Wettlauf bei Künstlicher IntelligenzWo steht das chinesische Deepseek im Vergleich mit Chat-GPT und Co.?
Die technischen Möglichkeiten und die Zahl von künstlichen Intelligenzen wie Chat-GPT entwickeln sich rasant. Eine Übersicht über die bekanntesten Angebote.
- Die chinesische KI Deepseek verspricht ähnlich gute Ergebnisse wie führende Modelle bei weniger Rechenleistung.
- Chat-GPT, bekannt für Benutzerfreundlichkeit, bietet erweiterte Funktionen und einen kostenpflichtigen Zugang.
- Deepseek-R1 punktet mit freier Verfügbarkeit und offenem Quellcode, steht jedoch unter Zensurverdacht.
- Gemini, Claude und Llama überzeugen mit Vorteilen in Datenschutz und Programmierfähigkeiten.
Mit weniger Rechenleistung mindestens gleich gute Ergebnisse liefern – das versprechen die Entwickler von Deepseek. Das ist eine künstliche Intelligenz (KI), die für Recherchen, Übersetzungen, Menüvorschläge und vieles mehr eingesetzt werden kann. Genauer geht es um sogenannte Large Language Models. Damit ist eine künstliche Intelligenz gemeint, die Sprache verstehen, verarbeiten und selber einsetzen kann.
Neben Deepseek kämpfen derzeit etliche weitere Anbieter um Marktanteile und lancieren fortlaufend neue Entwicklungen. Die folgende Übersicht zeigt die Möglichkeiten einer Auswahl verbreiteter Angebote.
Chat-GPT: der Platzhirsch
Im Sommer 2020 veröffentlichte die Firma Open AI mit Chat-GPT-3 das erste KI-Modell, das verschiedene Aufgaben umfassend bearbeiten konnte. Im November 2022 folgte die Version 3.5, die nicht zuletzt wegen der einfachen Bedienbarkeit schlagartig ein grosses Publikum erreichte. Aufgrund dieser Vorreiterrolle ist Chat-GPT derzeit das wohl bekannteste und weitverbreitetste Large Language Model.
Chat-GPT bietet einen breiten Leistungsumfang. So gibt es eine App, mit der man sich mündlich unterhalten kann. Im englischsprachigen Raum können Nutzerinnen und Nutzer bereits eine Live-Video-Funktion nutzen, bei der die KI in Echtzeit Bilder analysiert und dazu Fragen beantwortet. Weiter ist es etwa auch möglich, PDF-Dokumente auswerten zu lassen.
Die Entwicklung geht rasant voran: Im vergangenen Herbst hat Open AI eine neue Version mit der Bezeichnung «o1» vorgestellt. Diese soll mehrschichtige und somit präzisere Schlussfolgerungen ziehen können. Fachleute sprechen dabei von «Reasoning». Bisher lieferte ein Large Language Model vor allem statistische Resultate: Je häufiger etwas vorkommt, desto eher wurde es als korrekt interpretiert. Mit der neuen Funktionsweise soll die KI gewisse Fehler erkennen und in zusätzlichen Prozessen nach anderen Lösungen suchen können.
Wie viele andere Modelle bietet Chat-GPT einen etwas eingeschränkten Gratiszugang, der für viele private Nutzer ausreichen dürfte. Für 20 Dollar im Monat gibt es ein Abo mit einem stabileren Zugang und etwas fortschrittlicheren Modellen. Die unbegrenzte Nutzung des KI-Modells «OpenAI o1» kostet 200 US-Dollar monatlich.
Deepseek-R1: Stärken und Schwächen des chinesischen Herausforderers
Deepseek-R1 ist das vor wenigen Tagen vorgestellte Modell des chinesischen Unternehmens Deepseek. Gemäss vorgelegten Benchmark-Vergleichen liefert das Modell mindestens so gute oder gar bessere Resultate als die fortschrittlichsten Modelle von Chat-GPT. Gute Werte erzielt Deepseek-R1 etwa in Mathematik oder im Programmieren von Software.
Ob Deepseek-R1 tatsächlich besser ist, wird derzeit kontrovers diskutiert. Einen entscheidenden Vorteil hat die chinesische KI gegenüber dem amerikanischen Platzhirsch: Sie ist derzeit gratis verfügbar. Und anders als beim Modell von Open AI ist der Quellcode frei verfügbar.
Das bedeutet, dass beliebige Entwickler weltweit in die Software eingreifen und diese optimieren können. «Das ermöglicht eine schnellere Weiterentwicklung», sagt Kurt Stockinger, Professor für Informatik und Leiter der Forschungsgruppe intelligente Informationssysteme an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Bei Deepseek-R1 erhalten Nutzerinnen auch eine App fürs Smartphone – mündliche Konversation ist damit aber noch nicht möglich. Vermutlich aufgrund vieler Zugriffe gab es in den vergangenen Tagen zeitweise technische Probleme.
Schliesslich macht sich die chinesische Herkunft in Form von Zensur bemerkbar: Verschiedene Onlinekommentatoren weisen darauf hin, dass Deepseek-R1 Fragen zum Massaker auf dem Tiananmen-Platz nicht beantwortet. Das bestätigt eine Test-Anfrage zur Menschenrechtslage in China dieser Redaktion: Zunächst listet die KI zwar Kritik von Menschenrechtsorganisationen auf. Kaum sind die Ausführungen beendet, verschwindet die Zusammenfassung. Stattdessen erscheint eine Entschuldigung: «Das würde meinen Rahmen sprengen. Lass uns über etwas anderes sprechen.»
Claude: Bei Programmierern beliebt
Das Modell Claude des US-Unternehmens Anthropic erzielt im Vergleich mit anderen Large Language Models ebenfalls gute Ergebnisse und erhält in Fachkreisen Zuspruch. «Bei uns bevorzugen Programmierer Claude, da dieses Modell sehr leistungsfähig ist», sagt etwa Robert Schmuck, technischer Geschäftsführer bei der Software-Firma Soxes, die vermehrt KI-Lösungen umsetzt.
Privatpersonen können Claude weitgehend kostenlos nutzen. Die KI ist auch als App fürs Smartphone verfügbar. Damit kann Claude mündlich Fragen entgegennehmen und sie schriftlich in der App beantworten.
Llama: besserer Datenschutz möglich
Das Modell Llama ist Teil des US-Konzerns Meta, zu dem unter anderem Facebook, Instagram und Whatsapp gehören.
«Die kleine Version kann man relativ einfach runterladen und auf dem eigenen Rechner einsetzen, ohne dass Daten an Meta gehen», sagt Yannis Valentin Schmutz, wissenschaftlicher Mitarbeiter im KI-Lab der Berner Fachhochschule. Diese Möglichkeit gibt es laut Schmutz auch bei Deepseek.
Tatsächlich ist Datenschutz bei der Nutzung von Large Language Models ein heikles Thema. Wer etwa geschäftliche Kundeninformationen zur Auswertung in Chat-GPT einspeist, muss damit rechnen, dass diese Informationen bei anderen Nutzerinnen und Nutzern auftauchen. Zwar kann man dies mit der Funktion «provisorischer Chat» deaktivieren, dafür benötigt man jedoch ein kostenpflichtiges Konto bei Chat-GPT.
Llama soll sich in über 100 Sprachen verständigen können.
Gemini: Leicht zugänglich und kostenlos
Google hat mit Gemini ebenfalls ein leistungsfähiges Large Language Model lanciert. Gemini ist nicht nur in diversen Applikationen von Google integriert, sondern auch als App fürs Smartphone erhältlich, mit der man sich mündlich unterhalten kann. Für Privatpersonen ist die Nutzung leicht zugänglich und weitgehend kostenlos.
Weitere: Perplexity, Mistral
Es gibt weitere leistungsfähige Modelle wie das amerikanische Perplexity, das mit Quellenverweisen glänzt, oder das französische Mistral, das mit einer lokalen Nutzung ebenfalls einen höheren Datenschutz erlaubt.
In der Anwendung und Funktionalität gibt es bei allen hier erwähnten Modellen gewisse Unterschiede. In der Qualität der Antworten sind Chat-GPT, Deepseek, Claude, Llama und Gemini laut Kurt Stockinger aber ungefähr auf gleichem Niveau. Und aufgrund der rasanten Entwicklung sei es schwierig, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Modellen stets im Auge zu behalten. Für Privatpersonen gilt deshalb: am besten einmal ausprobieren.
Fehler gefunden?Jetzt melden.