Kampf um digitale ZukunftDie «New York Times» sperrt die KI aus
Die Zeitung droht der KI-Suchmaschine Perplexity wegen Verletzungen des Urheberrechts mit rechtlichen Schritten. Ein Kampf um Geld – und um die Zukunft der Medien.

- Die «New York Times» hat Perplexity eine Unterlassungsaufforderung geschickt.
- Perplexity verwendet Medieninhalte für Antworten in seiner KI-Suchmaschine.
- Amerikanische und europäische Medien betrachten das als Urheberrechtsverletzung.
- Die juristischen Auseinandersetzungen könnten künftige Standards für KI-Entwicklung setzen.
Es ist ein Kampf der Giganten. Vergangenheit gegen Zukunft: Auf der einen Seite die Medien, die um ihren Platz in der Zukunft kämpfen. Auf der anderen Seite ebenjene digitale Zukunft der künstlichen Intelligenz, die sich als Neuanfang versteht und deswegen kein grosses Interesse daran hat, diese mit der Vergangenheit zu teilen. Etwas konkreter: Wie Anfang der Woche bekannt wurde, liess die «New York Times» der Firma Perplexity in San Francisco eine Unterlassungsaufforderung zustellen. Das Unternehmen solle ab sofort keine Inhalte der «Times» für ihre KI-Suchmaschine verwenden.
Perplexity wurde 2022 mit Geld unter anderem von Amazon-Gründer Jeff Bezos und des Chip-Herstellers Nvidia gegründet. Die Firma soll das Suchmaschinenmonopol von Google mit künstlicher Intelligenz herausfordern. Denn bei Perplexity bekommt man auf eine Anfrage eine ausführlich formulierte Antwort mit Links zu den durchwegs seriösen Quellen. Das funktioniert erstaunlich gut und fehlerfrei.
Wer bezahlt so noch für Journalismus?
Und da liegt das Problem. Denn die seriösen Quellen sind Medien, die mit der Recherchearbeit, die diese Suchmaschine auswertet, Geld verdienen müssen. Das wird in der Struktur solcher KI-Suchmaschinen immer schwieriger. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand die Links anklickt, nachdem die KI schon eine umfassende Antwort geliefert hat, ist aber gering. Das ist der Unterschied zu den herkömmlichen Suchmaschinen, die in erster Linie Linklisten liefern, die einen Grossteil der Umsätze bei den verlinkten Medien ausmachen. Perplexity ist auch längst aus seiner Start-up-Phase herausgewachsen. Mitte des Jahres lag die Marktbewertung bei 3 Milliarden Dollar. Das ist ein Versprechen der Börsen und Investoren auf die Zukunft.
Eine Unterlassungsaufforderung ist in der Regel der Auftakt für eine Klage. Eine juristische Formalie im fernen Amerika wäre das, hingen an diesem Fall nicht so einige Fragen über die Zukunft des Journalismus in Zeiten der künstlichen Intelligenz. Nun hat die «Times» schon eine Klage gegen Open AI laufen, die Firma, die mit Chat-GPT vor knapp zwei Jahren das KI-Wettrennen auslöste. Laut «Times» hat die Firma unerlaubt Texte abgegriffen und für das Trainieren ihrer Chatbots verwendet.
Eine Frage, eine Antwort – das reicht den meisten
Sollte der Zeitungskonzern gewinnen, müsste Open AI theoretisch seine KI-Modelle noch einmal trainieren und dabei darauf achten, dass keine urheberrechtlich geschützten Inhalte der «New York Times» im Datensatz enthalten sind, aus dem die Chatbots lernen. Denn einzelne Inhalte aus Trainingsdaten zu löschen, ist technisch unmöglich. Der Prozess wird sich noch lange hinziehen. Die Verteidiger der KI-Firma forderten im Sommer Einsicht in die Notizen und Unterlagen der «Times»-Reporter. Was die Zeitung ablehnt. Es wird also noch dauern. Andere Medienkonzerne haben inzwischen ihre eigenen Klagen gegen Open AI eingereicht.
Was Perplexity von Open AI unterscheidet, ist, dass die Suchmaschine die Quellen für die jeweiligen Antworten auswertet. Das sei «fair use», behauptet Perplexity, denn alles, was im Netz zugänglich sei, sei öffentliches Material, das auch für das Trainieren oder Betreiben einer KI verwendet werden dürfe. Die «Times» allerdings hat den Verdacht, dass auch Inhalte hinter der Bezahlschranke in die Antworten einfliessen. Das haben ihre Untersuchungen auch im Fall von Open AIs Chat-GPT ergeben. Eigentlich wird das Abgreifen solcher Inhalte von einer Datei mit dem schlichten Namen robot.txt verhindert. Das ist ein Standard, der anzeigt, welche Inhalte von den Datensammelprogrammen abgegriffen werden dürfen und welche nicht. Eine Untersuchung des Magazins «Wired» ergab allerdings im Juni, dass einige KI-Firmen wie Perplexity diesen Standard umgehen. Technisch ist das einfach, rechtlich umstritten, ethisch verwerflich.

Perplexity reagierte mit einem Programm, das Profite in Teilen an Medien verteilt. Das «Time Magazine» hat sich dem angeschlossen, «Fortune», die Blogplattform Wordpress, in Europa «Der Spiegel». Das allerdings ist nur ein schwacher Trost. Aus der Sicht der Medien sind das Trainieren von KI und die Verwendung ihrer Artikel als Basis für Antworten immer ein Verstoss gegen das Urheberrecht. Da decken sich amerikanische und europäische Interpretationen. Auf lange Sicht können nur Gerichte und Gesetzgeber den Konflikt zwischen dem Datenhunger der KI-Entwickler und den Urheberrechten der Medien lösen. Und das muss in den USA beginnen. Dort sitzen die Firmen, die sogenannte Foundation Models wie Chat-GPT, Gemini oder Claude bauen, die als Basis für einen Grossteil anderer KI-Anwendungen in aller Welt dienen. Erste Urteile dort hätten mit ihrer Präzedenz langfristige Auswirkungen, wie KI-Entwickler mit dem Urheberrecht umgehen müssen.
Perplexity ist mehr als eine KI-Suchmaschine
Die «New York Times» ist nicht das erste Medium, das Perplexity mit rechtlichen Schritten droht. Der Condé-Nast-Verlag schickte schon im Juli eine Unterlassungsaufforderung, keine Artikel aus ihren Zeitschriften wie «The New Yorker», «Wired» und «Vogue» zu verwenden. Die Wirtschaftszeitschrift «Forbes» schickte der Firma ebenfalls so einen Brief. Dabei ging es um einen konkreten Fall.
Zwei Journalisten der Zeitschrift hatten über Monate eine Geschichte über das geheime Drohnenprogramm des ehemaligen Google-Managers Eric Schmidt recherchiert. Die Perplexity-KI generierte daraus eine eigene Geschichte, die sich erstaunlich ähnlich las wie das Original. Allerdings ohne «Forbes» als Quelle zu nennen. Lediglich am Ende des Textes war ein winziges Icon mit dem Logo der Zeitschrift, das man anklicken konnte. Zusätzlich zu dieser Geschichte generierte Perplexity mithilfe des Stimmgenerators von Eleven Labs einen synthetischen Podcast für seine «Discover Daily»-Reihe, der «Forbes» gar nicht mehr erwähnte. Auf Spotify hatte der allerdings mehr Zugriffe als das Original.
Es ist also keineswegs so, dass sich die Firma auf ihr Kerngeschäft als Suchmaschine beschränkt. Selbst generierte Inhalte sollen die Zugriffszahlen erhöhen, eine eigene Redaktion oder Reporter beschäftigt Perplexity allerdings nicht. Warum auch, wenn die Webcrawler Stoff genug für die KI-Generatoren finden?
Künstliche Intelligenz gefährdet den Journalismus
Sollte es nun zu rechtlichen Schritten kommen, hätte ein Prozess der «New York Times» die grösste Signalwirkung. Zum einen, weil sie als einst tages- und inzwischen minutenaktuelles Medium den meisten und wertvollsten Stoff liefert. Zum anderen, weil sie als «paper of record» Amerikas als eine der wichtigsten Institutionen nicht nur der weltweiten Medienbranche, sondern des Landes gilt. Ausserdem ist sie mit fast elf Millionen Abonnenten in aller Welt das derzeit führende globale Medium.
Um was es langfristig geht, ist ein Platz im Nadelöhr der künstlichen Intelligenz. In der Logik der technischen Entwicklung verschwinden die Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine immer deutlicher. Was in digitalen Urzeiten mit Lochkarten begann, dann über Codes, Text und grafische Oberflächen immer zugänglicher wurde, soll mit KI zu einem schlichten Dialog zwischen Anfrage und Funktion zusammenschmelzen. Wenn in einer Sprach-KI aber nur Frage und Antwort übrig bleiben, verdrängt das die Produzenten von Inhalten und Dienstleistungen in die Unsichtbarkeit. Wer wissen will, wie morgen das Wetter wird, wo die Mannschaft in der Tabelle steht oder die Front im Krieg verläuft, wird sich auf Dauer mit einer einfachen Antwort zufriedengeben. Kommt sie von einer KI, ist es egal, wer sie erarbeitet hat, sie ist richtig. Genau dagegen wehren sich Medienfirmen wie die «New York Times», Condé Nast oder «Forbes». Denn eine Zukunft ohne Journalismus wäre nicht nur ein Problem für ihre Geschäftsmodelle, sondern auch für die Gesellschaft und die Demokratie.
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