Papablog: Donald Duck ReloadedWer cancelt zeitgemässe Kinderbücher?
Warum Blogger Tschannen die Aufregung um die angepassten «Lustigen Taschenbücher» so gar nicht verstehen kann.
Ich bin kein Literaturexperte. Vielleicht ist das der Grund, weshalb ich die grau melierten Philologen nicht verstehe, die sich derzeit in Tageszeitungen und Magazinen über Sprechblasen von Donald Duck und Onkel Dagobert aufregen.
Was ist passiert? Egmont Ehapa Media, der Verlag der «Lustigen Taschenbücher» im deutschsprachigen Raum, passte Texte älterer Comics dem veränderten Sprachgebrauch an. Verschwunden sind problematische Fremdbezeichnungen indigener Völker, aber auch ein paar körperliche und religiöse Anspielungen.
Man könne doch die Werke grosser Künstlerinnen und Künstler nicht einfach so abändern, so die besorgten Herren in ihren Meinungsartikeln. Die grosse Künstlerin ist hier Erika Fuchs, langjährige Übersetzerin von Disney-Comics. Ihre Texte scheinen genauso unantastbar wie die von Astrid Lindgren, als Stimmen lauter wurden, dass das von ihr verwendete N-Wort eventuell vielleicht … naja … nicht mehr ganz zeitgemäss … «Finger weg von ASTRID LINDGREN!», hiess es damals.
Bis der Verlag die Anpassung einfach umsetzte. Egmont Ehapa wird nun «vorauseilende Political Correctness» vorgeworfen. Als wäre es etwas Schlimmes, anderen Menschen gegenüber korrekt zu sein.
Wo steckt die Sprachpolizei?
Hans Jürg Zinsli schreibt in dieser Zeitung, zu der auch der Mamablog gehört, von einer Sprachpolizei und Achim Hölter vermutet im «Standard», dass wohl Druck zum Verlagsentscheid geführt habe. Aber welche Sprachpolizei und welcher Druck? Druck von einer mächtigen Institution? Mir wäre keine bekannt. Druck von der Masse der Bevölkerung? Wenn dem so wäre, ist es vielleicht einfach Zeit, auf einen längst stattgefundenen Sprachwandel zu reagieren.
Vermutlich möchte Egmont Ehapa ganz einfach auch künftig Bücher und Hefte verkaufen. Zum Beispiel an Eltern von siebenjährigen Kindern wie mich. Der Brecht liest jetzt auch «Lustige Taschenbücher». Wenn ich weitere Bände kaufe, achte ich auf Inhalte und Sprache. Sprechblasen mit geschichtsverharmlosender Kolonialromantik treiben meine Kreditkarte nicht ins Lesegerät.
Die Gebrüder Grimm passten ihre Märchen noch zu Lebzeiten selbst an den veränderten Sprachgebrauch an.
Kein Verlag und keine Sprachpolizei verbrennt jetzt die Erstausgaben in den Sammlungen der nostalgischen Philologen. Aber es gibt einen Unterschied zwischen dem historischen Werk im Literaturarchiv und Büchern, die man auch nach 60 Jahren immer noch verkaufen möchte. Nicht als Zeitzeugnis, sondern als unterhaltsame Geschichten – an Kinder, die gesellschaftlich und sprachlich drei Generationen später leben.
Anpassung belebt die Klassiker
Die punktuelle Anpassung eines Kinderbuchtextes nach über einem halben Jahrhundert ist schlicht keine kulturhistorische Katastrophe. Im Gegenteil: Sie ist sinnvoll, um Klassiker am Leben zu erhalten. Vor allem aber sind solche Anpassungen kein Verrat an den ursprünglichen Autorinnen und Autoren. Die Gebrüder Grimm passten ihre Märchen noch zu Lebzeiten selbst an den veränderten Sprachgebrauch an. Vermutlich erfreute sich kein noch lebender Philologe als Kind an den handgeschriebenen Urversionen von Dornröschen.
Sicher kann man über Anpassungen beliebter Geschichten im Detail diskutieren – idealerweise gemeinsam mit Betroffenen. Sich reaktiv gegen den Sprachwandel zu stellen, wirkt hingegen wie eine Sprachpolizei, die zeitgemässe Kinderbücher verbieten will.
Aber bitte: Betrachten Sie meine Aufregung hier ebenfalls kritisch. Auch ich gehöre inzwischen zur Gruppe der melierten älteren Herren. Ei der Daus, beim grauen Barte des Tschannen!
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