US-Technologieriese knickt einApple lässt unter Druck von China einen der profiliertesten Politkommentatoren fallen
Der Technologieriese ist auf das Wohlwollen der kommunistischen Regierung in Peking angewiesen. Der scharfzüngige Jon Stewart kommt ihm da nur in die Quere.
Jon Stewart hat seine alte Form als knallharter Politkommentator gefunden. Nach einer erfolgreichen zweiten Saison sollten die Dreharbeiten für die nächste Staffel der Apple-Show «The Problem with Jon Stewart» in Kürze beginnen. Ukraine, Israel, künstliche Intelligenz standen auf dem Programm – und China.
Doch China ist für Apple ein zu heisses Eisen. Wegen künstlerischer Differenzen, wie es heisst, beendete der Konzern abrupt die Zusammenarbeit. Apple habe zu verstehen gegeben, dass man in Bezug auf heikle Themen wie China oder auch künstliche Intelligenz «die gleiche Linie» fahren müsse.
Stewart aber wollte nach Informationen des «Hollywood Reporter» und der «New York Times» die volle kreative Kontrolle über die Serie behalten. Und erklärte dem Technologieunternehmen nach der Drohung, die Serie abzusagen, dass er sich lieber von der Show zurückziehe, als von Apple «ausgebremst» zu werden.
Angst vor politischem Shitstorm
Die Show auf dem Streamingkanal von Apple hatte zwar einige Startprobleme, doch Stewart fand mit scharfzüngigen und scharfsinnigen Interviews – wie etwa mit dem rechtsextremen US-Politiker Nathan Dahm oder dem US-Aussenminister Antony Blinken – rasch seine alte Form wieder. Die Show ist bereits für einen Emmy-Preis nominiert. Die dritte Staffel schien gesichert, bevor Stewart eine Liste der geplanten Themen präsentierte.
Sorgen machten Apple offenbar auch der bevorstehende Wahlkampf und die extreme Polarisierung des Landes, die mit dem aufwendig gepflegten apolitischen Image des Konzerns kollidieren könnten. Zwar konnte sich Apple bisher aus politischen Kontroversen heraushalten, doch die Aussicht auf zwanzig Stewart-Sendungen vor den Wahlen bot Konfliktpotenzial. Politische Kontroversen hatten in den vergangenen Monaten bereits Disney, Starbucks und Budweiser überrollt und Umsatz und Gewinne deutlich beeinträchtigt.
«Auch Apple ist verwundbar»
Einen Rückschlag wie Disney kann sich Apple-Chef Tim Cook nicht leisten. Seit dem Tod von Steve Jobs hat er das Unternehmen durch alle Gewitter gesteuert und harte Rückschläge wie jene von Meta, Alphabet und Amazon verhindert.
Doch Apple ist wie kein anderer Techkoloss auf den Goodwill Chinas angewiesen. China steuert fast ein Fünftel zum Umsatz bei und ist bei weitem der am schnellsten wachsende Markt.
Die schwächelnde chinesische Wirtschaft und die politischen Spannungen mit den USA beginnen allerdings auch auf Apple durchzuschlagen. Das neue iPhone 15 etwa verkauft sich in China schlechter als das iPhone 14. Zum Ersten bieten einige Händler in China das iPhone unter dem festgesetzten Preis an, während sie in der Vergangenheit Aufpreise verlangen konnten.
Hinzu kommt die Konkurrenz durch Huawei. Der chinesische Konzern verdoppelte dank eines Hochgeschwindigkeit-Smartphones im September seinen Marktanteil auf Kosten von Apple. Huawei verwendete dafür einen superschnellen Chip, dessen Herkunft die US-Regierung angesichts eines Exportverbots untersuchen will.
Durch die Staatseingriffe in China ist die Verwendung des iPhone seit dem Frühling unerwünscht, weshalb sich Apple nun in Turbulenzen befindet, denen der Konzern bisher ausweichen konnte. Apple könnte einen Kollateralschaden wegen der Spannungen zwischen Washington und Peking erleiden, sagt Han Lin, China-Manager der Beratungsgruppe Asia Group. «Es ist ein klares Zeichen, dass auch Apple verwundbar ist.»
Tim Cook erneut auf Goodwill-Tour
Bereits zum zweiten Mal in sieben Monaten reiste Apple-Chef Cook dieser Tage nach China. Er traf Wirtschaftsminister Wang Wentao, sprach von einem «aussergewöhnlich erfolgreichen Trip» und überwies den Chinesen 3,4 Millionen Dollar für ein ländliches Entwicklungsprojekt. Ausländer wollen mit solchen «Spenden» ihre Verbundenheit mit dem Land beweisen und politisch gute Beziehungen pflegen.
Der strikte Corona-Lockdown hat jedoch auch die Konsumgewohnheiten in China verändert. «Chinesische Konsumenten sind vernünftiger geworden», heisst es in einem Bericht der Marktforschungsfirma IDC. «Sie beeilen sich nicht länger, als Erste ein iPhone zu kaufen.»
Eine Serie von Misserfolgen
Das Aus für «The Problem with Jon Stewart» reiht sich in eine Serie von missglückten Talkshows von Streamingkanälen ein. Die Komiker Sarah Silverman, Norm Macdonald, Chelsea Handler und Joel McHale sind mit diesem Format bereits gescheitert. Und Netflix hat nach mehreren Anläufen sämtliche Talkshows aufgegeben.
Jon Stewart hatte seine Apple-Show nach einem sechsjährigen Unterbruch gestartet. Zwischen 1999 und 2015 hatte er aus der wenig beachteten Late-Night-Serie «Daily Show» ein politisch hochrelevantes Medium gemacht. Stewart wurde einer der besten und bekanntesten politischen und Medien-Kommentatoren des Landes, dessen Scharfblick vermisst wird.
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