Exklusive UmfrageEine Mehrheit will mehr Geld für die Armee – und in zwei anderen Bereichen sparen
Die Schweizerinnen und Schweizer sind fürs Aufrüsten der Armee. 42 Prozent wollen gar weiter gehen als das Parlament. Den US-Kampfjet F-35 wollen die meisten aber nicht mehr kaufen.

- Eine aktuelle Umfrage zeigt eine deutliche Mehrheit für zusätzliche Militärausgaben der Schweiz.
- Die Finanzierung soll durch Einsparungen im Asylwesen erfolgen, nicht durch Steuererhöhungen.
- Sechzig Prozent der Befragten bevorzugen künftig europäische Rüstungsanbieter gegenüber amerikanischen.
Mit jedem Kriegstag in der Ukraine verschieben sich auch die sicherheitspolitischen Koordinaten der Schweiz weiter. Und Donald Trumps Abkehr von der Rolle der USA als Schutzmacht Europas zeigt ebenfalls Wirkung: In der Bevölkerung wächst der Wunsch nach mehr Verteidigung, mehr Armee – aber mit weniger Abhängigkeit von den USA.
Die Schweizerinnen und Schweizer sind heute mehrheitlich bereit, die Militärausgaben über das hinaus zu erhöhen, was Bundesrat und Parlament bereits beschlossen haben. Das zeigt eine Onlineumfrage, die das Institut Leewas Anfang April im Auftrag von «20 Minuten» und Tamedia durchgeführt hat. Über 35’000 Personen nahmen teil.
42 Prozent sprechen sich für eine noch stärkere Aufrüstung aus, 34 Prozent halten die Pläne des Parlaments für ausreichend – nur 18 Prozent wünschen sich einen moderateren Ausbau.
Die Zahlen zeigen: Die Zustimmung zur Aufrüstung variiert deutlich nach parteipolitischer Ausrichtung. Am stärksten befürworten Wählerinnen und Wähler der FDP eine Ausweitung. Auch bei der SVP-Basis liegt die Zustimmung bei fast der Hälfte der Befragten.
Anders sieht es bei Sympathisantinnen und Sympathisanten von SP und Grünen aus: Nur rund ein Viertel von ihnen möchte mehr investieren als bisher geplant. Eine grosse Zahl spricht sich für eine Begrenzung der Ausgaben aus.
Die Mitte stellt mit Viola Amherd die ehemalige und mit Martin Pfister den aktuellen Verteidigungsminister. Aber ihre Basis ist gespalten: 47 Prozent unterstützen zusätzliche Investitionen, 34 Prozent halten den aktuellen Plan für ausreichend.
Auffällig ist auch der Unterschied zwischen den Generationen: Während bei den über 65-Jährigen fast die Hälfte eine stärkere Aufrüstung wünscht, ist es bei den 18- bis 34-Jährigen nur ein gutes Drittel. Die Zustimmung zur Aufrüstung steigt also mit dem Alter – ein klassisches Muster sicherheitspolitischer Einstellungen.
Der Bundesrat sieht vor, dass das Budget bis 2032 auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts steigt. Aktuell wären das rund 9 Milliarden Franken. Letzte Woche – also nachdem die Umfrage durchgeführt wurde – forderte die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats eine zusätzliche Milliarde, insbesondere für den Kauf von Munition. Das scheint also dem überwiegenden Wunsch des Volks zu entsprechen.
Sparen statt Steuererhöhungen
Doch wie soll das bezahlt werden? Darüber streitet das Parlament schon lang. Unter den befragten Bürgerinnen und Bürgern sind 49 Prozent für Einsparungen in anderen Bereichen. Nur 37 Prozent sprechen sich für eine Aufweichung der Schuldenbremse aus, Steuererhöhungen unterstützen gar nur 16 Prozent.
Die politischen Präferenzen spiegeln sich auch in der Haltung zur Finanzierung: SVP- und FDP-Wählende setzen fast geschlossen auf Kürzungen – mit Zustimmungswerten von 70 und 62 Prozent.
Die Basis von SP und Grünen hingegen sieht eher bei der Schuldenbremse Spielraum: 45 und 40 Prozent befürworten deren Lockerung.
Bemerkenswert ist: Steuererhöhungen sind in allen politischen Lagern eine Minderheitsposition.
Asylwesen und Entwicklungshilfe im Sparvisier
Eine klare Ansage gibt es bei der Frage, wo gespart werden soll: Fast drei Viertel derjenigen, die grundsätzlich für Sparmassnahmen sind, nennen das Asylwesen. Die Hälfte will bei der Entwicklungszusammenarbeit kürzen.
Auch Kultur, Landwirtschaft und der Strassenverkehr werden oft genannt. Weniger beliebt sind Einschnitte bei der Altersvorsorge, dem öffentlichen Verkehr und der Bildung.
Die Forderung nach einem Ausbau der Armee mit Geldern, die anderswo eingespart werden, entspricht weitgehend den Positionen, wie sie von den bürgerlichen Parteien im Parlament vertreten werden. FDP-Nationalrat Heinz Theiler fasst den Standpunkt so zusammen: «Sicherheit ist eine Staatsaufgabe – der Bund muss halt klare Prioritäten setzen.»
Die Linke hingegen stellt sich gegen Sparübungen zugunsten der Armee. SP-Nationalrat Fabian Molina warnte davor, die Armee auf dem Rücken der Ärmsten aufzurüsten. Würde es den Rechten wirklich um Sicherheit gehen und nicht um den «Trachtenverein Armee», würden sie solche Vorschläge gar nicht machen.
Aber reicht Sparen überhaupt? Nationalrat Martin Candinas (Mitte) hält es für illusorisch, die zusätzlichen Militär-Milliarden einzig über Einsparungen zu beschaffen: «Wir müssen kreative und mehrheitsfähige Lösungen finden.»
Nein zum F-35
Bei Rüstungsprojekten wünscht sich eine satte Mehrheit von 60 Prozent, dass künftig europäische Anbieter bevorzugt werden. In einer Zeit, in der Trump die Verlässlichkeit der USA infrage stellt, ist das ein deutliches Signal für mehr schweizerische und europäische Unabhängigkeit in Sicherheitsfragen.
Ein Streitpunkt ist der Kauf von Kampfjets aus den USA. 2020 stimmte die Bevölkerung der Beschaffung neuer Jets nur knapp zu – mit 50,1 % Ja-Stimmen. Inzwischen ist der konkrete Typ – die amerikanische F-35 von Lockheed-Martin – bestimmt. Der Kaufvertrag ist unterzeichnet, 700 Millionen Franken hat die Schweiz bereits an die USA überwiesen.

Mit dem Regierungswechsel in Washington hat aber der Wind gedreht. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth sagt: «Trump ist ein rechtsextremer Wahnsinniger, mit dem wir keine Waffengeschäfte machen sollten.»
Auch im Volk nimmt die Skepsis überhand. Laut der Umfrage unterstützen den Kauf der F-35 nur noch 30 Prozent mit Ja oder eher Ja, während 45 Prozent klar dagegen sind.
Interessant ist, dass selbst unter SVP-Wählerinnen und -Wählern nur 27 Prozent dem F-35-Kauf klar zustimmen – 51 Prozent lehnen ihn ab. Die Skepsis gegenüber amerikanischer Rüstungstechnologie und Trumps Unzuverlässigkeit reicht also bis weit ins bürgerliche Lager.
Frauendienstpflicht spaltet die Meinungen
Eine relativ knappe Mehrheit von 54 Prozent spricht sich gegen die Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht für Frauen aus. 42 Prozent der Befragten befürworten das Anliegen. Die Haltung zur Frauendienstpflicht ist dabei stark vom Geschlecht geprägt: Männer unterstützen die Idee deutlich stärker (50 Prozent) als Frauen (nur 33 Prozent).
Ausgeprägt sind die Unterschiede auch zwischen den Altersgruppen. Die Zustimmung nimmt mit dem Alter merklich ab. Die Frauendienstpflicht bleibt damit ein polarisierendes Thema entlang klarer Linien.
Lieber EU als Nato
Eine Nato-Mitgliedschaft bleibt für die Schweizer Bevölkerung ein heikles Thema. Nur 18 Prozent sprechen sich klar dafür aus, 19 Prozent eher – während 36 Prozent eine Mitgliedschaft ablehnen.
Anders sieht es bei der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit der EU aus: 77 Prozent unterstützen diese in irgendeiner Form, davon genau die Hälfte klar. Auch eine engere Zusammenarbeit mit der Nato findet mit 71 Prozent breite Zustimmung.
Die Umfrageergebnisse deuten damit auf eine Haltung à la «Kooperation ja – Beitritt nein» hin. Das passt zum traditionellen Schweizer Neutralitätsverständnis.
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