Abkommen mit Deutschland und Italien«Ich hoffe, dass wir es nie brauchen»
Bundesrat Albert Rösti hat in Berlin einen trilateralen Solidaritätsvertrag unterschrieben für den Fall, dass in Europa das Gas knapp wird. Er sei eine Art Versicherung.

«Es ist ein schöner Tag», sagte Robert Habeck und lächelte dazu seine Partner an, den aus Bern nach Berlin gereisten Bundesrat Albert Rösti und den italienischen Energieminister Gilberto Pichetto Fratin. Es sei nämlich «alles andere als selbstverständlich» gewesen, die drei Länder in einem Abkommen zusammenzubringen. Insofern sei die Übereinkunft auch ein Zeichen dafür, dass Europa sich in der Krise nicht spalten lasse, sondern zusammenarbeite.
Der deutsche Vizekanzler verwies darauf, dass sich die Nachbarn bereits geholfen hätten, als nach dem Beginn des Kriegs in der Ukraine das Erdgas in Europa auf einmal knapp wurde. «Um für die Zukunft noch besser gerüstet zu sein», so Habeck, sichern sich Deutschland, Italien und die Schweiz für einen Notfall nun vertraglich Solidarität zu.
«Deutschland und Italien haben das Gas, wir die Leitung», sagte Bundesrat Rösti zur Frage, warum nach zweijährigen Verhandlungen, die Habeck «mühevoll» nannte, ein Abschluss überhaupt möglich gewesen sei. Wie sein deutscher Amtskollege betrachte er das Abkommen als «Versicherung»: «Ich hoffe, dass wir es nie brauchen.»
Aus Sicht Röstis profitiert die Schweiz davon, weil der Vertrag garantiert, dass Schweizer Gaskunden in einem Notfall gegenüber deutschen oder italienischen nicht diskriminiert werden.
Verhandlungen waren lang und mühselig
Das nun unterzeichnete Solidaritätsabkommen hat eine lange Vorgeschichte. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 stand auf einen Schlag die sichere Gasversorgung Europas infrage, insbesondere die Deutschlands. Da die Schweiz über keine eigenen Erdgasspeicher verfügt und zu drei Vierteln auf Importe aus Deutschland angewiesen ist, fragte man sich plötzlich auch in Bern bang, wie man im Notfall wenigstens die Gasversorgung von Spitälern, Heimen und privaten Haushalten sicherstellen könnte.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga, damals zuständig für Energiefragen, machte der Schweiz im März 2022 Hoffnung auf ein baldiges Solidaritätsabkommen mit Deutschland. Dies erwies sich jedoch bald als Wunschdenken. Hinter den Kulissen teilte Berlin Bern mit, dass man einzig an einem trilateralen Abkommen interessiert sei. Die Schweiz ist für Deutschland als blosses Gastransitland ein wenig attraktiver Partner, Italien hingegen verfügt über eigene Gasspeicher und eigene Quellen, auf die Deutschland im Notfall selbst zugreifen können möchte.
Über die Sackgasse in den Verhandlungen mit Deutschland berichtete diese Redaktion bereits im Herbst 2022, am Weltwirtschaftsforum in Davos vor einem Jahr informierte Habeck nach einem Treffen mit Sommarugas Nachfolger Rösti dann auch die Öffentlichkeit. Dennoch dauerte es nochmals ein ganzes Jahr, bis die dreiseitigen Verhandlungen mit Berlin und Rom in den letzten Wochen zum Abschluss kamen.
Solidarität – aber nur nach strengen Regeln
Das Abkommen zwischen Deutschland, Italien und der Schweiz sieht strenge Regeln vor, nach denen ein Staat bei einem anderen um Gas-Nothilfe ersuchen kann. Auch die Pflicht, die Transportkapazitäten der grenzüberschreitenden Pipelines in einem Notfall nicht einzuschränken, die fälligen Zahlungen und ein Schiedsgericht sind vertraglich festgelegt.
Das Schweizer Parlament muss das Abkommen ratifizieren; eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage will Röstis Department im Mai vorlegen. Er sei zuversichtlich, dass das Parlament das Abkommen genehmige, sagte der Bundesrat in Berlin.
Derzeit steht, anders als 2022, die Gasversorgung Europas nicht infrage. Gegen Ende des Winters sind in Deutschland die Speicher noch zu fast 70 Prozent gefüllt. Künftige Mangellagen will man dennoch weder in Berlin noch in Bern noch in Rom ausschliessen. Sich für einen solchen Fall vorab gegenseitig Solidarität zuzusichern, kann also nicht schaden.
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