Horrorjahr für die GrossbankBei der Credit Suisse werden 7 Milliarden Franken Verlust erwartet
Der Grossumbau der Bank schlägt sich im Ergebnis nieder. Es droht der grösste Verlust seit der Finanzkrise. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Debakel.
Eigentlich sollte das Jahr 2022 für die Credit Suisse ein Übergangsjahr werden. Daraus wurde aber ein Horrorjahr – einmal mehr. Der Bank gelang es nicht, ihre Altlasten abzuschütteln. Das kostete Bankchef Thomas Gottstein den Job. Im vergangenen Juli wurde er durch Ulrich Körner ersetzt, der gleich auch eine neue Strategie ankündigte.
Ende Oktober zeigte Körner dann endlich seinen Plan für die Zukunft der Bank. Zur Ruhe kam die Bank damit aber nicht. Im Herbst zog ein Sturm in den sozialen Medien über sie hinweg, der dafür sorgte, dass Kundinnen und Kunden innerhalb von wenigen Wochen rund 80 Milliarden Franken abzogen.
Das alles schlägt sich in den schlechten Zahlen nieder, welche die Bankspitze am Donnerstag vorstellt. Und es zeigt sich auch im Aktienkurs: Die Credit-Suisse-Aktien haben innerhalb der vergangenen zwölf Monate rund zwei Drittel ihres Werts verloren.
Wie hoch wird der Verlust der Credit Suisse ausfallen?
Analysten schätzen, dass der Jahresverlust mehr als 7 Milliarden Franken betragen wird. Da bereits drei Quartalsresultate vorliegen, lässt sich das Ergebnis verlässlich schätzen. Es ist der höchste Verlust seit der Finanzkrise. 2008 betrug der Fehlbetrag 8,2 Milliarden Franken. Das Jahr 2021 war besser, aber auch schlecht: Damals schrieb die Credit Suisse einen Verlust von 1,6 Milliarden. Der Zusammenbruch des US-Hedgefonds Archegos und der Kollaps des australischen Lieferkettenfinanzierers Greensill hatten das Ergebnis verhagelt.
Anders die UBS: Der grössten Schweizer Bank geht es blendend. Vor wenigen Tagen hat sie einen Gewinn von mehr als 7 Milliarden Franken für das vergangene Geschäftsjahr bekannt gegeben (Lesen Sie hier mehr dazu). Auch bei der UBS stiegen die Erträge nicht, doch das Ergebnis fiel auch deswegen so gut aus, weil sie ihre Kosten im Griff hat. Dieser Unterschied zeigt sich auch im Aktienkurs.
Woher kommt der Riesenverlust?
Die Credit Suisse hat gleich zwei grosse Probleme: Die Erträge schrumpfen, dazu kommen gigantische Kosten. Der im Oktober angekündigte Umbau kostet viel Geld. Einzelne Teile der Bank werden dadurch wertlos und müssen abgeschrieben werden.
Werden diese Skandale zügig aufgearbeitet?
Es gibt Teilerfolge. In der Greensill-Sache konnte die Credit Suisse Fortschritte verbuchen. Kürzlich hat sie bekannt gegeben, dass ein zweiter der betroffenen Fonds liquidiert und die Gelder an Investoren zurückgezahlt werden. Ausstehend sind aber immer noch rund 2,3 Milliarden Dollar von säumigen Schuldnern. Diese dürfte die Credit Suisse aber nicht ohne langwierige Rechtsstreitigkeiten zurückerhalten.
Noch teurer ist der Kollaps des Hedgefonds Archegos, der die Grossbank rund 5,5 Milliarden Dollar kostete. Aus der mittlerweile angelaufenen Restrukturierung des Finanzvehikels könnte die Credit Suisse zwischen 5 und 20 Prozent ihrer Verluste zurückbekommen, wie die «Financial Times» unlängst berichtet hat. Die Grossbank kommentiert eine mögliche Rückzahlung der Archegos-Gelder nicht.
Unklar ist, wie teuer der Rechtsstreit mit dem georgischen Ex-Regierungschef und Milliardär Bidzina Ivanichvili wird. Er will bis zu 1,3 Milliarden Franken Schadenersatz von der Credit Suisse, die Bank versucht sich mit ihm zu einigen (Lesen Sie hier mehr dazu).
Wie weit ist die Bank beim Konzernumbau?
Das braucht Zeit. Dafür hat die Bank eine Kapitalerhöhung im Umfang von 4 Milliarden Franken durchgeführt. Damit haben Investoren aus dem Nahen Osten, allen voran die vom saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman kontrollierte National Bank, ihre Beteiligung an der Grossbank ausgebaut.
Auch sollen die Ausgaben sinken. Dazu will die Bank bis Ende 2025 rund 9000 Arbeitsplätze streichen, davon rund 2000 in der Schweiz.
Ein weiterer zentraler Baustein des Umbaus ist die radikale Neuausrichtung der Investmentbank. Diese soll künftig weniger Kapital binden und enger an die Vermögensverwaltung angebunden werden.
Hier sind allerdings noch zahlreiche Fragen offen: Neben dem Verkauf eines Teils ihres Verbriefungsgeschäfts an den US-Finanzinvestor Apollo gibt insbesondere die Auslagerung eines Teils der Investmentbank als CS First Boston zu reden. Dabei kommt dem US-Finanzunternehmer Michael Klein eine wichtige Rolle zu, doch werden ihm Interessenkonflikte vorgeworfen, da er bis vor kurzem selbst im Credit-Suisse-Verwaltungsrat sass (Lesen Sie hier mehr dazu).
Offen sind zudem die weiteren Geldgeber für die neue Investmentbank, die 2024 oder 2025 an die Börse gehen könnte. Bislang hat die Credit Suisse von einem Investor gesprochen, der sich mit 500 Millionen beteiligen will. Verschiedene Namen wurden dafür gehandelt, unter anderem der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman oder zuletzt der Finanzinvestor Apollo.
Wurden die Abflüsse bei den Kundengeldern inzwischen gestoppt?
Laut Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann haben sich die Vermögensabflüsse verlangsamt, zum Teil seien der Bank sogar frische Gelder zugeflossen. Die Analysten erwarten aber, dass der Vermögensabfluss auch im vierten Quartal angehalten hat.
Wer von den Abflüssen bei der Credit Suisse profitieren konnte, ist unklar. Viele reiche Kunden haben ihr nicht ganz den Rücken gekehrt, sondern einen Teil ihres Vermögens zu einer anderen Bank verschoben. Bei der UBS sollen kaum Gelder von Credit-Suisse-Kunden gelandet sein. Die Privatbank Julius Bär verzeichnete im November und im Dezember Zuflüsse von der Credit Suisse, ausserordentlich seien diese aber nicht ausgefallen.
Geht es jetzt endlich wieder aufwärts mit der Credit Suisse?
Das ist noch unklar. Vieles hängt davon ab, ob es der Bank gelungen ist, die Abflüsse bei den Kundengeldern zu stoppen. Denn davon hängen die künftigen Einnahmen ab, und erst diese sorgen dafür, dass die Bank aus den roten Zahlen kommt. Künftig will sich die Credit Suisse auf die Vermögensverwaltung, die Vermögensverwaltung für institutionelle Anleger und das Geschäft in der Schweiz konzentrieren.
Sicher ist: Für den Umbau hat sich die Bank einen sportlichen Zeitplan gesetzt. Heute entfallen etwas mehr als die Hälfte der Erträge auf diese drei Bereiche, 2025 sollen es mehr als 85 Prozent sein.
Klar ist auch: Das nächste Jahr soll kein Horrorjahr werden, ein gutes Jahr wird es aber wohl kaum sein. Analysten erwarten auch für 2023 noch einen Verlust von mehr als einer Milliarde Franken.
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