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Pestizid-Plan des Bundes
Bäuerinnen und Hobby­gärtner dürften «horrende Gebühren» zu spüren bekommen

Pflanzenschutzmittel in der Landi am 27. September 2019 in Kuessnacht am Rigi.
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Der Bundesrat will die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln vereinfachen und an die Europäische Union angleichen – ein umstrittener Plan, wie diese Redaktion am Montag berichtet hat.

Für Unmut sorgt nun eine weitere Massnahme, die der Bundesrat umsetzen will: Die Zulassungsgebühren für neue Pflanzenschutzmittel sollen deutlich steigen. Der Bundesrat will damit die Kosten, die dem Bund in den Verfahren entstehen, besser decken.

Heute nimmt der Bund mit den Gebühren etwa 100’000 Franken pro Jahr ein, neu sollen es geschätzte 2,5 Millionen Franken sein. Der Kostendeckungsgrad stiege damit von derzeit etwa 2 auf 40 Prozent – und damit auf das Niveau anderer Zulassungsverfahren, etwa jener für Tierarzneimittel.

Hobbygärtnerinnen und Bauern wären betroffen

Davon betroffen wären Firmen, die Pflanzenschutzmittel in der Schweiz in Verkehr bringen. Zum Beispiel die Sintagro AG in Langenthal BE, ein mittelgrosser Anbieter, dessen Produkte unter anderem in der Landi zu finden sind. Geschäftsführer Jürg Burkhard spricht von «horrenden Gebühren».

Der Katalog, den der Bundesrat veröffentlicht hat, zeigt ein nach verschiedenen Kriterien abgestuftes Modell. Burkhard nennt ein Beispiel: Für ein neues Pflanzenschutzmittel mit einem neuen Wirkstoff, der in der EU nicht genehmigt ist, wird die Zulassung vierzigmal teurer und kostet neu 100’000 Franken statt wie bisher 2500. Ist der Wirkstoff in der EU schon erlaubt, sind es künftig 75’000 Franken oder dreissigmal mehr.

ARCHIV - Ein Landwirt fährt mit einer Dünger- und Pestizidspritze am 18.05.2015 über ein Feld mit jungem Getreide nahe Neuranft im Oderbruch (Brandenburg). Bayerns Grundwasser ist in fast allen Regierungsbezirken durch Dünge- und Pflanzenschutzmittel belastet. (zu dpa «Dünger und Pflanzenschutzmittel belasten Grundwasser in Bayern» vom 06.10.2017) (KEYSTONE/DPA/Patrick Pleul)

Die Folgen bekämen laut Burkhard letztlich die Bauern und andere Käufergruppen wie Hobbygärtnerinnen zu spüren: «Die Verkaufspreise werden steigen.» In welchem Ausmass, dazu macht der Sintagro-Chef keine Schätzung. Auch befragte Agrarfachleute geben sich zurückhaltend, zu spekulativ sei die Frage derzeit.

Burkhard befürchtet jedenfalls, dass es sich künftig nur noch für international tätige Konzerne wie Syngenta, Bayer oder BASF rechnen würde, solche Beträge auszugeben. Für Nischenkulturen – etwa Soja, Eiweisserbsen, Freilandgemüse – mit wenig Einsatz von Pflanzenschutzmitteln dagegen werde kein Unternehmen mehr eine Zulassung beantragen. Der Anbau von weniger bedeutenden Kulturen werde erschwert oder verunmöglicht.

«Das wird negative Folgen auf eine gesunde Fruchtfolge und auf den Selbstversorgungsgrad haben», glaubt Burkhard. Müsse die Schweiz deswegen mehr Lebensmittel importieren, fehlten diese in anderen Ländern.

Bund will mehr Personal einstellen

Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen verteidigt die geplante Erhöhung. «Dadurch tragen künftig stärker die Verursacher die Aufwände und weniger die Steuerzahlenden», sagt Sprecherin Sarah Camenisch. In verschiedenen EU-Ländern seien die Gebühren höher als die in der Schweiz vorgeschlagenen. «Und die landwirtschaftliche Produktion ist trotzdem gewährleistet.» Das Bundesamt ist Teil des Innendepartements, das SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider f¨¨¨ührt.

Jürg Burkhard kann nicht nachvollziehen, warum die Gebühren derart steigen sollen, wenn der Bundesrat doch die Zulassungsverfahren vereinfachen wolle. Das Bundesamt entgegnet, mit den Mehreinnahmen wolle der Bund mehr Personal anstellen. Dies deshalb, weil es neue Aufgaben geben werde, etwa die Erneuerung von Zulassungen, die in der Schweiz bis jetzt noch unbefristet gelten. Zudem will der Bundesrat mit mehr Personal den Überhang an ausstehenden Gesuchen abbauen. Inzwischen sind es mehr als 700.

Diese Argumente überzeugen die Kritiker nicht. Der Pharma- und Chemieverband Scienceindustries glaubt nicht, dass die Vorschläge des Bundesrats den Zulassungsprozess wesentlich effizienter machen werden. Das vom Bundesamt bemühte Verursacherprinzip werde so ad absurdum geführt, sagt Jörg Beck, Leiter Ernährung und Agrar bei Scienceindustries.

Er geht noch einen Schritt weiter als Burkhard: Wenn sich das Geschäft nicht rechne, würden die Firmen – also auch die multinationalen – weder Zulassungsanträge für neue und moderne Mittel noch für die Wiederzulassung nach Ablauf der Bewilligung stellen. «Für den kleinen Schweizer Markt», so Beck, «würde sich das schlicht nicht mehr lohnen.»