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Angeklagter im Mordfall Gunten
«Ich hatte das Gefühl, ich muss sie loswerden»

Es sei ein schwieriger Moment gewesen, die Frau ins Wasser zu werfen: Der Angeklagte beantwortet die Fragen des Gerichts ausführlich.
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Einsilbig ist er nicht. Ganz und gar nicht. Der 39-jährige Mann, der vor bald drei Jahren eine Frau brutal umgebracht und die Leiche danach im Thunersee entsorgt haben soll. Vielmehr redet er wie ein Buch. Bereitwillig lässt er seine Erinnerungen an die Tatnacht im Januar 2021 aufleben.

«Ich wollte wieder vermehrt unter Menschen, raus aus meinem Einsiedler-Dasein», sagt der Mann. Deshalb hat er den Kontakt zum späteren Opfer gesucht. Mit der Frau hatte er in der Vergangenheit eine On-off-Beziehung. Zeitweise lebten sie sogar zusammen. «Wir konnten immer sehr gut über alles reden. Keiner hat den anderen für irgendetwas verurteilt.»

Der Mann holt die Frau am verhängnisvollen Abend in ihrer Wohnung ab. Sie fahren an einen abgelegenen Ort in der Nähe. «Das war ihre Idee», behauptet der Mann am Freitag vor dem Regionalgericht Oberland in Thun. Ihm sei es vor allem darum gegangen, sich mit ihr unter vier Augen zu unterhalten. Das Gespräch dreht sich auch um Sex.

«Ich hätte Sex mit ihr nicht abgelehnt», sagt er unverblümt. So weit kommt es aber nicht. Als er stoppt, verlässt die Frau das Fahrzeug. «Als ich ausgestiegen bin, lag sie blutend am Boden.» Wie es dazu gekommen ist, will er nicht wissen. Er geht zu ihr, überprüft den Puls. «Für mich war sie tot.»

«Jetzt ziehe ich das durch»

Ab diesem Moment habe sein logisches Denken ausgesetzt. «Ich bin in Panik geraten.» Der Mann lädt die Frau ein, die zu diesem Zeitpunkt noch lebt, und fährt zu sich nach Hause. «Dort habe ich etwas getrunken und eine Krise geschoben.» Er sucht im Internet nach einer geeigneten Stelle, um die Leiche zu entsorgen. «Ich hatte das Gefühl, ich muss sie loswerden.» Rückblickend müsse er festhalten, dass er an diesem Tag nichts richtig gemacht habe. «Ich hätte den Notruf wählen oder sie ins Spital bringen müssen.»

Stattdessen fährt er von seinem Wohnort im Kanton Basel-Landschaft mehrere Stunden durch die Nacht, landet schliesslich in Gunten. «Ich kannte die Stelle vom Kajakfahren.» Er bindet einen Baustellensockel an die Leiche, die neben Kopfverletzungen auch Rippenbrüche aufweist und versenkt sie im Thunersee. «Ich wollte sie nicht fesseln, nur ein kompaktes Päckli machen.»

Das Enteneck in Gunten. 
© Patric Spahni

Es sei ein schwieriger Moment gewesen, die Frau ins Wasser zu werfen, gibt er zu. Für ihn sei aber klar gewesen: «Jetzt ziehe ich das durch.» Als er später erfahren hat, dass die Frau erst erstickt ist, als er sie stranguliert hat, macht ihn das laut seinen Aussagen fassungslos. «Es ist gerechtfertigt, dass ich im Gefängnis bin, weil mein Kabelbinder schuld war», gibt er zu Protokoll.

Suche nach dem Motiv

Gerichtspräsident Jürg Santschi versucht, Antworten auf zwei Kernfragen aus dem sprachgewandten Angeklagten herauszukitzeln: Wie starb die Frau genau? Und welches Motiv hatte der Mann? «Dass ich die Frau mit einem Hammer geschlagen haben soll, ist lächerlich. Ich arbeite auf dem Bau. Wenn ich zuschlage, sieht man das», sagt der 39-Jährige.

Bei der Suche nach dem Motiv unterstützt der Gutachter das Gericht. Er hat beim Mann eine dissoziale Persönlichkeitsstörung ausgemacht. Naheliegend ist zudem sexueller Sadismus, wenn – laut dem Experten – auch nicht abschliessend erwiesen. «Ich interessiere mich für unübliche sexuelle Praktiken, die im Sadomasochismus angesiedelt sind», sagt derweil der Angeklagte. «Ich finde das nicht abartig, aber das ist wohl Ansichtssache.»

War er tatsächlich in Panik geraten? Gemäss Gutachten ist der Angeklagte sehr abgebrüht vorgegangen.

Fest steht, dass die Ermittler auf seinen elektronischen Geräten mehrere Videos mit teils heftigen sexuellen Handlungen gefunden haben. In einem Video ist sogar eine tote Frau zu sehen. Zudem hat der Mann kurz vor der Tat Sexspielzeug gekauft. «Er ist ein strategischer Mensch, der genau weiss, was er macht», sagt der Gutachter. Auch vor Gericht. «Er kann blenden, sich gut verkaufen.» Für den Gutachter ist klar, dass der Mann bewusst seine alte Bekanntschaft kontaktiert hat. «Er wusste, dass sie zu einigem bereit ist.»

Insgesamt sei er sehr abgebrüht vorgegangen. Dass der Mann, wie behauptet, in Panik geraten ist, glaubt der Gutachter indes nicht. Er habe gefühlskalt einen Entschluss gefasst und ihn durchgezogen. Er stellt dem Angeklagten keine besonders guten Prognosen, seien seine Störungen doch schwierig behandelbar. Kommt hinzu, dass der Mann kein Freund von Therapeuten ist. «Ich rede viel mit den Mitgefangenen. Sie verstehen mich besser.»

Der Prozess wird am Dienstag mit den Plädoyers fortgesetzt. Am 22. Dezember wird voraussichtlich das Urteil verkündet.