Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Tödlicher Angriff in Norditalien
Bär tötet Jogger – «Es war nur eine Frage der Zeit»

Kam ebenfalls aus dem Trentino: «Problembär» M13, der vor rund zehn Jahren in der Schweiz erschossen wurde.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Andrea Papi war 26 Jahre alt, sportlich, und häufig in den bergigen Wäldern rund um das Städtchen Caldes im Trentino im nördlichen Italien unterwegs. Kurz vor Ostern hatte er, wie so oft, nachmittags die Wohnung zur üblichen Joggingtour verlassen. Als er nicht heimkam, alarmierte die Familie die Polizei, noch am Abend durchstreiften Polizisten und Feuerwehrleute den Wald, Hunde spürten die Leiche im Laufe der Nacht auf. Bisspuren eines Bären waren rasch zuzuordnen, offen ist noch der genaue Ablauf des Unglücks.

Eine Zeit lang konnte man hoffen, dass der junge Mann vielleicht eines natürlichen Todes gestorben war und dann von einem Bären gefunden wurde. Nach 24 Stunden allerdings ist das Ergebnis jetzt klar: Der junge Jogger hatte offensichtlich noch mit dem Angreifer gekämpft, hatte sich mit einem Stock zu wehren versucht – vergeblich.

Damit ist ein Fall eingetreten, der extrem selten ist, aber geeignet, für allgemeine Aufregung zu sorgen. Speziell hier im Val di Sole leben die Menschen seit Jahren mit Braunbären, den grössten Raubtieren an Land in Europa. Sie leben wieder mit den Bären, muss es präzise heissen, denn bekanntlich waren Bären früher allgemein verbreitet, ehe die Zivilisation ihnen die Lebensräume nahm und sie fast ausrottete. So waren im Brenta-Gebiet zuletzt noch drei Tiere bekannt.

Im Jahr 1999 entschieden sich der Naturpark Adamello-Brenta und die Autonome Provinz Trient/Trentino in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Wildtierinstitut INFS und unter finanzieller Unterstützung der EU im Projekt «Life Ursus» zehn Jungbären aus Slowenien einzuführen und auszuwildern: drei Männchen und sieben Weibchen. Mit Erfolg: Fast alle Jungtiere überleben, seit 2015 hat sich die Zahl der Bären in der Region verdoppelt.

Heute sind es rund 100 Tiere, und sie sind im Westen der autonomen Provinz Trient (Trentino) heimisch: im Tal Val di Sole, wo der junge Jogger jetzt getötet wurde, rund um die Ortschaft Madonna di Campiglio, beim Tal Val di Non, in den Giudicarie nahe des Gardasees und auch rund um den Gebirgszug Monte Bondone.

Auch «Problembären» kamen aus dem Trentino

Nur vereinzelt wandern die Bären – meistens Männchen – weiter und tauchen gar in der Schweiz, Österreich, oder Deutschland auf. So kam im Jahr 2006 der Bär Bruno aus dem Trentino über Österreich bis nach Deutschland. Weil er Schafe, Hühner und andere Haustiere riss, wurde er zum «Problembären» erklärt und erschossen.

Üblicherweise haben die Bären keine possierlichen Namen, sondern sind mit Abkürzungen registriert. Bruno war JJ1, sein ebenfalls auffälliger Bruder JJ3. Letzterer wurde im Frühling 2008 in Graubünden erlegt, nachdem er in eine Schule und mehrere Ställe eingebrochen war. Später hielt M13 die Schweizer Behörden auf Trab. Trotz «Vergrämungsaktionen» begab er sich immer wieder in die Nähe von Siedlungen. Im Februar 2013 wurde M13 deshalb als «Risikobär» eingestuft und abgeschossen.

Der Abschuss von M13 war umstritten, er wurde erlegt, nachdem er trotz «Vergrämungsaktionen» immer wieder in der Nähe von Siedlungsgebieten auftauchte.

Bekannt wurde zuletzt auch M49, der mehrfach gefangen genommen wurde und immer wieder ausbrechen konnte, weshalb er den Spitznahmen «Papillon» erhielt. Diese Fälle sind medienwirksame Ausnahmen. Meist leben die Bären unauffällig und meiden Menschen, wie Experten betonen. Im Trentino lernen die Kinder in der Schule das richtige Verhalten im Umgang mit Bären: nicht wegrennen, den Bären nicht erschrecken, sich notfalls flach auf den Boden legen, solche Sachen. Man kann davon ausgehen, dass auch Andrea Papi vorbereitet war. Warum er sich nicht retten konnte, ist bisher offen.

Zunächst gilt es jetzt, sozusagen wie bei jedem Tötungsdelikt, den Täter zu identifizieren und zu finden, dabei werden die genetischen Ergebnisse der vor Ort gesammelten Bio-Proben helfen. Behördenvertreter haben sich zu einer Krisensitzung getroffen, an deren Ende der Präsident der Provinz Trient, Maurizio Fugatti, den Schiessbefehl bekanntgab. Auch die anderen zuletzt auffällig geworden Tiere sollen gestellt und erschossen werden.

Zuletzt hatte es mehrere Angriffe auf Nutztiere gegeben

Denn die Bürger von Caldes hatten auf das jüngste Unglück nach Berichten der Lokalmedien keineswegs überrascht reagiert. Sie berichteten, dass es zuletzt mehrere Angriffe auf Schafe und andere Nutztiere gegeben habe. Bereits Anfang März sei nahe des Ortes ein Mann, der seinen Hund ausführte, von einem Bären angegriffen und am Kopf und Arm verletzt worden. «Es war nur eine Frage der Zeit, bis es schlimmer werden würde», sagte ein Anwohner.

Entsprechend hat eine heftige Debatte über das Zusammenleben von Bären und Menschen eingesetzt. Die Agrarvereinigung Coldiretti sieht ein «ernsthaftes Risiko für die Sicherheit» nicht nur der einheimischen Bevölkerung, sondern auch für die Wirtschaft, die Landwirtschaft und nicht zuletzt den Tourismus. Die Familie von Andrea Papi will die Provinz Trient verklagen dafür, dass das Projekt Life Ursus ohne Volksabstimmung umgesetzt worden sei. Und Provinzpräsident Fugatti orakelt bereits düster, angesichts der jüngsten Vorkommnisse könne das Projekt Life Ursus nicht von Dauer sein.