Job-Kahlschlag bei Google«Zoogler» sind besorgt wegen Stellenabbau
Wie viele Arbeitsplätze in Zürich wegfallen, ist vorerst offen. Fraglich ist zudem, ob Google in der Schweiz so stark wachsen kann, wie dies noch letztes Jahr geplant war.

Gesprächig sind sie nicht. Wer vor den Google-Schweiz-Büros bei der Europaallee in Zürich versucht, Genaueres zur Stimmung in der Firma zu erfahren, muss sich mit kurzen Statements begnügen. «Sind Sie von der Presse? Sorry, ich darf nichts sagen», sagt ein Googler und verschwindet. Ein anderer beschleunigt seinen Schritt, als er realisiert, dass das Gespräch auf die angekündigten Entlassungen hinausläuft.
Etwas ausführlicher antwortet ein weiterer Google-Angestellter. Noch wisse er nicht, wie viele es am Standort Schweiz treffe. Doch: Viele seien verunsichert. Der Abbau sei Thema Nummer eins in den Gesprächen unter Arbeitskollegen. «Wie andere Branchen müssen nun auch wir uns mit Sparmassnahmen und Stellenstreichungen befassen.»
Jahrelang ging es aufwärts. Seit Google im Jahr 2004 in der Schweiz mit zwei Mitarbeitenden startete, lief es rund. Der Standort ist heute mit 5000 Angestellten das grösste Entwicklerzentrum ausserhalb der USA. Nun aber müssen sich die erfolgsverwöhnten «Zoogler», wie die Google-Angestellten in Zürich genannt werden, auf unsichere Zeiten einstellen, denn es zeigen sich allmählich die Grenzen des Wachstums.
Der Abbau von 12’000 Stellen weltweit über den gesamten Alphabet-Konzern, den CEO Sundar Pichai am Freitag per Blogpost angekündigt hatte, wird auch die Schweiz betreffen. Dies geht aus einer internen Mail hervor, die der Finanzblog Insideparadeplatz.ch am Dienstag veröffentlicht hat. Absenderin dieser Mail ist Sarah Clatterbuck, Youtube-Ingenieurin und eine von mehreren Verantwortlichen bei Google für den Standort Zürich.
Google sperrte über Nacht Zugang zu den Mails
Sie schreibt an die Belegschaft in Zürich, es könne Monate dauern, bis Klarheit über das Ausmass des Abbaus herrsche. Sie verstehe, dass sich viele konkretere Informationen erhofften. Das Führungsteam habe zwar noch nicht alle Antworten auf die derzeit offenen Fragen, doch «We and the Switzerland leadership team are here for you» («Wir und das Schweizer Führungsteam sind für Sie da»).
In den USA wurden kurz nach der Ankündigung des Abbaus durch Google-CEO Pichai bereits im grossen Stil Kündigungen ausgesprochen. Ohne persönlichen Dank oder tröstende Worte: Den Betroffenen hatte Google über Nacht den Zugang zu ihren Mails gesperrt. Einige der Entlassenen waren laut Medienberichten schon lange für Google tätig oder waren sogar erst kürzlich befördert worden.
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Auch wenn die abrupte Sperrung hart sei, sei diese Massnahme nötig. Denn bei all den sensiblen Nutzerdaten, über die Google verfüge, könnte – wenn auch mit nur sehr geringer Wahrscheinlichkeit – «etwas schrecklich schiefgehen», sagte ein Google-Manager laut CNBC am Montag anlässlich einer weltweiten internen Mitarbeiterinformation zum Stellenabbau.
Gewerkschaft hat noch keine Meldung erhalten
In der Schweiz ist ein solches «Hire and Fire»-Vorgehen aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht möglich. Bei Entlassungen muss sich Google Schweiz – wie andere Firmen auch – an die vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen halten. Käme es zu mehr als 30 Entlassungen, würden die Regeln zu Massenentlassungen gelten. Heisst: Google müsste erstens die Personalvertretung konsultieren, sodass diese Vorschläge unterbreiten könnte, wie Entlassungen vermieden oder die Folgen gemildert werden könnten. Zweitens müsste Google zusammen mit der Gewerkschaft oder der Personalvertretung einen Sozialplan erstellen. Weiter müsste die Techfirma mit dem Regionalen Arbeitsvermittlungsamt in Kontakt treten.
«Noch haben wir keine Informationen über Entlassungen bei Google Schweiz erhalten. Ich gehe davon aus, dass sich Google gegebenenfalls bei uns melden und sich grundsätzlich an das Schweizer Gesetz halten wird», sagt Dominik Fitze, Sprecher bei der Gewerkschaft Syndicom.
Der angekündigte Abbau beim Google-Mutterkonzern von insgesamt 12’000 Vollzeitstellen entspricht rund 6 Prozent des Personals. Laut einer gut informierten Quelle gibt es jedoch keine Abbauvorgabe auf Länderebene, sondern es wird in bestimmten Bereichen zu Kürzungen kommen. Pichai deutete an, dass insbesondere die Bereiche ausserhalb des Kerngeschäfts betroffen sein werden. Man wolle die Belegschaft an die zentralen Prioritäten des Konzerns anpassen, sagte er. Dazu gehöre vor allem der Fokus auf künstliche Intelligenz (KI).
Auch in der Schweiz werden KI-Services mitentwickelt. Ausserdem arbeiten die Teams hier an Diensten wie Google Maps, Google-Suche, Google Assistant oder Youtube – die mittels KI laufend verbessert werden sollen.
Wird auf Wachstum in der Schweiz verzichtet?
Gerüchte, wonach Google in der Schweiz abbauen könnte, gibt es bereits seit September. Damals hatte ein Google-Sprecher diese jedoch dementiert. Es gebe zwar einen weltweiten Einstellungsstopp. Doch «die Gerüchte zu einem Stellenabbau entbehren jeglicher Grundlage». Google wolle in der Schweiz eher wachsen.
Tatsächlich hat Google stark ausbauen wollen und dafür seit Anfang 2023 einen weiteren grossen Standort an der Müllerstrasse in Zürich gemietet. Das 15’000 Quadratmeter grosse Areal, wo früher die Swisscom untergebracht war, bietet Platz für mindestens 1000 Angestellte. Zurzeit ist dort der Innenausbau im Gang. Per Ende Jahr sollen, so jedenfalls war es ursprünglich geplant, zusätzliche Google-Entwicklerteams einziehen.
Ausserdem hat Google im Frühherbst angekündigt, in der Schweiz das Cloud-Geschäft stark auszubauen. Es soll mittelfristig zum zweiten Standbein des Techgiganten werden. Zudem gab Google bekannt, in der Schweiz eine zweite Cloud-Region eröffnen zu wollen.
Der CEO war zu optimistisch
Ob dieser Ausbau nun so erfolgt wie geplant oder ob er zumindest langsamer erfolgen soll, ist offen. Der Google-Sprecher verweist lediglich auf den Blogpost von CEO Pichai vom Freitag.
Pichai sagte, die globalen Sparmassnahmen seien unumgänglich. Er sei von zu optimistischen Prognosen ausgegangen und habe zu stark investiert.
Die Aussichten für die Weltwirtschaft sehen seit einigen Monaten weniger rosig aus. Die hohen Zinsen haben zur Folge, dass Big-Tech-Firmen an den Börsen mehr als die Hälfte ihres Marktwerts verloren haben. Zudem führen die Rezessionsängste in verschiedenen Ländern zu geringeren Investitionen in Werbemassnahmen – dies spüren Firmen, die einen Grossteil der Einnahmen über den Verkauf von Werbung erwirtschaften.
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