Mamablog: Umzug mit der FamilieZerknüllte Taschentücher und der erste Liebeskummer
Unsere Autorin ist innerhalb dreier Jahre zweimal mit ihrer Familie umgezogen – von Zürich nach Berlin und wieder zurück. So verlief der grosse «Rückzug» in die Schweiz.
Als wir 2014 unser gesamtes Hab und Gut gepackt haben, wussten wir nicht, wie lange unser Abenteuer in Berlin dauern sollte. Ich sehnte mich nach Freiheit trotz Kindern und träumte von Berliner Spielplätzen, internationalen Bekanntschaften, staatlich subventionierten Montessori-Kitas, Inspiration durch Unperfektionismus und davon, Raum zu finden, mich neu zu sortieren.
Wieder zurück nach Zürich?
Drei Jahre vergingen wie im Fluge. Unsere grosse Tochter M. wurde mit Zuckertüte und Brimborium eingeschult und auch ihre kleine Schwester war voll und ganz im Berliner Alltag angekommen und verweigerte das Schweizerdeutsch. Wir waren voll integriert und bewegten uns in Berlin wie Fische im Wasser. Als die grosse Umstrukturierung im Büro meines Mannes angekündigt wurde, traf es uns alle, aber auf ganz unterschiedliche Weise. Klar vermissten wir unsere Familie und Freunde in der Schweiz, die Berge und das öffentliche Feuer machen. Aber zurück nach Zürich? So richtig? Für meinen Mann war es die Option, weil er schon länger an Heimweh litt, das übrigens im 17. Jahrhundert als typische Schweizer Krankheit bekannt war und mit dem Vermissen der Berge zu tun hat. Für mich war es nur eine halbe und für unsere grosse Tochter, die mittlerweile sieben Jahre alt war, absolut keine Option. Und die Kleinste interessierte sich in dem Moment nur für Ostereier.
«Neuanfang» in Endlosschlaufe
Am Ende sprachen ganz viele Fakten dafür, dass ein «Rückzug» in die Schweiz die beste Lösung war. Und so zogen wir im gleichen Eilzugtempo von Berlin zurück nach Zürich, wie damals vor drei Jahren nach Berlin. Die letzten Wochen vor dem Umzug heulte ich jeden Tag haufenweise Schneebälle, die sich in der ganzen Wohnung verteilten, aber nicht schmolzen. Es waren ja auch nur zerknüllte Taschentücher. Ich hörte Cluesos Lied «Neuanfang» in Endlosschlaufe und postete auf Instagram Bilder mit dem Hashtag #derhimmelweint. Ich hatte Liebeskummer und konnte nichts dagegen tun. Sogar mein Mann, der meinen Hang zum Drama sehr gut kennt, war erstaunt über diese heftige Reaktion.
Zurück in der heilen Welt
M. vertrösteten wir mit einem eigenen Zimmer im neuen alten Zuhause. Sie litt, musste jeden Abend weinen und wollte zurück in unsere Berliner Altbauwohnung. Sie war sauer und enttäuscht darüber, dass wir sie schon wieder einer neuen Situation ausgesetzt hatten. Ihr erster Liebeskummer. Sie vermisste ihre Schule und ihre Freundinnen. Und sie hinterfragte unsere Entscheidung. Alle paar Tage schrieb sie einen Brief an ihre Freundinnen nach Berlin. Mit düsterer Miene und pragmatischen Handbewegungen klebte sie die 1.50er-Briefmarke auf und warf dann ihre Leidensbotschaften in den Briefkasten vor ihrer neuen Schule.
Ihr Einstieg dort war nicht leicht; Kulturen prallten aufeinander. Als wir im ersten Gespräch fragten, wo wir denn das Unterrichtsmaterial besorgen sollen, schaute uns die Schulleitung mit grossen Augen an. Gar nicht, antworteten sie. Wir waren zurück in der heilen Welt. In der Komfortzone. In der Schweiz. Aber dieses Mal wusste ich es zu schätzen und zu würdigen. Jeden einzelnen Bleistift, jedes fürsorgliche Gespräch mit der Schulsozialarbeiterin und später, als unsere kleine Tochter in den Kindergarten kam, kamen mir Tränen der Rührung, wie sorgfältig und liebevoll gebastelt, gesungen und gelehrt wurde.
Ich bin von Herzen dankbar für diese Erfahrung und für jede Stunde in Berlin. Das Heimweh in beide Richtungen hat uns geprägt und unsere Blicke geschärft. Genau diese Vielschichtigkeit macht es aus. Beide Städte und Länder haben ihre Vor- und Nachteile. Und das Vermissen birgt auch immer eine Chance, Alltägliches neu zu schätzen. Die Briefwechsel haben leider nicht lange gehalten, dafür die Freundschaften. Ich habe mich mit Zürich versöhnt und sehe mittlerweile die Vorteile, auch mit Kindern. M. spricht nie mehr von Berlin, dafür betont unsere Kleine, dass sie ein Berlinerkind sei. In Schweizerdeutsch, versteht sich.
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