Papablog: Kindische Corona-ReaktionenWer Verantwortung ablehnt, ist infantil
Seit Beginn der Pandemie führen sich viele Erwachsene wie Kinder auf, beobachtet unser Blogger. Das hat Auswirkungen auf die Entwicklung der zukünftigen Generation.
Mit meinen Grossen gelingt es mittlerweile ganz gut, meine Kleinen sind noch voll in der «Ich kann es noch nicht einmal aussprechen»-Phase: Bis zu einem gewissen Alter scheint es Kindern nahezu unmöglich zu sein, Verantwortung für den Mist zu übernehmen, den Kinder nun einmal ab und an machen. Dinge kaputt hauen, sich bis zum Boden der Packung mit der Schokocreme zu beschäftigen, gemein zu anderen sein – selbst auf die scheinbar einfache Nachfrage, was genau das betreffende Kind getan hat, kommt meistens nichts.
Oder es war jemand anderes. Wenn man dem Freund eins überzieht, weil der einen Spielzeugdrachen einfach nicht rausrücken will, den man auch so dringend haben will, dann hat der vorher gekniffen oder sonst irgendetwas getan, von dem man weiss, dass es eben auch falsch ist. Bei Kindern hält man das aus. Das gehört irgendwie dazu.
Infantilisierte Erwachsene
Wenn nach Kant Aufklärung «der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit» ist, dann beginnt irgendwo in der Kindheit und Jugend der allmähliche Ausgang aus der unverschuldeten Verantwortungslosigkeit. Es ist also die Aufgabe von Eltern, Kindern zur Freiheit der möglichen Verantwortungsübernahme zu verhelfen. Das Problem ist nur, dass insbesondere zu Pandemiezeiten sich anscheinend immer mehr Erwachsene infantilisieren und einen verantwortlichen Umgang mit der Realität verweigern. Und um die Sache noch komplizierter zu machen, ist der unbegründete Vorwurf, Menschen mit einer anderen Meinung würden sich «wie Kinder benehmen» Teil dieses infantilen Verhaltens.
Andere Menschen sind aber nicht etwa kindisch, weil sie eine andere Auffassung haben, Coronamassnahmen kritisieren oder befürworten oder einen unterschiedlichen Schwerpunkt auf Gesundheit oder Freiheit legen. Sie sind infantil, wenn sie Verantwortung ablehnen. Zum Beispiel, wenn sie sich einen Davidstern basteln, in dessen Mitte sie ernsthaft «Ungeimpfte» schreiben und sich von der Coronapolitik der Regierung «wie die Juden damals» verfolgt fühlen. Oder wenn sie in lichtdurchfluteten Altbauwohnungen zynische kleine Videoclips drehen, bei denen sie in Tüten pusten, um Coronamassnahmen zu kritisieren. Und damit «ein Gespräch anstossen wollen», das seit Monaten in Gang ist.
Inhaltsleer und selbstgefällig
Infantil ist eben auch, wenn man so sehr um sich und die eigenen Befindlichkeiten kreist, dass einem gar nicht weiter auffällt, was alles bereits schon debattiert wird. Dann ist der eigene Beitrag immer der wichtigste. Derjenige, der unbedingt noch gefehlt hat. Egal, wie inhaltsleer und selbstgefällig er wirkt.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Letztendlich ist die Coronakrise auch eine Krise der Verantwortung: Menschen, die sich in politische Verantwortung haben wählen lassen, «werben» um Vertrauen und möchten es sich «schenken» lassen, anstatt in Verantwortlichkeit vertrauensbildend zu handeln. Weil zu viele Menschen ihrer Verantwortung nicht gerecht werden und sich wie Kinder aufführen, haben Kinder immer weniger Zeit und Gelegenheit, sich wie Kinder zu benehmen. Wenn Erwachsene sich weigern erwachsen zu sein, werden Kinder dazu gezwungen, erwachsenenähnlich zu funktionieren. Das kann, nein das muss uns besser gelingen. Auch und gerade nach einem Jahr globaler Pandemie.
Fehler gefunden?Jetzt melden.