Kommentar zur Entfernung rassistischer InschriftenZürich braucht diese Auseinandersetzung mit der Vergangenheit
Problematische Rückstände der Geschichte braucht man nicht zu bewahren, sofern man sich aktiv mit ihnen auseinandersetzt.
Sicher, es gibt wichtigere Probleme. Wichtigere als verblichene Inschriften an alten Häusern – auch wenn sie aus heutiger Sicht rassistisch sind und damit eigentlich nicht mehr akzeptabel. Um etwas gegen Rassismus und Diskriminierung zu tun, gibt es vermutlich dringendere und wirksamere Massnahmen als Pinselrenovationen an mittelalterlichen Fassaden.
Angestossen wird damit nicht allein eine Diskussion über Rassismus im Stadtbild, sondern auch über das historische Erbe der Stadt.
Und doch: Dass sich Zürich mit lange übersehenen Spuren rassistischer und kolonialherrschaftlicher Vergangenheit im Stadtbild seriös und vertieft auseinandersetzt, ist sinnvoll und richtig. Und man darf auch ruhig den Aktivistinnen und Aktivisten danken, die den Blick auf diese verblassenden Spuren gelenkt haben. Sie haben nicht lockergelassen, bis sich die Stadtverwaltung zu einem umfangreichen Bericht bequemte.
Angestossen haben sie nicht allein eine Diskussion über Rassismus im Stadtbild, sondern auch eine Auseinandersetzung mit dem historischen Erbe der Stadt. Die ist immer wieder notwendig, immer wieder unter neuen Perspektiven. So wie sich die Stadtbevölkerung laufend wandelt, wandelt sich auch unser Blick auf die Vergangenheit – durchaus mit Wirkung auf unser Bild der Gegenwart.
Nun sollen also blätternde Inschriften in der Altstadt überpinselt werden. Andere Zeugen vergangener Epochen sollen im historischen Zusammenhang erklärt werden. Eine Ausstellung im Stadthaus wird die neu erarbeitete Perspektive auf die Vergangenheit dokumentieren und für die öffentliche Diskussion aufbereiten.
Spätere Generationen werden sich auf ihre Art mit anderen, neuen Prioritäten um die Zürcher Vergangenheit bemühen.
Das ist das pure Gegenteil eines Geschichtsverständnisses, das die Spuren der Vergangenheit einfach luftdicht versiegeln möchte. Unter der Käseglocke bewahrt man die Vergangenheit nicht, man sorgt nur dafür, dass sie je länger je weniger verstanden wird. Damit geht sie denn auch eher früher als später vergessen.
Spätere Generationen werden sich auf ihre Art mit anderen, neuen Prioritäten um die Zürcher Vergangenheit bemühen. Die Geschichte steht nicht still.
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