LiveCorona-Pressekonferenz am Samstag«Das wäre der stärkste Rückgang in der Schweiz seit 1974»
Eric Scheidegger vom Seco stellte in Bern zwei Szenarien für die Wirtschaft vor – die V- und die L-Rezession. Die Zahlen dazu sind furchterregend.
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Die Experten und Amtschefs des Bundes erklärten, wo die Schweiz steht: Hier im Replay-Livestream.
Das Wichtigste in Kürze:
- Die Zahl der Covid-19-Fälle in der Schweiz ist bis Samstag auf 24'900 angestiegen.
- Das sind 592 mehr als am Vortag.
- Die Zahl der Todesfälle hat die 1000er-Grenze überschritten: Sie stieg bis am Samstag auf 1011.
- Das Seco stellt zwei Rezessions-Szenarien vor (die Ausführungen dazu im Ticker unter «extrem düstere Prognosen»). Die V-Rezession (Abschwung mit nachfolgendem Aufschwung) und die L-Rezession (Abschwung ohne Gegenbewegung).
- Im schlimmsten Fall Rechnet das Seco mit einem Rückgang des BIP in den Jahren 2020 und 2021 von 10 Prozent.
- Die Arbeitslosigkeit könnte bis auf 7 Prozent steigen.
Zusammenfassung
Es gibt nach wie vor 500 bis 700 neue Covid-19-Fälle pro Tag. Die Tendenz zeigt aber weiterhin nach unten, wie Daniel Koch, Delegierter des Bundesamts für Gesundheit (BAG) für Covid-19, erklärt.
«Wir sind über den Berg hinaus, falls es der letzte Berg ist.» Es sei immer möglich, dass es zu einem Wiederanstieg komme. Im Moment sehe es aber gut aus. Es zeige sich eine Stabilisierung und eine Tendenz in die richtige Richtung. Es müsse aber allen klar sein, dass es nun durchzuhalten gelte, sagt Koch.
Es gebe nach wie vor mehrere Dutzend Todesfälle pro Tag. Die Krankheit sei keinesfalls zu unterschätzen. Hochbetagte seien besonders gefährdet, aber auch für jüngere Seniorinnen und Senioren gebe es keine Garantie, nicht schwer an dem Virus zu erkranken. Alle müssten sich daher weiter anstrengen, damit man zu einer Normalität zurückkehren könne, sagt Koch.
«Man muss flexibel bleiben»
Die Gefahr, dass es zu einem Wiederanstieg von Fällen komme, sei immer da. Es wisse jedoch niemand, wie stark man Massnahmen lockern könne, ohne eine zweite Welle zu riskieren. «Man muss flexibel bleiben, wenn man sieht, dass es nicht geht», sagte Koch. Auch für den Bundesrat werde es aber unmöglich sein, einen sicheren Fahrplan zu geben.
Klar sei, dass die derzeit unterbelegten Spitäler und Praxen «so schnell wie möglich, aber mit Schutzmassnahmen für Risikopersonen» in den Alltag zurückkehren sollen. Der Bund sei sich bewusst, dass die Nachfrage nach Spitalleistungen zurückgegangen sei, sagt Koch. «Das war so gewollt und nötig.»
Warten auf Tracing-Apps
Zahlreiche Forscher arbeiten derzeit an einer Contact-Tracing-App. Diese sollen eine wichtige Rolle spielen zum Aufdecken möglicher Übertragungswege des Coronavirus und zum Isolieren potenziell erkrankter Personen. Im Vordergrund steht dabei zunächst das freiwillige Installieren auf dem Smartphone.
Noch ist es in der Schweiz aber nicht so weit. «Wir werden – sobald Apps da – diese anschauen, prüfen und beurteilen», sagt Koch. Wichtig sei, dass diese zur Verhinderung von neuen Fällen brauchbar seien. Momentan sei es noch zu früh für eine Analyse.
Düstere Wirtschaftsprognosen
Die Wirtschaft habe sich seit Mitte März wesentlich stärker verschlechtert als noch zu Beginn der Coronakrise erwartet, sagt Eric Scheidegger, Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).
Der aktuelle Produktionsausfall betrage derzeit 25 Prozent.
In verschiedenen Branchen wie dem Gastgewerbe liege der Ausfall bei über 80 Prozent, beim Detailhandel und bei der Transportbranche seien bisher 50 bis 60 Prozent der Produktivität verloren gegangen, so Scheidegger. Die Konjunkturprognosen von März seien deshalb «bereits überholt».
Auch die Konjunkturprognose vom März, bei der man von Minus 1,5 Prozent für das Jahr 2020 ausgegangen sei, würde nun angepasst.
Die beiden aktuellen Negativszenarien des Seco gehen nun von einer schwereren Rezession aus als bisher angenommen, bei der auch die Erholung «länger auf sich warten lassen könnte». Resultieren würde ein Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 7,1 oder gar 10,4 Prozent.
Einen zu diesen Szenarien vergleichbaren Konjunktureinbruch hatte es in der Schweiz zum letzten Mal im Jahr 1974 gegeben: Damals war das Schweizer BIP im Zuge der Erdölkrise um 6,7 Prozent abgesackt.
Im Seco-Szenario «V-Rezession» – ein BIP-Rückgang mit zügiger Erholung – würde sich die Schweizer Wirtschaft nach dem Minus von 7 Prozent immerhin 2021 wieder mit einem massiven BIP-Anstieg von plus 8 Prozent erholen.
Noch gravierender für das Land wäre das Szenario «L-Rezession», wo es nach einem massiven Einbruch nur noch zu einer schwachen Erholung käme: Dabei würde die Wirtschaft 2020 in der Grössenordnung von 10 Prozent schrumpfen und 2021 nur gerade wieder 3 Prozent zulegen.
Die Seco-Ökonomen beziffern auch die Höhe des BIP-Ausfalls durch die Coronakrise. So würde im «günstigen» Basisszenario der BIP-Verlust per Ende 2021 gegenüber dem Stand von Ende 2019 rund 30 Milliarden Franken betragen. Im Szenario «V-Rezession» steigt der BIP-Verlust auf rund 90 Milliarden Franken und eine «L-Rezession» würde einen BIP-Verlust von 170 Milliarden bedeuten.
Die Pressekonferenz ist beendet.
Frage: Wie stark kann man nach dem Lockdown überhaupt lockern?
«Das ist eine gute Frage. Das weiss niemand», so Daniel Koch. «Man wird versuchen, so weit zu lockern, dass kein Risiko eingegangen wird. Einen sicheren Fahrplan zu geben, wird aber unmöglich sein.» Laut Koch müsse man flexibel bleiben: «So kann man eine Massnahme verlängern, wenn man sieht, dass es doch nicht geht.»
Frage: Wie sieht es für Festivalbetreiber aus?
Dazu sagt Daniel Koch vom BAG: «Bereiche, bei denen es hohe Risiken für Übertragungen gibt, werden wahrscheinlich erst am Schluss geöffnet werden.» Auch wenn einzelne Branchen eine Planungssicherheit wünschten, sei es schwierig, eine Prognose zum jetzigen Zeitpunkt zu machen. Laut Scheidegger arbeite man an einer Ausstiegsstrategie.
Frage: Werden Gesunde wieder krank?
«Es ist schwierig, die Situation in Südkorea von hier aus zu beurteilen», sagt Koch entsprechenden Meldungen aus dem asiatischen Land. «Es kann bei solchen Epidemien immer zu einem Wiederanstieg der Fälle kommen.» Er hoffe für Südkorea, dass es sich nicht um eine Trendwende handelt. «Bei uns sehen wir keine Trendwende, eher eine Stabilisierung in die gute Richtung.»
Frage an BAG-Koch: Sind wir über den Berg?
«Momentan sieht die Lage gut aus», sagt Daniel Koch. «Es ist aber immer noch zu früh, es ist noch nicht vorbei.» Die Leute sollten wissen, wenn man jetzt durchhalte, ginge es in die richtige Richtung. Er fügt an: «Wir haben einen langen Weg zu gehen.»
Extrem düstere Konjunktur-Prognosen
Die Wirtschaft habe sich seit Mitte März wesentlich stärker verschlechtert als noch zu Beginn der Coronakrise erwartet, sagt Eric Scheidegger, Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco).
Der aktuelle Produktionsausfall betrage derzeit 25 Prozent.
In verschiedenen Branchen wie dem Gastgewerbe liege der Ausfall bei über 80 Prozent, beim Detailhandel und bei der Transportbranche seien bisher 50 bis 60 Prozent der Produktivität verloren gegangen, so Scheidegger. Die Konjunkturprognosen von März seien deshalb «bereits überholt».
Auch die Konjunkturprognose vom März, bei der man von Minus 1,5 Prozent für das Jahr 2020 ausgegangen sei, würde nun angepasst.
Die beiden aktuellen Negativszenarien des Seco gehen nun von einer schwereren Rezession aus als bisher angenommen, bei der auch die Erholung «länger auf sich warten lassen könnte». Resultieren würde ein Rückgang des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 7,1 oder gar 10,4 Prozent.
Einen zu diesen Szenarien vergleichbaren Konjunktureinbruch hatte es in der Schweiz zum letzten Mal im Jahr 1974 gegeben: Damals war das Schweizer BIP im Zuge der Erdölkrise um 6,7 Prozent abgesackt.
Im Seco-Szenario «V-Rezession» – ein BIP-Rückgang mit zügiger Erholung – würde sich die Schweizer Wirtschaft nach dem Minus von 7 Prozent immerhin 2021 wieder mit einem massiven BIP-Anstieg von plus 8 Prozent erholen.
Noch gravierender für das Land wäre das Szenario «L-Rezession», wo es nach einem massiven Einbruch nur noch zu einer schwachen Erholung käme: Dabei würde die Wirtschaft 2020 in der Grössenordnung von 10 Prozent schrumpfen und 2021 nur gerade wieder 3 Prozent zulegen.
Die Seco-Ökonomen beziffern auch die Höhe des BIP-Ausfalls durch die Coronakrise. So würde im «günstigen» Basisszenario der BIP-Verlust per Ende 2021 gegenüber dem Stand von Ende 2019 rund 30 Milliarden Franken betragen. Im Szenario «V-Rezession» steigt der BIP-Verlust auf rund 90 Milliarden Franken und eine «L-Rezession» würde einen BIP-Verlust von 170 Milliarden bedeuten.
Armee will ab nächster Woche Einsatz reduzieren
5000 Armeeangehörige sind im Kampf gegen Covid-19 für den Assistenzdienst aufgeboten worden. Nur ein Teil dieser Truppe ist aber tatsächlich im Einsatz. Brigadier Raynald Droz kontert den Vorwurf, dass die Armee mit dem Aufgebot übertrieben hat.
Er erinnert an die Situation von vor sechs Wochen. Damals sei die Welle von Norditalien her über die Schweiz hereingebrochen. Man habe keine Ahnung gehabt, wie das ablaufen werde. «Wir hatten keine Zeit und keine Wahl», sagt Droz. Darum habe man das Maximum getan. «All in plus» heisst die von der Armee gewählte Variante. Diese beinhaltete die Mobilisierung sämtlicher Sanitätstruppen.
Das Ziel sei es gewesen, das Feuer zu löschen, sagt Droz. «Es scheint, dass das gelungen ist.» Ab nächster Woche soll aber diskutiert werden, wie das Gleichgewicht zwischen Ressourcen und Nachfrage verbessert werden kann. Nach Ostern werden Urlaube gewährt, zudem könnten Armeeangehörige laut Droz auch auf Pikett gesetzt werden.
Nach seinen Angaben ist die Armee derzeit in fünfzig Spitälern in der ganzen Schweiz im Einsatz. Schwerpunkte in der Deutschschweiz sind die Kantone Solothurn, Luzern und Basel-Landschaft.
Koch: «Das ist die gute Nachricht»
Es gibt nach wie vor 500 bis 700 neue Covid-19-Fälle pro Tag. Die Tendenz zeigt aber weiterhin nach unten, wie Daniel Koch, Delegierter des Bundesamts für Gesundheit (BAG) für Covid-19 sagt. «Das ist die gute Nachricht.»
Es gebe aber auch nach wie vor mehrere Dutzend Todesfälle pro Tag. Die Krankheit sei keinesfalls zu unterschätzen. Hochbetagte seien besonders gefährdet, aber auch für jüngere Seniorinnen und Senioren gebe es keine Garantie, nicht schwer an dem Virus zu erkranken. Alle müssten sich daher weiter anstrengen, damit man zu einer Normalität zurückkehren könne, sagte Koch.
Die Krankheit sei aber nicht zu unterschätzen, so Koch: «Alle müssen sich weiter anstrengen, damit die Zahlen weiter runtergehen.» Auch für die jüngere Altersgruppe besteht weiterhin das Risiko, am Virus zu erkranken.
Er sei gefragt worden, ob die Gruppe der 65- bis 75-Jährigen ohne Vorerkrankungen wirklich gefährdet sei. Koch liefert Zahlen dazu: 8 bis 10 Prozent dieser Gruppe zeige auch ohne Vorerkrankungen schwere Verläufe.
Teilnehmer der Pressekonferenz
Mit dabei sind: heute:
- Daniel Koch, Delegierter des BAG für COVID-19
- Eric Scheidegger, Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik SECO
- Alenka Bonnard Co-Geschäftsleiterin, Staatslabor
- Danny Bürkli, Co-Geschäftsleiter, Staatslabor
- Raynald Droz, Brigadier, Stabschef Kommando Operationen VBS
Fast 600 neue Corona-Neuinfektionen
Die Zahl der Covid-19-Fälle in der Schweiz hat erneut zugenommen. Bis zum Samstag gab es nach Angaben des Bundesamtes für Gesundheit 24'900 laborbestätigte Fälle, 592 mehr als am Vortag.
Am Freitag hatte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) noch einen Anstieg um 734 Fälle gegenüber dem Vortag gemeldet.
Betroffen sind alle Kantone und das Fürstentum Liechtenstein. Die Inzidenzen belaufen sich auf 290 Fälle pro 100'000 Einwohner, eine der höchsten in Europa. Die Hochrechnung basiert auf Informationen von Laboratorien, Ärztinnen und Ärzten.
Die Zahl der Todesfälle in Zusammenhang mit einer Coronavirus-Erkrankung hat die 1000er-Grenze überschritten: Sie stieg bis am Samstag auf 1011, wie eine Analyse der Nachrichtenagentur Keystone-SDA der auf den Internetseiten der Kantone vorliegenden Daten ergab. Die Agentur aktualisiert die Zahlen zweimal täglich, mittags und abends.
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gab die Zahl der Todesopfer mit 831 an. Es bezieht sich dabei auf die Meldungen, die die Laboratorien sowie Ärztinnen und Ärzte im Rahmen der Meldepflicht bis Samstagmorgen übermittelten. Daher könnten die Daten von den Fallzahlen der Kantone abweichen, schreibt das BAG in seinem neuesten Situationsbericht.
Bisher seien über 190'000 Personen auf das Coronavirus getestet worden und bei 15 Prozent sei der Test positiv ausgefallen, heisst es im neusten Situationsbericht des BAG. (sda)
Rega darf neu bei Schlechtwetter Tessiner Patienten ausfliegen
Die Rega kann nun selbst bei schlechter Sicht Patientinnen und Patienten aus dem Kanton Tessin über den Gotthard in Deutschschweizer Kantone ausfliegen, wenn Tessiner Spitäler keine Kapazität für sie haben. Sie hat dafür entsprechende Ausnahmebewilligungen erhalten.
Die Bewilligungen für Instrumentenflugverfahren habe das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) Ende März erteilt, schrieb die Schweizerische Rettungsflugwacht (Rega) am Samstag. Sie betreffen zum Beispiel den An- und Abflug auf und von den Flugplätzen Agno bei Lugano sowie Locarno. Zudem sollen die Helikopterbesatzungen «zeitlich uneingeschränkt» eine Instrumentenflugroute über den Gotthardpass nutzen können.
Ziel der Bewilligungen ist es, die medizinische Versorgung aus der Luft im von der Corona-Pandemie stark betroffenen Kanton Tessin auch bei schlechten Sichtbedingungen sicherzustellen, wie die Rega schreibt. Die Ausnahmebewilligungen gelten nach Angaben der Rega solange die ausserordentliche Lage gemäss Epidemiengesetz besteht.
Seit dem 11. März und bis zum Samstag wurden in Rega-Helikoptern insgesamt 74 Covid-19-Patienten transportiert. In den meisten Fällen wurden sie von einem Spital in ein anderes verlegt. Zwei von drei zu verlegenden Patienten wurden künstlich beatmet, mit mobilen Geräten.
Auch in Nachbarländern waren Rega-Teams im Einsatz. Zum Beispiel übernahm die Rega den Transport von Covid-19-Patienten aus Frankreich in deutsche Spitäler.
Andere Aufgaben der Rega, etwa Einsätze für verunfallte Schneesportlerinnen und -sportler, sind derweil in den Hintergrund gerückt, wie die Zahlen zeigen. Beispielsweise standen 2019 die Rega-Crews zwischen 16. März bis 11. April für rund 250 verunfallte Wintersportler im Einsatz. Im laufenden Jahr waren es im selben Zeitraum weniger als zehn Einsätze für Wintersportler.
cpm/sda
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