Mehr als PalmölWelche Schweizer Branchen vom Handel mit Indonesien profitieren
Das Freihandelsabkommen mit Indonesien bringt vor allem jenen Unternehmen Vorteile, die dort schon präsent sind: Maschinenindustrie, Chemie und Pharma. Die Abkommensgegner fürchten dagegen Nachteile für Indonesien.
In der Kampagne gegen das Freihandelsabkommen dominiert das Thema Palmöl. Dessen Anbau ist umstritten. Doch der überwiegende Teil des in der Schweiz verwendeten Palmöls stammt gar nicht aus Indonesien. Die Schweiz importiert vor allem Edelsteine und Gold, und im Export dominiert die Maschinenindustrie. (Lesen Sie hier den Überblick zur Abstimmungsvorlage.)
Dazu gehört die Sandmaster AG. Deren Chef Erwin Spichtig ist gerade in Indonesien. In der Nähe der Hauptstadt Jakarta beschäftigt die Zofinger Firma 25 Mitarbeiter. Vor zehn Jahren hat Spichtig hier eine Tochterfirma gegründet. Sandmaster baut Sandstrahlmaschinen, von einfachen Tischmodellen bis zu hoch spezialisierten und automatisierten Maschinen für mehrere Hunderttausend Franken, die zum Beispiel in der Medizintechnik eingesetzt werden. Sieben von zehn Maschinen gehen in den Export.
Neben dem Wegfall der Zölle rechnet Spichtig damit, dass die Formalitäten bei der Ein- und Ausfuhr von Teilen einfacher wird. Mit dem Freihandelsabkommen werde seine Firma weltweit konkurrenzfähiger. «Das sichert Arbeitsplätze, in Zofingen und in Jakarta», sagt Spichtig.
«Mehr als Palmöl»
Die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie ist eine der wichtigsten Branchen im Handel mit Indonesien. 2019 exportierte sie Waren im Wert von 192 Millionen Franken nach Südostasien. Stefan Brupbacher, der Direktor des Branchenverbandes Swissmem, ist denn auch voll des Lobes für das Land. «Indonesien ist viel mehr als Palmöl», findet er, «es ist ein riesiger Wachstumsmarkt und für die Schweizer Wirtschaft ein weiteres Tor zu Asien.» Neben ländlichen Regionen gebe es grosse Städte und eine junge Bevölkerung, die in den Mittelstand aufsteigen wolle. «Freihandel bringt Jobs und Aufstiegschancen und hilft damit, das Land friedlich weiterzuentwickeln», sagt Brupbacher. Experten von PricewaterhouseCoopers schätzten 2017, dass Indonesien bis 2050 zur weltweit viertgrössten Volkswirtschaft aufsteigen wird (hier geht es zum Bericht von PWC).
Unternehmer Spichtig findet in Indonesien junge Mechaniker mit einer guten Grundausbildung. «Wir bilden sie dann bei uns weiter aus», sagt er. Wer sich engagiert, steigt zum Projektleiter auf. Schweizer Firmen hätten in Indonesien einen guten Ruf. «Wir bieten gute Arbeitsbedingungen und Know-how, das es sonst nirgends gibt», sagt Spichtig. «Bei uns können junge Indonesier weiterkommen.» Im Land wachse eine Mittelschicht mit gut ausgebildeten Menschen, es werde gebaut und konsumiert. «Das Land hat ein stabiles Wachstum vor sich.»
Kritik an Waffenexporten
Doch zu den wichtigen Exportgütern gehören auch Waffen. Julia Küng, Co-Präsidentin der Jungen Grünen und Sprecherin des Referendumskomitees, sind diese Ausfuhren ein Dorn im Auge. 2019 lag das Volumen der Waffenexporte bei 2,5 Millionen Franken, im letzten Jahr waren es dann plötzlich 111 Millionen Franken. Gemäss der «Wochenzeitung» (WOZ) handelt es sich dabei vor allem um Flugabwehreinheiten des Herstellers Rheinmetall Air Defense AG (früher Oerlikon Contraves). Stefan Brupbacher kontert die Kritik: «Das Komitee liegt falsch und will Indonesien bevormunden.» Verteidigungsgüter seien bereits heute meist zollbefreit. Selbst Gegner des Freihandelsabkommens geben zu: An der Verzollung von Waffen ändere das Abkommen nichts.
«Indonesien ist ein dynamischer Markt, der jedes Jahr um rund fünf Prozent wächst.»
Neben der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie exportieren vor allem die Chemie- und Pharmahersteller nach Indonesien. Letztere standen bei den Freihandelsverhandlungen auch schon auf der Bremse wegen Sorge um den ungenügenden Schutz des geistigen Eigentums, also von Patenten. Mittlerweile ist die Pharmabranche von ihren Bedenken abgerückt und unterstützt das Freihandelsabkommen. René Buholzer, der Direktor von Interpharma, sagt, der Schutz des geistigen Eigentums in Indonesien entspreche mehr oder weniger internationalen Standards. Zudem werde der Schutz in gewissen Bereichen erhöht, auch die Rechtssicherheit für exportierende Unternehmen nehme zu.
Standortvorteil gegenüber der EU und den USA
«Aber vor allem ist Indonesien ein dynamischer Markt, der jedes Jahr um rund fünf Prozent wächst», sagt Buholzer, und ein wachsender Markt bringe mehr Nachfrage, auch für qualitativ hochstehende Medikamente aus der Schweiz. Das Abkommen bringe der Schweiz einen Standortvorteil gegenüber der EU, dem Vereinigten Königreich und den USA, weil auf Schweizer Exporten keine Zölle mehr anfielen.
Abkommensgegnerin Julia Küng befürchtet dagegen, dass der Patentschutz für die Pharmaindustrie zu höheren Medikamentenpreisen führe. Pharmavertreter René Buholzer widerspricht: «Ich gehe tendenziell davon aus, dass die Preise für hochwertige Schweizer Medikamente eher sinken, weil Zölle und weitere Handelshemmnisse wegfallen.»
«Wirtschaftliche Zusammenarbeit ist wichtig, aber nicht auf Kosten der Schwachen.»
Küng findet, Indonesien betreibe einen Ausverkauf des eigenen Landes. «Das Freihandelsabkommen ist nicht im Sinne der Menschen und der Natur in Indonesien.» Dass die Sandmaster AG schon jetzt in Jakarta eine Fabrik betreibe, zeige, dass es das Abkommen gar nicht brauche. «Wirtschaftliche Zusammenarbeit ist wichtig, aber nicht auf Kosten der Schwachen», sagt sie.
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