Debatte um AtomstromAufhebung von AKW-Neubauverbot: Bürgerliche brüten über neuen Plänen
FDP-Politiker Christian Wasserfallen will der Volksinitiative «Blackout stoppen» mit einem Gegenvorschlag unter die Arme greifen. Die Initianten sehen sich bestätigt.
Soll der Bau von Kernkraftwerken in der Schweiz wieder erlaubt sein? Ein bürgerliches Komitee will mit der Volksinitiative «Blackout stoppen» das Verbot aufheben, das die Stimmbevölkerung 2017 beschlossen hat. Noch ist das Volksbegehren nicht eingereicht; das soll am 16. Februar geschehen. Und doch hat es bereits heftige Debatten über die künftige Energiepolitik provoziert.
Mehr noch. Im Hintergrund brüten bürgerliche Kreise bereits über einen Gegenvorschlag. Dazu, in welche Richtung es gehen könnte, äussert sich nun erstmals FDP-Politiker Christian Wasserfallen im Detail. «Eines der grossen Probleme ist nach wie vor, dass Energieunternehmen keine grossen Kraftwerkskapazitäten mehr aufbauen, insbesondere im Winterhalbjahr», sagt der Berner Nationalrat. Es brauche deshalb Anreize für mittel- bis langfristige Investitionen.
Sein Vorschlag enthält zwei Elemente. Erstens: Das Neubauverbot wird aufgehoben, so wie es die Initiative fordert. Und zweitens: Es gibt eine Auktion für neue Kraftwerke mit dem Ziel, hierzulande mehr Strom zu produzieren, insbesondere im Winter, wenn die Schweiz auf Importe angewiesen ist.
Die Auktion soll einen technologieneutralen Wettbewerb zulassen – mit der Einschränkung, dass die Produktion des Stroms mit den Klimazielen des Bundes vereinbar ist. Kernkraft mit ihrer vergleichsweise guten CO2-Bilanz würde diese Voraussetzung erfüllen, sagen ihre Befürworter. Sie verweisen auf den Weltklimarat IPCC, der die Kernenergie nebst Sonne und Wind zu den Klimaschutztechnologien zählt. Auktionen sind zudem ein bewährtes Mittel in der Energiebranche und überdies kompatibel mit EU-Recht.
Auktion soll Wettbewerb fördern
Funktionieren soll die Auktion wie folgt: Der Bund definiert in einem ersten Schritt die Menge Strom, die neu produziert werden soll. In der Folge melden die Energieunternehmen, wie viel Strom sie mit neuen Kraftwerken liefern können und zu welchem Preis. Das kann nicht nur ein neues Kernkraftwerk sein, sondern zum Beispiel auch ein neues Wasserkraft- oder Solarkraftwerk. Am Ende berücksichtigt der Bund die günstigsten Angebote, die es braucht, um die ausgeschriebene Strommenge zu erreichen.
Wer den Zuschlag erhält, profitiert von Fördergeldern, die aus dem Netzzuschlag stammen – also jenem Topf, mit dem der Bund heute die erneuerbaren Energien fördert. Gespiesen wird er von den Stromkonsumentinnen und -konsumenten, derzeit beträgt der Zuschlag pro Kilowattstunde 2,3 Rappen. Damit der Bund Planungssicherheit hat, müssen die siegreichen Energieunternehmen finanzielle Sicherheiten hinterlegen – um zu verhindern, dass ein Unternehmen ein Gebot abgibt und sich dann ohne Konsequenzen davon verabschiedet.
Auflegen will Wasserfallen das Ganze als indirekten Gegenvorschlag. Das bedeutet: Das Parlament arbeitet als Gegenprojekt zur Volksinitiative eine Gesetzesänderung aus, über die in der Folge National- und Ständerat abstimmen – sowie das Stimmvolk, sollte das Referendum ergriffen werden.
Was dagegen entfiele, wäre die Hürde des Ständemehrs, das Volksinitiativen auch schon zum Verhängnis geworden ist – wie zum Beispiel bei der Konzernverantwortungsinitiative. Wasserfallen ist überzeugt, dass sein Gegenvorschlag den Vorstellungen der Initianten und jener der Energiebranche entspricht.
Axpo: «Richtige Richtung»
Nachfragen zeigen: Der Vorschlag stösst in der Energiebranche auf Interesse. «Er geht in die richtige Richtung», erklärt zum Beispiel der Stromkonzern Axpo. Denn er ziele auf Winterproduktion ab und baue in der Umsetzung auf Technologieneutralität sowie Wettbewerb. Allerdings seien verschiedene Fragen noch genauer zu klären, etwa, ob die verschiedenen infrage kommenden Technologien in ein- und derselben Auktion behandelt werden könnten.
Die Initianten selber sehen sich durch die Arbeiten an einem Gegenvorschlag bestätigt: «Unsere Initiative kommt zum richtigen Zeitpunkt», sagt SVP-Politikerin Vanessa Meury, Mitglied des Initiativkomitees und Präsidentin des Energie Club Schweiz. Es gehe nicht nur darum, Rahmenbewilligungen für neue Kernkraftwerke wieder zu gewähren. Vielmehr müsse auch die Stromproduktion im Winter so rasch als möglich ausgebaut werden. Und dafür, so Meury, seien Auktionen für Kraftwerke eine «prüfenswerte Idee».
Wasserfallen will nun abwarten, ob der Bundesrat von sich aus einen Gegenvorschlag ins Spiel bringt. Energieminister Albert Rösti hat diese Frage unlängst in einem Interview mit dieser Redaktion offengelassen. Doch alles andere als ein Gegenvorschlag aus Röstis Departement wäre überraschend; der SVP-Magistrat ist ein Atombefürworter.
Entscheidend wird sein, wie sich im Parlament die Mitte positionieren wird. SVP und FDP befürworten eine Aufhebung des Neubauverbots, SP, Grüne und GLP sind dagegen. Und auch die Mitte-Partei hält bis jetzt am Atomausstieg fest, den ihre Bundesrätin Doris Leuthard nach der Fukushima-Katastrophe eingeläutet hat. Bleibt das so? Präsident Gerhard Pfister sagt: «Die Partei und die Fraktion werden das beurteilen, wenn die Sache auf dem Tisch ist.»
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