Debatte eröffnetNationalrat will die Armeeausgaben erhöhen und dafür anderswo sparen
Die Auslagen für die Verteidigung sollen stark und schnell wachsen. Damit wäre nun auch die SP einverstanden. Doch die Mitte will mit der Rechten einen Deal machen.
«Die Lage ist kompliziert, also hören Sie gut zu!» Mit diesen Worten eröffnete Reto Nause (Mitte) am Mittwoch als Kommissionssprecher die grosse Armee-Debatte. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine diskutiert das Parlament über die Aufrüstung der Armee. Nun stehen konkrete Entscheide an: Der Nationalrat hat mit den Beratungen zur Armeebotschaft und zum Zahlungsrahmen für die kommenden vier Jahre begonnen.
Das Parlament hatte den Bundesrat beauftragt, die Armeeausgaben bis 2030 auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) zu erhöhen. Der Bundesrat beschloss aber ein etwas langsameres Wachstum: ein Prozent des BIP bis 2035. Das Parlament hiess diesen Plan erst gut – und überlegte es sich dann anders.
Im Juni beschloss der Ständerat, doch das raschere Wachstum anzustreben. Er erhöhte den Zahlungsrahmen für die kommenden vier Jahre um 4 Milliarden auf 29,8 Milliarden Franken. Der Ständerat hatte auch eine Vorstellung davon, wie das finanziert werden soll: zur Hälfte mit Geldern aus der Entwicklungshilfe.
Inzwischen scheint das zumindest für die kleine Kammer aber keine Option mehr zu sein. Vergangene Woche beschloss der Ständerat mit deutlicher Mehrheit, auf drastische Kürzungen bei der Entwicklungshilfe zu verzichten. Der Entscheid vom Juni sei ein «Hüftschuss» gewesen, hiess es.
Mehrheit für zusätzliche 4 Milliarden Franken
Was nun? Beim ursprünglichen Kurs des Bundesrates bleiben? Das kommt für die bürgerliche Mehrheit nicht infrage. In Europa herrsche wieder Krieg, es gehe um die Sicherheit des Landes – «ums Ganze», sagte FDP-Nationalrat Heinz Theiler. Bislang gibt es aber keinen Konsens zur Finanzierung der zusätzlichen Milliarden. Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates lehnte im Sommer die gesamte Vorlage ab, nachdem sie sich knapp für eine Finanzierung über einen Fonds ausgesprochen hatte. Kommissionssprecher Nause sprach von einem «wilden» Entscheid, der bei drückender Hitze gefallen sei.
Im Nationalrat fällt der Entscheid am Donnerstag – und die Geschichte dürfte sich nicht wiederholen. Der Rat wird die Armeebotschaft voraussichtlich gutheissen, inklusive höheren Budgets. Bei der Gegenfinanzierung wird das letzte Wort nach der Herbstsession aber noch nicht gesprochen sein. Der Nationalrat könnte den 4 Milliarden sogar zustimmen, ohne die Finanzierung festzulegen. Die Verfechter dieses Vorgehens sagen, das Parlament könne später entscheiden. Die Sparvorschläge der Expertengruppe Gaillard böten die Grundlage für eine Lösung bis zu den Budgetberatungen im Dezember.
Die Positionen sind klar: Die Mitte kündigte an, einer Sparlösung zum Durchbruch zu verhelfen – also jenem Plan, welchen die FDP und die SVP bevorzugen. Gespart werden soll namentlich bei der Entwicklungshilfe und beim Personalaufwand der Bundesverwaltung. Je nach Variante würden die Kantone ausserdem einen kleineren Anteil aus der direkten Bundessteuer erhalten.
«Diese Chance haben Sie verpasst»
Zwar halte er einen Fonds weiterhin für die ideale Lösung, sagte Mitte-Nationalrat Martin Candinas. Es würde sich um ein Tresorerie-Darlehen handeln, das die Armee bis 2045 zurückzahlen müsste. Aber er wolle nicht noch einmal eine unheilige Allianz und ein Scheitern erleben. In der Kommission stimmte die Rechte am Ende Nein, weil sie keine Fondslösung wollte. Und die Linke stimmte Nein, weil sie keine zusätzlichen 4 Milliarden für die Armee wollte.
SP und Grüne hätten die Chance gehabt, mit der Mitte konstruktiv zusammenzuarbeiten. «Diese Chance haben Sie leider aus ideologischen Gründen verpasst», sagte Candinas. Deshalb werde ein Teil der Mitte nun «schweren Herzens» eine Sparvariante unterstützen.
SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf und SP-Nationalrat Fabian Molina – die eine Sparvariante verhindern möchten – versicherten, die SP würde die Fondslösung unterstützen, und zwar bis zum Ende. Sie sei nun bereit, der Erhöhung der Armeeausgaben zuzustimmen. «Das ist für uns ein grosser Schritt», sagte Seiler Graf. Doch Candinas gab zu verstehen, dass es dafür zu spät sei.
Sparvariante zulasten der Kantone?
SVP-Nationalrat Thomas Hurter sagte, wenn die Fondslösung obsiegen sollte, werde die SVP am Ende Nein stimmen. Eine Rückzahlung in zwanzig Jahren sei nicht seriös. Der Sparvariante mit einer Senkung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer würde die SVP hingegen als Kompromiss zustimmen, auch wenn sie eine Variante ohne diesen Punkt bevorzuge.
Die SVP brachte am Mittwoch auch eine neue Idee ins Spiel: Ausländische Männer, die zur ständigen Wohnbevölkerung zählen, sollen eine Wehrpflichtersatzabgabe entrichten – wie es Schweizer Männer tun müssen, die keinen Dienst leisten können. Die SVP reichte eine entsprechende Motion ein, wie CH Media berichtete. Darüber wird das Parlament freilich erst später entscheiden können. Finanziell wäre das ein Tropfen auf den heissen Stein.
Am anderen Ende des Ratssaals riefen die Grünen – die eine Aufrüstung ablehnen – dazu auf, das Stimmvolk entscheiden zu lassen. Die GLP wiederum plädierte für die Variante des Bundesrates, also ein langsameres Wachstum der Armeeausgaben.
Verteidigungsministerin Viola Amherd sagte, mit dem Plan des Bundesrates würden die Armeeausgaben in den kommenden zwei Jahren bereits um 3 Prozent wachsen, in den beiden Folgejahren um über 5 Prozent. Die Finanzlage des Bundes erlaube kein zusätzliches Wachstum.
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