Gastkommentar zur AltersvorsorgeWieder einmal hat es Links-Grün verpasst, in der AHV-Reform Konstruktives beizutragen
Die Angleichung des Rentenalters von Frauen und Männern ist kein Sozialabbau. Im Gegenteil: Die AHV-Reform bewirkt Verbesserungen für Wenigverdienende.
Beschlossen hat das Parlament vor ein paar Wochen die Erhöhung des Frauenreferenzalters um ein Jahr – also Gleichberechtigung beim Rentenalter für Männer und Frauen –, wie dies schon bei der Schaffung der AHV 1948 gegolten hatte. Zudem: Für jene Frauen, die zwischen 1960 und 1968 geboren sind, gibt es nach Einkommen abgestufte reale lebenslange Rentenzuschläge von 50 bis 160 Franken monatlich, die an die Ergänzungsleistungen nicht angerechnet werden.
Die Kürzungssätze für Frauen dieser Übergangsgenerationen bei Rentenvorbezug sind tiefer, und bei tiefen Einkommen bis 57’600 Franken wird gar von einer Kürzung abgesehen, wenn die Rente ein Jahr früher bezogen wird. Im Klartext: Für wenig verdienende Frauen wirkt sich die Heraufsetzung des Rentenalters gar nicht aus, weil sie ohne Kürzung die Rente um dieses eine Jahr vorbeziehen können.
SP und Grüne und Gewerkschaften kündigten ein Referendum an. Sie sagen, mit der Erhöhung des «Rentenalters» der Frauen würden 10 Milliarden Franken gespart. Die Kompensationen zugunsten von Frauen seien nur ein Drittel davon. Das sei Sozialabbau.
Eines ist klar: Durch das beschlossene Gesetz wird keine Rente von irgendeiner Frau gekürzt. Im Gegenteil: Für wenig verdienende Frauen gibt es mehrere klare Verbesserungen. Insofern ist die Bezeichnung «Sozialabbau» nicht zutreffend. Ist es Sozialabbau, wenn Frauen im mittleren und hohen Verdienstbereich ein Jahr länger erwerbstätig sind und damit auch rentenbildende Einzahlungen tätigen? Nein, klarerweise nicht. Die erleichterten Vorbezugsregeln für wenig verdienende Frauen machen die längere Rentendauer zum toten Buchstaben. Auch aus dieser Optik: keine Rede von Sozialabbau.
Die Dürftigkeit, ja die offensichtliche Falschheit der Argumentationen in der Fundamentalopposition von Links-Grün haben mich enttäuscht, ja erschreckt. Da war von Gratisarbeit der Frauen die Rede, die nicht entgolten werde. Frauen leisten in der Tat mehr Care-Arbeit, sind aber auf der andern Seite auch weniger erwerbstätig. Gemäss Taschenstatistik der Schweiz 2021 gibt eine Mutter mit Partner und Kindern von 0 bis 14 Jahren an, insgesamt 69,6 Wochenstunden zu arbeiten (15,4 Erwerbstätigkeit, 52,8 Haus- und Betreuungsarbeit, 1,4 Freiwilligenarbeit). Der Mann in derselben Situation gibt 68,9 Wochenstunden an (38,3 Erwerbstätigkeit, 29,3 Haus- und Betreuungsarbeit, 1,3 Freiwilligenarbeit). Statt unbezahlte Care-Arbeit zu beklagen, hätte man fordern können und müssen, dass die AHV-Betreuungs- und Erziehungsgutschriften erhöht würden. Nichts derartig Konstruktives war zu hören!
X-mal wurde in der parlamentarischen Debatte vorgebracht, dass «Frauenrenten um ein Drittel tiefer» seien als diejenigen der Männer. Es wird nicht wahrer. Fakt ist, dass nur die AHV-Renten von verheirateten Frauen – gemäss der Logik der Ernährer-Ehe – deutlich tiefer sind; die AHV-Renten von Ledigen, Geschiedenen, Verwitweten sind für Frauen und Männer in etwa gleich hoch. Markante Lücken bestehen in der zweiten Säule, wo denn auch Verbesserungen geplant sind.
Schliesslich war Lohndiskriminierung ein Thema. Ja, diese besteht. Frauen verdienen – unerklärt und daher diskriminierend – durchschnittlich rund 8% weniger als Männer. Frauen würden im Monat «684 Franken fehlen», hatte eine Ständerätin ausgerechnet. Ist das Politik für die Galerie? Lohndiskriminierung kann nicht im Rahmen der AHV, sondern in den Anstellungsbedingungen behoben werden.
Brigitte Pfiffner ist Rechtsanwältin, Alt-Bundesrichterin und Mitglied der Grünen.
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