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Zeckensaison startet
Bald könnte es einen Impfstoff gegen Borreliose geben

Nahaufnahme einer Zecke, die in Haut beisst, mit grünem Hintergrund.
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In Kürze:
  • Schweizweit verursachen Zeckenstiche jährlich Gesundheitskosten von über zehn Millionen Franken.
  • Forschende entwickeln einen Impfstoff gegen Borreliose für eine Zulassung im Jahr 2026.
  • Das neu entdeckte Alongshan-Virus tritt in Zecken häufiger auf als FSME-Viren.
  • Wissenschaftler arbeiten an einem universellen Impfstoff basierend auf Zeckenproteinen.

Jedes Jahr verzeichnen Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz 10’000 Besuche wegen Zeckenstichen. Die Kosten, die durch Zeckenstiche verursacht werden, betragen jährlich mehr als 10 Millionen Franken. Das berechnet die Schweizerische Unfallversicherung Suva und warnt vor Zeckenstichen. Die Saison hat etwa im März begonnen und wird bis in den Herbst dauern. Die meisten Stiche werden jeweils Anfang Juni gemeldet.

Die Suva und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfehlen, sich vor den blutsaugenden Spinnentieren zu schützen. Bevor es etwa in die Natur geht, ist es ratsam, Zeckenspray aufzutragen und lange Kleidung anzuziehen. Nach Aktivitäten im Freien soll man seine Haut nach Zecken absuchen.

Die andere Möglichkeit ist, sich vor den durch Zecken übertragenen Krankheiten zu schützen oder diese zu behandeln. Am häufigsten sind Infektionen mit Borrelien. Die Bakterien gelangen mit dem Speichel der Blutsauger in den Körper. Hierzulande tragen laut BAG 5 bis 30 Prozent der Zecken (stellenweise bis zu 50 Prozent) Borrelia burgdorferi in sich. Je schneller man die Zecken entfernt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Bakterien übertragen. Von den Personen, die sich durch eine Zecke mit Borrelien infizieren, entwickeln 2 bis 3 Prozent klinische Symptome.

Pro Jahr erkranken in der Schweiz schätzungsweise 10’000 Personen an einer Borreliose. «Eine Borreliose kann in mehr als 95 Prozent der Fälle geheilt werden», sagt Christoph Berger, Chefarzt am Universitäts-Kinderspital Zürich. Voraussetzung sei, dass die Infektion klinisch rechtzeitig erkannt werde – etwa wegen der charakteristischen ringförmigen Rötung um die Stelle, wo die Zecke gesaugt hat – und dass eine gezielte Therapie mit Antibiotika erfolge.

Impfstoff gegen Borreliose im Test

Vorbeugend wäre eine Impfung gegen Borreliose – und die könnte schon bald zugelassen werden. Das zumindest ist der Plan der französischen Biotechfirma Valneva, die in Zusammenarbeit mit dem US-Konzern Pfizer einen Impfstoff entwickelt. Die ersten beiden Studien mit 570 und 250 Freiwilligen haben gezeigt, dass der Impfstoff VLA15, der sich gegen sechs unterschiedliche Stämme von Borrelien richtet, verträglich und sicher ist. Die Studienergebnisse wurden im letzten Jahr im Fachjournal «The Lancet Infectious Diseases» veröffentlicht.

Seit drei Jahren läuft nun die Folgestudie in Europa, Kanada und den USA mit rund 9400 Testpersonen. Die Hälfte von ihnen erhält den Impfstoff, die andere Hälfte bekommt ein Placebo. Dabei wird der Impfstoff dreimal innerhalb von fünf bis neun Monaten verabreicht und ein viertes Mal ein Jahr nach der letzten Impfung. Die Studie soll Ende 2025 beendet sein. Vorausgesetzt, dass sich die Impfung als erfolgreich erweist, möchte Pfizer im Jahr 2026 die Zulassung in den USA und in Europa beantragen.

Christoph Berger ist auf die Ergebnisse gespannt: «Die Herausforderung ist, dass die Geimpften so grosse Mengen an Antikörpern gegen bestimmte Zeckenproteine gebildet haben, dass im Moment des Zeckenstichs eine Übertragung der Bakterien verhindert werden kann.» Einen ähnlichen Ansatz für eine Impfung habe es bereits vor zwanzig Jahren gegeben, das Projekt sei damals nicht zu Ende geführt worden.

Moderna tüftelt an einem mRNA-Impfstoff. Die US-Firma ist aber noch nicht so weit wie Valneva und Pfizer. Die Moderna-Verträglichkeitsstudie mit 800 Teilnehmenden soll Ende Juli 2025 abgeschlossen werden.

FSME-Impfung ab drei Jahren empfohlen

Seltener, aber gefürchtet ist eine Infektion mit FSME-Viren. Zwar tragen nur 0,5 bis 5 Prozent der Zecken diese Viren in sich, und die meisten Infektionen verlaufen unerkannt oder glimpflich mit grippeähnlichen Symptomen wie Kopf- und Gliederschmerzen. Doch 5 bis 15 Prozent der erkrankten Personen entwickeln eine Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Dabei können sie eine Hirnhaut- oder eine Gehirnentzündung bekommen, die zu bleibenden Schäden führen oder in seltenen Fällen (1 Prozent) vor allem bei älteren Menschen tödlich enden kann. In den letzten 20 Jahren erkrankten in der Schweiz jährlich zwischen 50 und 400 Personen an FSME.

Spezifische Behandlungen gegen FSME gibt es keine – dafür eine vorbeugende Impfung, die hierzulande fast überall empfohlen ist. Als FSME-Risikogebiete zählen alle Kantone ausser dem Tessin (seit 2024 gilt auch Genf als Risikogebiet). Seit letztem Jahr ist die Impfung bereits für Kinder ab drei Jahren empfohlen (zuvor ab sechs Jahren). «Die Eidgenössische Kommission für Impffragen hat das Impfalter gesenkt, weil die Impfung wirksam sicher und auch für dieses Alter zugelassen ist. Es ist das Bedürfnis vieler Eltern, bereits jüngere Kinder zu impfen», sagt Berger, bis Ende 2024 Mitglied der Kommission. «Es gibt aber nur wenige Fälle von kleinen Kindern, die an FSME erkranken», beruhigt Berger. Je höher das Lebensalter, umso gefährlicher sei eine FSME-Erkrankung.

Eigentlich sollte man im Herbst mit den FSME-Impfungen beginnen. Aber auch wer sich jetzt noch impft, kann laut der Informationsplattform Infovac bereits kurzfristig einen «wirksamen, aber zeitlich begrenzten Schutz» aufbauen – also für die aktuelle Zeckensaison gewappnet sein. Das ist nach den ersten zwei Impfungen der Fall, die man im Abstand von zwei Wochen bis einem Monat erhält. Der vollständige Schutz bildet sich jedoch erst nach der dritten Impfung, die je nach Impfstoff nach 5 oder 12 Monaten erfolgt. Danach hält der Schutz zehn Jahre lang an und sollte anschliessend jeweils mit einer einmaligen Impfung aufgefrischt werden.

Zecken können noch weitere Erreger übertragen, etwa das Bakterium Francisella tularensis, das die Hasenpest (Tularämie) auslöst, im Durchschnitt wurden hierzulande in den letzten Jahren 60 Fälle jährlich erfasst. Und im Jahr 2022 ist ein weiterer Erreger auch bei uns nachgewiesen worden, der zum ersten Mal in Nordchina in Zecken aufgetaucht ist: das Alongshan-Virus (ALSV). Es gehört zur gleichen Familie wie das FSME-Virus und führt zu ähnlichen Erkrankungen. Das Alongshan-Virus scheint in der Schweiz sogar häufiger in Zecken vorzukommen als FSME-Viren, ob es dadurch aber zu vermehrten Krankheiten kommt, ist noch unklar.

Die Liste der Erreger, die von Zecken übertragen werden können, ist noch weitaus länger – auch wenn entsprechende Krankheitsfälle äusserst selten sind.

Menschen, die resistent gegen Zeckenstiche sind

Forschende sind wegen der vielen möglichen Erreger auf eine verblüffende Idee gekommen. Statt gegen jede erdenkliche durch Zecken übertragbare Krankheit einen eigenen Schutz zu entwickeln, tüfteln sie an einem universellen Impfstoff. Dabei machen sie sich die Besonderheit zunutze, dass manche Menschen, die immer wieder von Zecken gestochen werden, resistent gegen die Blutsauger werden können. So hat ein US-Team von der Yale School of Medicine in New Haven einem Mann Blut abgenommen, der oft von Zecken gestochen wird. Bei dem über 50-Jährigen haben mit der Zeit die Zecken zwar juckende und sich rötende Stellen hinterlassen, die Tiere können sich jedoch nicht mehr mit Blut vollsaugen. Der Mann hat Antikörper gegen verschiedene Zeckenproteine gebildet, sodass sich nun sein Immunsystem wehrt.

Welche der von den Zecken abgegebenen Proteine sich künftig als Impfstoff eignen könnten, ist aber noch nicht klar, wie das Team im Fachjournal «Science Translational Medicine» schreibt. Ein Favorit, der zumindest in Meerschweinchen einen ersten Erfolg zeigte, sind sogenannte Zement-Proteine. Zecken nutzen die Zement-Proteine, um sich für längere Zeit an ihre Opfer anzuheften. Tatsächlich waren Meerschweinchen zumindest teilweise vor den Blutsaugern geschützt, nachdem sie mit verschiedenen Zement-Proteinen der Zecken geimpft worden waren. Auch ihr Immunsystem setzte sich zur Wehr. Bis aus diesen Erkenntnissen jedoch ein universeller Zeckenimpfstoff entwickelt ist, wird es noch dauern.