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Tote im Thunersee
Für den Angeklagten war es ein Unfall, für den Staatsanwalt kaltblütiger Mord

Blick auf den Tauchplatz Enteneck bei Gunten.
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In Kürze:
  • Der Angeklagte beteuert seine Unschuld.
  • Laut Staatsanwaltschaft wollte der Mann das Opfer ausnutzen, um sein sexuelles Verlangen zu befriedigen.
  • Die Verteidigung argumentiert, es handle sich um einen tragischen Unfall.
  • Der Staatsanwalt fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe für den Angeklagten.

«Scheisse gelaufen, scheisse reagiert.» Das sagt der Mann bei der ersten Einvernahme, nachdem ihn die Polizei im Januar 2021 verhaftet hat. Kurz zuvor entdeckten Taucher im Thunersee eine Frauenleiche. Am Dienstag wiederholt er den Satz vor dem Berner Obergericht. Dort kämpft er für seine Freilassung. Der heute 40-Jährige beteuert seine Unschuld – immer und immer wieder.

Er will gemäss eigenen Äusserungen mit seiner ehemaligen Sex-Partnerin nur einen harmlosen Ausflug machen. Der Mann, der sagt, er sei zum Tatzeitpunkt eine Art Einsiedler gewesen, sieht das spätere Opfer als Türöffnerin in die Gesellschaft. «Sie war meine Vertrauensperson. Mit ihr konnte ich über alles reden.» Die Frau sei zwar nicht seine grosse Liebe gewesen, aber er sagt: «Ich hatte sie gern.» Beim Treffen ging es auch um Sex, gibt er zwar zu, «das Thema stand aber nicht im Zentrum».

Frau soll unglücklich gestürzt sein

Was in dem abgelegenen Waldstück im Kanton Basel-Landschaft passiert ist, will der Mann nicht mehr so genau wissen. «Ich möchte das Ganze nicht noch einmal durchkauen», sagt er dem Gerichtspräsidenten. Dann gibt er ihm trotzdem Auskunft, wenn auch nur bruchstückhaft. Er bleibt bei seinen bisherigen Aussagen: Geschlagen hat er die Frau nicht. Schon gar nicht mit einem Hammer – einer möglichen Tatwaffe. Gefunden wurde sie jedoch nie.

Die Kopfverletzungen habe sich die Frau bei einem unglücklichen Sturz zugezogen. Der Mann, der nicht genau gesehen haben will, wie das Opfer gestürzt ist, kann sich bis heute nicht erklären, wieso er der verletzten Frau nicht geholfen hat. Das Spital Bruderholz wäre nur drei Minuten entfernt gewesen. «Ich habe in dieser Nacht schlicht alles falsch gemacht.»

Er behauptet, wie im Dezember 2023 vor dem Regionalgericht Oberland, dass die Frau kein Lebenszeichen mehr von sich gegeben hat. «Ich bin in Panik geraten.» Er will die Leiche unbedingt loswerden. Nur, die Frau lebt zu diesem Zeitpunkt noch. Der Mann fesselt sie mit Kabelbindern. Einen davon legt er ihr um den Hals und zieht zu. Gemäss gerichtsmedizinischem Gutachten ist die Frau dabei erstickt.

Später in der Nacht fährt der Angeschuldigte ins Berner Oberland. Das bestreitet er nicht. Beim sogenannten Tauchplatz Enteneck bei Gunten lässt er die Leiche der Frau – beschwert mit einem Baustellensockel, den er auf der Fahrt mitlaufen liess – in den Thunersee gleiten.

Leiche kaltblütig im Thunersee beseitigt

«Der Mann verdrängt sehr stark», sagt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Es sei geradezu absurd, die grausame Tötung eines Menschen und die spätere Entsorgung der Leiche im Thunersee als Vertuschung eines tragischen Unfalls zu bezeichnen.

Für ihn geben die Beweise ein klares Gesamtbild. Der Mann, der sich schon länger in der Welt der sexualisierten Gewalt bewegt hat und auch wegen Pornografie vorbestraft ist, wollte die Frau leiden sehen, sein sexuell-sadistisches Verlangen befriedigen. «Das hat ihn erregt.» Als sich das Opfer gewehrt hat, fasste er den Entschluss, sie zu töten. Er hat sie mit einer «schrecklichen Entschlossenheit» erdrosselt.

Eine Zeichnung zeigt einen Mann mit Bart und grüner Mütze, der auf einem Stuhl sitzt, mit zwei uniformierten Personen im Hintergrund.

«Der Angeschuldigte hat dem Opfer beim qualvollen Todeskampf zugesehen.» Kaltblütig habe er danach die Leiche beseitigt. Für den Staatsanwalt ist erwiesen: Die ehemalige Sex-Partnerin war als zierliche Person mit Drogenproblemen ein leichtes Opfer. «Er hat die Frau bewusst ausgesucht.»

Der Staatsanwalt fordert schliesslich eine härtere Gangart des Obergerichts. Er verlangt eine lebenslange Freiheitsstrafe für den Mann, bei dem eine dissoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wurde. Die Erstinstanz hatte eine Freiheitsstrafe von 17 Jahren und 8 Monaten ausgesprochen.

«Er wollte die Frau nicht umbringen»

Am anderen Ende der Skala bewegt sich der Verteidiger mit seinen Anträgen. Er will einen Freispruch erwirken. Ihm sind die im Rahmen der Ermittlungen erstellten Gutachten ein Dorn im Auge. «Sie enthalten massive Fehler und dürfen deshalb nicht verwendet werden.»

Zudem hat das Regionalgericht Oberland laut ihm die Indizien falsch gewürdigt. Statt des Mordverdachts müsse vielmehr die Unfallversion seines Mandanten im Zentrum stehen. So könnte das Opfer durchaus gestolpert sein und sich beim Sturz am Steinkreuz, das sich am Tatort befand, oder einem Stein verletzt haben. Für den Verteidiger ist klar: «Er wollte die Frau nicht umbringen.»

Zur Sprache kommt am Dienstag auch das teilweise renitente Verhalten des Mannes im Gefängnis. So mussten bis heute siebzehn Disziplinarverfahren durchgeführt werden. Unter anderem, weil er Urinproben verweigert hat oder nicht arbeiten wollte. «Ich widerspreche, wenn mir etwas unlogisch erscheint», begründet er.

Der Mann hat auch schon Unterschriften gesammelt, weil er mit dem Essen nicht zufrieden war. Einen engagierten Häftling nennt ihn sein Anwalt, einen Mann, bei dem nur seine Wahrheit zählt, der Staatsanwalt.

Das Obergericht gibt sein Verdikt am Freitagnachmittag bekannt.