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Interview zu Firmen­weihnachtsfeiern
«Ein gemeinsames Betrinken ist nicht mehr zeitgemäss»

Low angle view of large group of happy colleagues using sparklers on Christmas party.
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Auch wenn in mehreren Branchen der Kostendruck grösser wird und Stellen abgebaut werden: Firmenweihnachtsfeiern haben in der Schweiz weiterhin einen hohen Stellenwert. Arbeitspsychologe Michael Burtscher rät, auch bei hohem Spardruck nicht darauf zu verzichten, denn solche Veranstaltungen hätten einen hohen Symbolwert und würden die Teambeziehungen stärken.

Herr Burtscher, sollte eine Firma auf die Weihnachtsfeier verzichten, wenn sie sparen und Kündigungen aussprechen muss?

Nein, eine komplette Absage hätte negative Effekte auf die Mitarbeitenden. Sie denken: «Wie schlecht muss es unserer Firma gehen, wenn sie sogar die Weihnachtsfeier absagen?» Die Firma muss gut überlegen, was sie durch das Streichen der Weihnachtsfeier signalisiert – sowohl gegenüber den eigenen Mitarbeitenden als auch in der Öffentlichkeit. Bei der Weihnachtsfeier sollten Firmen nicht als Erstes sparen. Denn die Kosten für die Weihnachtsfeier sind gering im Vergleich mit den gesamten Personalausgaben.

Wie meinen Sie das?

Der Symbolcharakter ist viel wichtiger als die finanziellen Aspekte. Fällt eine Feier kleiner aus als gewohnt, sollten die Chefinnen und Chefs dies erklären. Denn im Zweifel gilt: Lieber eine kleinere Feier als überhaupt keine.

Michael Burtscher ist Arbeits­psychologe am Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW. Seine Arbeits- und Forschungs­schwerpunkte sind unter anderem Teamwork, Leadership und Stress am Arbeitsplatz.

Alkohol ist fast vollständig aus dem Arbeitskontext verschwunden. An den Firmenfeiern nicht, warum?

Man sollte auch nicht alkoholische Getränke anbieten, um alle Angestellten abzuholen. Zu starker Alkoholkonsum wird klar negativ empfunden. Ein, zwei Gläser Prosecco oder Wein ist kein Problem, aber ein gemeinsames Betrinken ist nicht mehr zeitgemäss.

Heute wird viel von Work-Life-Balance gesprochen, die Arbeit hat nicht mehr den gleichen Stellenwert wie früher. Können Teamanlässe wie Weihnachtsfeiern helfen, die intrinsische Motivation zu steigern?

Intrinsisch motiviert sind Menschen, wenn sie ihre Arbeit an sich gerne machen. Externe Faktoren wie Geld oder ein schickes Büro spielen da keine Rolle. Daher hat auch ein gemeinsamer Teamanlass keinen Einfluss. Jedoch beeinflusst er die sozialen Beziehungen. Man unterhält sich plötzlich mit jemandem, mit dem man sonst nur über Bürothemen redet, und realisiert: «Aha, auch der Controller, dem ich sonst nur die Zahlen rapportieren muss, interessiert sich für Filme.» Solche Gespräche bilden eine gute Basis für die gemeinsame Zusammenarbeit. Wenn man auch private Seiten von Arbeitskollegen kennt, kann dies das gegenseitige Verständnis und die Zufriedenheit steigern, die intrinsische Motivation hingegen nicht.

Stimmt es, dass die Stimmung in vielen Firmen weniger lustig ist als früher, oder handelt es sich um einen subjektiven Eindruck?

Dass es in Schweizer Firmen heute weniger lustig ist als früher, kann ich aufgrund meiner Erfahrungen und unserer Daten nicht bestätigen. Generell hat die Bedeutung der Erwerbsarbeit in den letzten zehn Jahren abgenommen, während hingegen die Freizeit wichtiger geworden ist – gerade bei der jüngeren Generation. Ausserdem arbeiten die Menschen seit der Pandemie häufiger im Homeoffice. Deshalb gibt es weniger Gelegenheiten für sozialen Austausch – vor allem an Büroarbeitsplätzen.

Hinzu kommt, dass der Effizienzdruck in vielen Branchen gestiegen ist. Könnte das ein Grund sein, warum es weniger Zeit für einen Witz oder ein kurzes persönliches Gespräch mit den Arbeitskollegen gibt als früher?

Beispielsweise in der Gesundheitsbranche, wo ich häufig Projekte mit Spitälern durchführe, ist das Personal zunehmend mit Verwaltungs- und Reportingaufgaben beschäftigt. Die Fachleute haben nicht nur weniger Zeit für die Patienten, sondern es kommt irgendwann wohl auch das Zwischenmenschliche mit den Arbeitskollegen zu kurz.

Was ist aus Sicht der Wissenschaft eine gute Weihnachtsfeier?

Allgemein kann man gemeinsame Feiern, Ausflüge und Retraiten unter dem Begriff «Team-Building» zusammenfassen. Ihr Zweck ist es, das Soziale, also die Beziehungen zwischen den Mitarbeitenden auf der persönlichen Ebene, zu verbessern. In meinen Vorlesungen jedenfalls habe ich bisher noch nie spezifisch über Weihnachtsfeiern gesprochen. Es gibt jedoch eine Studie des Arbeitspsychologen Hannes Zacher spezifisch zu Weihnachtsfeiern. Sie listet Punkte auf, die für eine gelungene Feier wesentlich sind.

Nämlich?

Sie muss mit den Firmenwerten übereinstimmen. Ein nüchternes Unternehmen sollte sich an der Weihnachtsfeier nicht als unglaublich hip und fröhlich geben à la «Wir machen jetzt mal einen auf modern».

Und sonst?

Gut sind auch lustige Aktivitäten, die den Abend auflockern – vielleicht ein Quiz oder eine Verlosung. Sie sollten jedoch freiwillig sein, denn es kann schnell des Guten zu viel sein. Und eine Rede vom Chef oder von der Chefin hat – überraschenderweise – einen positiven Effekt.