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Energiepolitik vor der Wende
Rösti macht Ernst – Bundesrat dürfte AKW-Neubauverbot kippen

Interview mit Albert Rösti zum Stromgesetz

Warum ist es ihm nicht gelungen, seine Partei hinter sich zu bringen bei dieser zentralen Abstimmung? Was würde ein Nein für die Schweiz bedeuten? Was würde er als Strom-General als nächstes unternhemen - mit Axpo, Alpiq und co über Atomkraft reden? © Adrian Moser / Tamedia AG
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Wenige Volksinitiativen sind so knapp formuliert wie die «Blackout stoppen»-Initiative, die SVP- und FDP-nahe Kreise lanciert haben. Der Initiativtext enthält zwei wesentliche Forderungen:

  1. Künftig sollen in der Schweiz alle klimaschonenden Energien erlaubt sein – also auch neue Atomkraftwerke (AKW).

  2. Die Stromversorgung muss klimafreundlich sein.

Bundesrat Albert Rösti will nun mit einem Gegenvorschlag den zentralen Punkt der Volksinitiative aufnehmen: Er beantragt dem Bundesrat formell, das bestehende AKW-Neubauverbot aus dem Gesetz zu streichen. Und damit den Initianten ein grosses Stück entgegenzukommen.

Am Mittwoch hat der Bundesrat ein erstes Mal über Röstis Antrag gesprochen. Ein Entscheid ist allerdings nicht gefallen. Gemäss bundesratsnahen Personen haben die Regierungskolleginnen und -kollegen Rösti zum Nachbessern zurückgeschickt: Er muss diverse Fragen klären. Unter anderem, so sagt eine bundesratsnahe Person, seien Röstis Begründungen zu rudimentär gewesen.

Bevölkerung soll nicht automatisch mitentscheiden können

Es geht um einen Grundsatzentscheid: Gibt es einen Gegenvorschlag zur «Blackout stoppen»-Initiative, ja oder nein? Rösti hatte, wie in solchen Fällen üblich, noch keine fertige Vorlage parat. Sondern er legte dem Bundesrat ein Aussprachepapier vor. Zentraler Punkt: Der Energieminister strebt einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative an. Das bedeutet, dass sich zwar das Parlament mit der Frage befassen müsste, die Stimmbevölkerung aber nicht zwingend.

Die Bevölkerung könnte nur dann mitreden, wenn das Parlament die Gesetzesänderung verabschieden würde und anschliessend ein Referendum zustande käme. Das wiederum bedeutet: Es bräuchte nur ein Volksmehr, um den Neubau von AKW wieder zu erlauben. Das Ständemehr, das bei der Initiative nötig wäre, würde wegfallen. Die Hürden für die AKW-Befürworter wären damit tiefer.

Weil die Initianten mit diesem Gegenvorschlag ihr wichtigstes Ziel erreichen würden, kann Rösti davon ausgehen, dass sie ihre Initiative zurückziehen würden. Vor seiner Wahl in den Bundesrat war Rösti selbst Mitglied des Energieclubs Schweiz, der hinter der Initiative steht.

Rösti will das Stimmvolk nicht fragen

Röstis Bundesratskollegen hatten dazu Fragen und Einwände. Einer davon war demokratiepolitisch. Die Stimmbevölkerung hat erst im Jahr 2017 die Energiestrategie angenommen, welche auf erneuerbare Energien setzte und den Atomausstieg besiegelte. Der Volksentscheid war damals eine direkte Folge der Atomkatastrophe, die sich 2011 im japanischen Fukushima ereignet hatte. Seither ist der Neubau von AKW in der Schweiz gesetzlich verboten.

Rösti will nun, dass Regierung und Parlament diesen Volksentscheid nicht einmal zehn Jahre später bereits wieder umstossen – ohne die Bevölkerung selbst dazu zu befragen. Zwar dürften die AKW-Gegner keine Mühe haben, die nötigen Unterschriften für ein Referendum zusammenzubringen. Aber sie würden wohl argumentieren, dass der Bundesrat die Stimmbevölkerung übergehen wolle – was ihnen in die Hände spielen könnte.

Folgen bald Subventionen für AKW?

Weitere Fragen betrafen die finanziellen Folgen. Zwar will Rösti dem Vernehmen nach bloss das Neubauverbot kippen – vorerst ohne den Bau neuer AKW mit finanziellen Anreizen oder gar staatlichen Subventionen zu fördern. Trotzdem dürften solche Fragen schnell ins Zentrum der Debatte rücken. Denn die Schweizer Stromkonzerne sagen sehr offen, dass sie wirtschaftlich kein Interesse am Neubau eines AKW hätten. Dies, weil die Kosten für Sicherheit und Entsorgung hoch sind und AKW kaum rentabel betrieben werden können.

Kritiker argumentieren daher, dass – sollte das Neubauverbot aufgehoben werden – sofort der Ruf nach staatlichen Garantien oder Subventionen laut werden würde. Dagegen wiederum wenden Befürworter eines AKW-Neubaus ein, dass auch erneuerbare Energien wie die Fotovoltaik und die Wasserkraft staatlich gefördert würden.

Dass die beiden SP-Bundesräte die Aufhebung des Neubauverbots ablehnen, steht quasi ausser Frage. Auch Mitte-Bundesrätin Viola Amherd dürfte die Pläne kritisch sehen, war es doch ihre direkte Vorgängerin Doris Leuthard, die das AKW-Verbot seinerzeit gegen starke Widerstände durchgedrückt hatte.

Doch FDP und SVP sprechen sich schon lange gegen Technologieverbote aus. Die beiden Parteien stellen vier der sieben Bundesräte. Damit ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Rösti in einer zweiten Lesung eine Mehrheit für einen Gegenvorschlag finden wird. Womöglich ist dies bereits am nächsten Mittwoch der Fall. Damit wäre die Atomdebatte, 13 Jahre nach der Katastrophe von Fukushima, in der Schweiz wieder voll lanciert.