Repräsentative UmfrageSchweizerinnen und Schweizer misstrauen künstlicher Intelligenz in Medien
Eine Mehrheit will nichts wissen von KI im Journalismus. Die Befragten pochen auf eine transparente Deklaration – und wollen die Techkonzerne zur Kasse bitten.
Die künstliche Intelligenz (KI) verbreitet sich rasant. Gerade mal zwei Monate brauchte Chat-GPT, um auf 100 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer zu kommen. Die Programme werden immer besser und beeinflussen inzwischen viele Lebensbereiche – auch den Journalismus.
Grund genug, die Akzeptanz von KI im Journalismus genauer zu untersuchen. Das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG) der Uni Zürich hat diesen Sommer über 1200 Personen in der Schweiz dazu befragt. Es macht die künstliche Intelligenz zum Schwerpunkt seines Jahrbuchs «Qualität der Medien 2023», das heute Vormittag vorgestellt worden ist.
Der repräsentativen Umfrage zufolge ist die Akzeptanz für KI-generierte Artikel gegenwärtig gering. Nur eine Minderheit möchte solche Texte lesen. Allerdings gilt es nach Themenbereichen zu unterscheiden. Am zurückhaltendsten sind die Befragten bei der Politik. Nicht einmal ein Sechstel will in diesem Bereich Artikel lesen, die vollständig durch KI geschrieben wurden. Bei Routineinformationen wie Wetter und Börse können sich dies dagegen fast zwei Drittel vorstellen.
Der Einsatz von künstlicher Intelligenz sei der Qualität der Berichterstattung abträglich, finden 60 Prozent der Befragten. Sie sehen darin weniger eine Chance, Fehler vermeiden zu können, als vielmehr eine Gefahr, dass es vermehrt zu Falschnachrichten kommt.
Die Befragten sind sich denn auch weitgehend einig, dass KI-Inhalte deklariert werden müssen. 87 Prozent verlangen dies für Artikel, die vollständig durch künstliche Intelligenz generiert werden. Und 83 Prozent wollen auch Artikel, bei welchen die KI unterstützend genutzt wurde, entsprechend gekennzeichnet haben.
Das FÖG empfiehlt, dass sich die Medien hier «an Maximal- und nicht an Minimalvarianten der Transparenz orientieren». Selbst bei Beiträgen ohne jeglichen Einbezug von KI sollten Medien angeben, wie viel Zeit, Geld und Technikressourcen eingeflossen seien.
Mensch muss KI kontrollieren
Das geht ziemlich weit – viel weiter, als die Schweizer Medienhäuser heute gehen. Etliche haben inzwischen Richtlinien für den Umgang mit künstlicher Intelligenz erlassen, auch Tamedia, die diese Zeitung herausgibt. Hier wird KI in der Regel nur unterstützend eingesetzt. Etwa, um eine Tonaufnahme eines Interviews in einem ersten Schritt zu verschriftlichen oder um einen Text zu übersetzen. Anschliessend muss ein Mensch das Resultat kontrollieren und die Verantwortung übernehmen. Ist dies der Fall, wird nicht erwähnt, dass KI bei der Produktion geholfen hat.
Deklariert wird der Einsatz von KI hingegen, wenn sie ausnahmsweise Texte erstellt, ohne dass diese von einem Menschen Satz für Satz kontrolliert werden. Etwa wenn Abstimmungsresultate in den Gemeinden zu Tausenden von nutzerorientierten Texten ausformuliert werden. Auch KI-generierte Illustrationen werden als solche gekennzeichnet, während Tamedia auf fotorealistische KI-Bilder verzichtet.
Das FÖG ruft die Schweizer Medien auf, branchenweite Standards zu entwickeln und durchzusetzen – etwa durch den Presserat oder Branchenverbände. So soll das Vertrauen in den Journalismus gestärkt werden. Das Moderieren einer Wettersendung durch einen Avatar ohne entsprechende Deklaration wäre wohl nicht mehr möglich.
Nur 9 Prozent der Befragten können sich vorstellen, für KI-generierte Texte zu bezahlen.
Eine Mehrheit der Befragten (61 Prozent) spricht sich dafür aus, dass KI-Anbieter die Medien entschädigen müssen. Greife doch die künstliche Intelligenz auf journalistische Werke zurück, um automatisiert generierte Antworten geben zu können. Lediglich 15 Prozent sind gegen eine solche Entschädigung.
Dies stützt die Verleger in ihrem Kampf für ein Leistungsschutzrecht, das künftig auch das Abgreifen durch künstliche Intelligenz umfassen könnte. Im vom Bundesrat erstellten Gesetzesentwurf geht es vorerst um eine Entschädigung für sogenannte Snippets, also Link-Vorschauen. Davon erhoffen sich die Medienhäuser einen Beitrag zur Linderung des Finanzierungsproblems im Journalismus.
Die Zahlungsbereitschaft der Leserinnen und Leser scheint bei KI-generierten Texten dagegen gering zu sein. Nur 9 Prozent der Befragten können sich vorstellen, dafür zu bezahlen. Bei Journalismus aus Menschenhand sind es immerhin 65 Prozent.
Gut möglich, dass sich diese Einstellungen noch ändern werden. Ist doch die Erfahrung mit künstlicher Intelligenz noch kurz. In einigen Jahren ist vielleicht vieles möglich, was wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.
Höchststand bei Medienqualität
Wie in jedem Jahrbuch zieht das FÖG auch dieses Jahr Bilanz über die Qualität der Schweizer Medien. Sein Fazit: Die Gesamtqualität sei seit 2015 noch nie so hoch gewesen. Auch die Vielfalt habe sich im Vorjahresvergleich leicht verbessert, sei aber immer noch deutlich unter den Werten von 2015.
Zu schaffen macht den Medien die zunehmende Zahl von sogenannten «News-Deprivierten». Sie konsumieren nur selten journalistische Produkte. Viele unter ihnen würden durch negative Beiträge abgeschreckt, so das FÖG. Konstruktiver Journalismus könne daher ein Mittel sein, um solche Leute besser zu erreichen.
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