Umstrittene InitiativeStreit unter AKW-Freunden
Die Stopp-Blackout-Initiative, die den Neubau von AKW ermöglichen soll, ist auf Kurs: Über 100’000 Unterschriften sind gesammelt. Doch nun übt ausgerechnet das Nuklearforum Kritik am Vorhaben.
Kernkraft steht auf einmal wieder weit oben auf der politischen Agenda: Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft setzen sich für die Aufhebung des AKW-Neubauverbots ein. Ohne neue Atommeiler sei die Energiewende nicht zu schaffen, glauben sie.
Doch jetzt gibt es Streit unter den AKW-Befürwortern. Auf der einen Seite ist der Energieclub. Er hat die Stopp-Blackout-Initiative lanciert. Diese soll den Bau neuer Atomkraftwerke wieder möglich machen. Im Komitee sitzen Politiker der Mitte wie Ständerat Peter Hegglin und Alt-Nationalrat Arthur Loepfe sowie die Nationalräte Marcel Dobler (FDP) und Christian Imark (SVP). Zu den prominenten Mitgliedern zählt auch Eduard Kiener, ehemaliger Direktor des Bundesamtes für Energie.
Die Initiative ist auf gutem Weg: «Wir haben bereits über 100’000 Unterschriften gesammelt», sagt Vanessa Meury, Präsidentin des Energieclubs. Man sammle aber weiter. Die Frist läuft noch bis zum 1. März.
Doch nicht alle AKW-Befürworter finden die Stopp-Blackout-Initiative des Energieclubs gut. Das Nuklearforum, das sich laut Website für eine friedliche Nutzung der Kernenergie einsetzt, kann dem Volksbegehren nichts abgewinnen. Im Vorstand sitzen Vertreter aus der Wirtschaft, der grossen Stromversorger sowie der Nuklearforschung. Präsident ist Hans-Ulrich Bigler, ehemaliger Direktor des Gewerbeverbands.
Bigler, eigentlich einer der eifrigsten AKW-Befürworter, sagt: «Ich habe grosse Zweifel, ob das Neubauverbot für AKW bei einer Annahme der Blackout-Initiative tatsächlich aufgehoben würde.» Denn die Initiative fordere die Aufhebung des Verbots nicht explizit, sagt Bigler. In der Tat kommt der Begriff «AKW» im Initiativtext nicht vor. Es steht dort bloss, «alle klimaschonenden Arten der Stromerzeugung» müssten «zulässig» sein. Für die Initianten wiederum ist klar, dass damit auch AKW gemeint sind.
Bigler: «Initiative steht im Widerspruch zur Verfassung»
Nuklearforum-Präsident Bigler geht noch weiter mit seiner Kritik: Die Initiative stehe im Widerspruch zur Bundesverfassung, sagt er. Denn der Initiativtext fordere auch, dass der Bund künftig die Verantwortung für die Sicherstellung der Stromversorgung habe. Gemäss Bundesverfassung seien aber die Kantone zuständig. «Wird die Initiative angenommen, wäre nicht mehr klar, wer zuständig ist», sagt Bigler.
Ein Widerspruch in der Verfassung in einem so wichtigen Punkt sei fatal. Das Nuklearforum habe «deshalb beschlossen, die Unterschriftensammlung für die Initiative nicht zu unterstützen.» Man sei «überzeugt, dass es besser wäre, das Verbot direkt über eine Gesetzesänderung aufzuheben», sagt Bigler. Offen lässt er, wie sich das Nuklearforum dann im Abstimmungskampf zur Initiative verhalten wird.
Der Basler Staatsrechtsprofessor Markus Schefer gibt Bigler in beiden Kritikpunkten recht: Es sei «nicht klar», was die Initiative in Bezug auf den Neubau von AKW in der Praxis ändern würde. Wenn man der Meinung sei, es brauche neue AKW, «wäre es klarer, in der Initiative konkret festzuhalten, dass der Neubau erlaubt ist», sagt Schefer. Wie Bigler sieht Schefer auch einen Widerspruch zur Bundesverfassung: «Würde die Initiative angenommen, müsste der Bund Verantwortlichkeiten festlegen, die gemäss Verfassung schon festgelegt sind.»
Initianten: «Biglers Aussagen sind fragwürdig»
Die Initianten wehren sich gegen die Kritik. Komitee-Sprecherin Meury sagt: «Am Initiativtext haben neben Energieexperten auch namhafte Verfassungsrechtler mitgearbeitet und die Bundeskanzlei hat den Text gesetzesrechtlich geprüft.»
Auch die Kritik, die Initiative fordere zu wenig deutlich eine Aufhebung des AKW-Neubauverbots, lässt Meury nicht gelten: Sie findet Biglers Aussagen «fragwürdig», sagt sie. Die Initianten haben laut Meury bewusst darauf verzichtet, spezifische Begriffe wie «AKW» oder «Nukleartechnologie» in die Verfassung zu schreiben, weil «einzelne Technologien nicht in die Verfassung gehören», sagt Meury.
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