erst hatte Boeing festgestellt, dass Spirit-Leute Löcher zu nahe an einem Fensterrahmen gebohrt hatten. 50 Flugzeuge müssen nun repariert werden und können nicht wie geplant an die Kunden ausgeliefert werden.
Spirit Aerosystems steht dabei auch unter grossem wirtschaftlichem Druck. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen einen Umsatz von sechs Milliarden US-Dollar, aber auch einen Verlust von 633 Millionen Dollar. Spirit liefert auch wichtige Komponenten, unter anderem Rumpfkomponenten, für die Airbus-Serien A220 und A350. Airbus und Spirit verhandeln gerade einen neuen Vertrag, die Gespräche laufen aber noch.
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