WHO-Mitarbeiterin in GenfSie sammelt Spenden, um Trumps Kürzungen zu kompensieren
Der Weltgesundheitsorganisation fehlt bald eine Milliarde Dollar, weil sich die USA zurückziehen. Mitarbeiterin Tania Cernuschi kämpft von Genf aus mit Kleinspenden gegen das Finanzloch.

- Tania Cernuschi begann ein Crowdfunding, um die WHO-Finanzlücke zu schliessen.
- Ihr Ziel ist es, eine Milliarde Menschen dazu zu bewegen, jeweils einen Dollar zu spenden.
- Das Crowdfunding hat weltweit positive Rückmeldungen und über 140’000 Dollar gesammelt.
- Cernuschi betont, dass die WHO finanzielle Unabhängigkeit von wenigen Spendern braucht.
Als Donald Trump am 20. Januar bekannt gibt, dass sich die USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zurückziehen, hat Tania Cernuschi eine Idee. Was, wenn eine Milliarde Menschen der WHO einen Dollar spenden würden? Nur einen Dollar. Trumps Finanzierungslücke wäre gedeckt. Ganz einfach.
Vier Wochen später sitzt Cernuschi in der Cafeteria des WHO-Hauptquartiers in Genf, vor sich einen Kaffeebecher, und sagt: «Ich frage mich manchmal, was ich hier losgetreten habe.» Sie sei überwältigt von der Unterstützung, die die WHO erhalte. Die Ökonomin aus Italien arbeitet seit zehn Jahren bei der Weltgesundheitsorganisation. Lange war sie in der Abteilung für Immunisierung für den Zugang zu Impfstoffen zuständig. In ihrem Team arbeitet sie mit Spezialisten aus der ganzen Welt für einen besseren Planeten.
Die WHO ist ihre Welt. Und die geriet durch Trump ins Wanken.
Dass sich mit einem Crowdfunding die Finanzierungslücke schliessen lässt, habe sie nie geglaubt: «Mir geht es vor allem darum, dass Stimmen hörbar werden, welche die WHO und ihr Mandat zum Schutz der globalen Gesundheit unterstützen.»
Seit Cernuschi Geld sammelt, kriegen die Mitarbeiter der Organisation viel Zuspruch. Ausgerechnet über Social Media, wo die WHO sonst vor allem diffamiert wird.
Knapp über 145’000 Dollar sind bis jetzt zusammengekommen, von 5600 Spendern aus 144 Ländern.

Ins Visier von Trump geriet die WHO bereits während der Pandemie. China habe dort zu viel Einfluss, sagt er. Abgesehen vom Palästinenser-Hilfswerk UNRWA gibt es keine andere Organisation, die aktuell so im Fokus der Kritik steht. Die WHO zocke die USA ab, sagte Trump.
Fakt ist: Die USA sind bis heute der grösste Geldgeber der WHO – rund 15 Prozent des Budgets für 2024 bis 2025 stammen aus Washington. Die Bewegung «Make America Great Again» beschreibt die Organisation gerne als bürokratischen Moloch mit hoch bezahlten Funktionären, die sich vor allem mit sich selbst beschäftigten. Cernuschi sagt: «Wir verdienen hier gut, das stimmt. Aber die WHO versucht auch aus der ganzen Welt Talente zu kriegen. Was wir hier machen, ist hochkomplex.»
In Genf beschäftigt die WHO 2400 Angestellte. Man dürfe auch nicht vergessen, dass viele Mitarbeiter temporäre Verträge hätten, sagt Cernuschi, manche würden weniger als 60 Tage laufen. Die weltweit tätige Organisation habe ausserdem ein kleineres Budget, als ein grosses Stadtspital habe, so Cernuschi. «Wir bringen der Welt mehr, als wir sie kosten.»
Die grössten Erfolge feierte die WHO bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten. So geht die Ausmerzung der Pocken auf die Bemühungen der Organisation zurück. Auch bei der Bekämpfung von regionalen Seuchen wie Ebola oder während der Covid-Pandemie kam ihr eine zentrale Rolle zu.
Zu viel Einfluss von aussen
Als grösstes Problem der Organisation gilt ihre Finanzierungsstruktur. Cernuschi ist eine Spezialistin dafür und leitet nun eine Abteilung, die mit dem Finanzsektor zusammenarbeitet, um Lösungen für die WHO zu entwickeln. Anders als in anderen UNO-Organisation decken die Pflichtbeiträge bei der WHO nur ungefähr 15 Prozent der finanziellen Verpflichtungen ab, der Rest wird über Spenden durch Private und Staaten gedeckt.
Das Problem: Solche sogenannten freiwilligen Beiträge sind gebunden an konkrete Projekte. Die WHO läuft dadurch Gefahr, dass Externe ihre Strategie bestimmen. Die Führungscrew der WHO will dies ändern. Cernuschi sagt: «Die WHO hat schon immer eine nachhaltigere und berechenbarere Finanzierungsgrundlage gefordert.» Eventuell bringe ihr Projekt ein paar Dinge in Bewegung.
Tatsächlich gibt es UNO-Organisationen, bei denen Kleinspenden eine wichtige Rolle spielen. Das Kinderhilfswerk Unicef etwa hat über 170’000 Spender – allein in Liechtenstein und der Schweiz.
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