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Seiler zaubert eine Sauce Hollandaise
Würden wir unseren Spargel lieben, wenn es keine Hollandaise dazu gäbe?

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Der Spargel hat es auch nicht leicht. Erstens musste er in diesem Jahr die längste Zeit unter Folientunneln heranwachsen. Zweitens sieht sein Schicksal vor, dass er unbarmherzig in kochendem Wasser gegart wird. (Ich habe in dieser Kolumne ja schon einige Alternativen aufgezeigt – braten, schmoren, im Backofen in der Papillote garen –, sagen Sie nicht, Sie hätten es nicht gewusst.) Drittens – und das finde ich eigentlich am unbarmherzigsten, wartet im Supermarkt in der Nähe des Spargels sicher schon ein Korb, in dem in Tetrapak verpackte Sauce hollandaise angeboten wird.

Pfui.

Ich persönlich glaube ja, dass die meisten Kundinnen und Kunden, die sich diese haltbar gemachte Karikatur einer grundsympathischen Sauce kaufen, nicht deshalb auf die Fertigvariante zurückgreifen, weil sie keine Zeit haben, die Hollandaise selbst zuzubereiten. Ich fürchte, sie haben Angst, dass sie ihnen nicht gelingt. Anders kann ich mir das Ausweichen auf Fertighollandaise nicht erklären.

Die Hürde, über die wir also müssen, ist ein chemisches Phänomen namens Emulsion. Dieses bezeichnet das fein verteilte Gemisch normalerweise nicht mischbarer Flüssigkeiten, im konkreten Fall Öl und Wasser. Sobald diese beiden Flüssigkeiten emulgieren, bildet die eine Flüssigkeit – auch disperse Phase genannt – winzige Tröpfchen, die in der anderen Flüssigkeit – der kontinuierlichen Phase – verteilt sind. Emulsionen werden in der Chemie unter die dispersen Systeme eingeordnet und bilden in der Regel trübe, milchige Flüssigkeiten. Ein paar dieser Flüssigkeiten – zum Beispiel die Sauce hollandaise oder ein nicht besonders bekanntes Lebensmittel namens Mayonnaise – haben zusätzlich die Eigenschaft, dass sie ausserordentlich gut schmecken und im Fall der Hollandaise eine Grundvoraussetzung für den zufriedenstellenden Verzehr von Spargel darstellen.

Mir ist durchaus bewusst, dass der kurze Ausflug in die chemische Terminologie Emulsionsherstellungsphobiker nicht unbedingt dazu motivieren wird, ihre fertige Hollandaise aus dem Einkaufswagen zu nehmen und stattdessen frische Bio-Eier, eine Zitrone und die beste Butter, die sie bekommen können, einzukaufen.

Also erzähle ich die Geschichte vielleicht so: Wer mit ein paar Handgriffen die magische Verwandlung von ein paar Eigelb, etwas Butter und ein paar klug gewählten Aromaten in die sinnlichste Sauce des Frühjahrs wagen möchte, soll kurz die Hand heben. Es ist ganz einfach, und der Beginn einer küchenmeistermässigen Routine beim Herstellen von Emulsionen markiert eine neue Phase handwerklicher Selbstverständlichkeit.

Hier ein Rezept für 4 Personen. Sie brauchen 120 g Butter, 2 sehr frische Eidotter, 2 EL kräftigen Weisswein, 1 Spritzer Zitronensaft, Salz und Pfeffer.

Zuerst lassen Sie die Butter kurz aufschäumen, bis sich der Butterschaum von der goldgelben geklärten Butter trennt. Schöpfen Sie den Schaum ab, und geben Sie die warme, geklärte Butter in ein Kännchen. Wenn Sie Ghee oder bereits geklärte Butter zu Hause haben, dann können Sie diesen Schritt überspringen. Schmelzen Sie die geklärte Butter, und stellen Sie sie zur Seite.

Jetzt geben Sie die Eigelb in eine Edelstahlschüssel, die Sie später im Wasserbad erwärmen können. Es gibt ja für diesen Zweck spezielle Wasserbad- oder Schmelzschalen, aber die Übung gelingt auch in jeder anderen Schüssel, die über einem Topf fixiert werden kann, in dem Wasser verdampft.

Verquirlen Sie die Eigelb mit dem Wein und der Zitrone, geben Sie Salz und Pfeffer dazu. Dann bringen Sie wenig Wasser zum Kochen, schalten das Feuer zurück und platzieren die Edelstahlschüssel mit der Ei-Wein-Zitronenmischung darüber. Rühren Sie die Mischung ständig mit dem Schneebesen, bis Sie merken, dass die Eimasse durch die Hitze des aufsteigenden Wasserdampfes dicker zu werden beginnt – das dauert nur wenige Minuten.

Sobald die Eimasse cremig wird, schütten Sie ein bisschen von der geklärten Butter dazu. Jetzt ist der geheimnisvolle Moment der Verbindung gekommen: Die Eimasse und die Butter befreunden sich miteinander, zuerst nur ein bisschen, dann mit fliegenden Fahnen. Sobald die Masse homogen ist, geben Sie mehr Butter dazu, in einem dünnen Strahl. Die Reaktion wiederholt sich, bis die Sauce stabil die gewünschte Konsistenz bekommen hat und allenfalls nachgewürzt werden kann.

Tja. Und was passiert, wenn die Hitze von unten zu hoch war und das Ei gerinnt? Dann retten Sie die Sauce mit einem Eiswürfel aus dem Tiefkühlfach. Der senkt die Temperatur in der Schüssel, und das Eigelb bindet wieder.

Magisch, aber keine Hexerei.

Christian Seiler ist Reporter bei «Das Magazin».

Dieser Artikel erschien erstmals am 2. Juni 2023. Anlässlich der aktuellen Spargelsaison publizieren wir ihn erneut.