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Polnischer Kriegsheld
Wojtek – der Bär, der Bier trank und in den Krieg zog

Wojtek mit seinen polnischen Betreuern im März 1945 in Italien. Der Syrische Braunbär trägt gerade einen Ast.
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Am 25. April gedenkt Italien der Befreiung von Faschismus und deutscher Besatzung, und diesmal erinnert sich die Öffentlichkeit auch an einen Bären namens Wojtek – nicht zuletzt dank eines soeben erschienenen Comics des italienischen Autors und Regisseurs Mauro Bartoli und des Zeichners Luca Bulgheroni.

Der Syrische Braunbär Wojtek ist dabei, als die Alliierten 1945 die norditalienische Stadt Bologna befreien. Jahre zuvor hat ein polnisches Mädchen, dessen Familie nach der Besetzung ihres Landes durch Hitler-Deutschland in den Iran geflüchtet ist, von einem Spielkameraden ein Bärenjunges geschenkt bekommen. Als das Tier gross und grösser wird, übergibt sie es polnischen Soldaten. Das schreibt die italienische Zeitung «Repubblica», gestützt auf Bartolis Buch.

Maskottchen und Lasttier

Die britische Autorin Aileen Orr, die über den Bären ein Buch mit dem Titel «Wojtek der Bär: ein polnischer Kriegsheld» geschrieben hat, erzählt den Ursprung der märchenhaften Geschichte anders: Im April 1942 durchquert eine Gruppe polnischer Soldaten in Armeelastwagen den Iran. Sie sind auf dem Weg nach Palästina, um sich von dort nach Europa einzuschiffen. Während einer Rast stossen die Mitglieder der polnischen Exilarmee auf einen ausgehungerten Jungen, dem sie etwas zu essen geben.

Plötzlich bemerken sie, dass sich in einem Sack, den der Junge um den Hals gebunden hat, etwas bewegt, und als sie ihn öffnen, kommt zu ihrem Erstaunen ein Bärenjunges zum Vorschein. Er habe es gefunden, nachdem Wilderer seine Mutter erschossen hätten, behauptet der Junge. Aileen Orr vermutet in ihrem Buch, dass er flunkert. Seien in jener Gegend Halbwüchsige mit einem Bären unterwegs gewesen, hätten sie normalerweise den Auftrag gehabt, ihn einem Zirkus als Tanzbären zu verkaufen, um den Erlös danach den Wilderern zu bringen.

Wie auch immer: Um dem Jungen den Bären abzukaufen, legen die polnischen Soldaten Münzen in lokaler Währung sowie verschiedene Gegenstände zusammen, darunter laut Orr auch ein Schweizer Sackmesser. Der Bär, den sie Wojtek nennen, wird zum Maskottchen ihrer Einheit. Er lernt aber auch, Munitionskisten und andere Lasten zu tragen.

Wojtek wird befördert

Einer seiner Betreuer wird später erzählen, Wojtek habe gern Bier aus einer Flasche getrunken und jeweils in den Flaschenhals geschaut, als ob er sich gewundert habe, dass irgendwann keine Flüssigkeit mehr kam. Er habe auch gern Zigaretten verschluckt. Um die unerträgliche Hitze zu bekämpfen, habe er sich beigebracht, in den Gemeinschaftsduschen das Wasser einzustellen – eine problematische Fähigkeit, weil Wasser rationiert gewesen sei.

Noch problematischer wird es, als die polnische Einheit mit Schiffen der britischen Marine nach Italien übersetzen soll. Tiere seien auf Kriegsschiffen verboten, heisst es. Darauf wird Wojtek offiziell als Soldat der 22. Versorgungstruppe in die polnische Armee aufgenommen. Unklar ist, ob dadurch tatsächlich das Tierverbot juristisch umgangen wird oder ob die Briten ihren berühmten Humor walten lassen – oder beides.

In Italien trägt Wojtek bei der Schlacht von Montecassino Kisten mit Munition an die Front. Er wird zum Korporal befördert, und zu ihrem Emblem – ein Bär mit Projektil – macht ihn seine Truppe ebenfalls.

Wojtek 1943 in Palästina – bevor er nach Italien in den Krieg zieht.

Über den April 1945, als polnische und britische Einheiten sowie italienische Partisanen Bologna befreien, erzählt Vittorio Pollini, der damals ein Kind war, in der Zeitung «Repubblica»: «Entlang der Strasse Via Emilia, gleich ausserhalb der Stadt Imola in Richtung Bologna, hatten die Polen in einem Landhaus eine Operationsbasis eingerichtet. Dort sah ich den Bären unter einem Baum schlafen.»

Seine Biografin Aileen Orr schreibt, Wojtek habe nach dem Krieg oft Gelegenheit gehabt, in der Adria zu schwimmen. Nach Polen wollen ihn seine uniformierten Betreuer nicht bringen, weil sie befürchten, die Kommunisten könnten ihn als Machtsymbol missbrauchen – und weil viele der polnischen Soldaten selber keine Lust haben, in den sowjetischen Machtbereich heimzukehren. So verschlägt es Wojtek und einige von ihnen nach Schottland, wo der Braunbär noch bis 1963 lebt, als eines der beliebtesten Tiere im Zoo von Edinburgh. Später werden zu seinen Ehren mehrere Statuen errichtet, etwa in Imola, Cassino, Krakau und Schottland. 2011 wird Wojteks Leben unter dem Titel «Wojtek: The Bear That Went to War» verfilmt.

Ein polnischer Nationalheld: Wojtek-Statue in der polnischen Stadt Krakau.

Der letzte Satz im Artikel der «Repubblica» lautet: «Wojtek erinnert uns daran, dass Bären auch Gutes getan haben.» Das ist eine Anspielung darauf, dass einer seiner Artgenossen kürzlich im Trentino einen jungen Jogger angegriffen und getötet hat. Bei Wojtek hingegen war Aggressivität nie ein Problem.