Gespräche mit Keller-SutterSelenski wird zum WEF in Davos erwartet – und eher nicht in Bern
Der ukrainische Präsident kündigt ein Treffen mit Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter an. Sein Empfang in der Schweiz dürfte bescheidener ausfallen als im Vorjahr.

- Selenski plant Mitte Januar einen möglichen Besuch des WEF in Davos.
- Dort soll ein Treffen mit Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter stattfinden.
- Im Vorjahr stattete Selenski vor seinem WEF-Auftritt auch dem Bundeshaus einen Besuch ab.
- Mit einer neuerlichen Friedenskonferenz wie auf dem Bürgenstock wird in Bundesbern nicht gerechnet.
Kommt er? Oder kommt er nicht? Das ist immer die grosse Frage, bevor Wolodimir Selenski Kiew verlässt (oder eben nicht verlässt). Aus Sicherheitsgründen hält die Ukraine möglichst lange geheim, wohin ihr Präsident reist.
Doch nun verdichten sich die Anzeichen, dass Selenski in der zweiten Januarhälfte die Schweiz besucht. Der Präsident selbst hat diese Erwartungen geweckt, indem er in der Nacht auf Mittwoch «ein persönliches Treffen» mit Karin Keller-Sutter «in naher Zukunft» ankündigte. Zuvor hatten sich die beiden telefonisch ausgetauscht. Selenski hatte der freisinnigen St. Gallerin zur Übernahme des Amts als Bundespräsidentin gratuliert und sich für die Schweizer Ukraine-Unterstützung bedankt.
Gemäss mehreren Quellen ist eine Zusammenkunft am Weltwirtschaftsforum in Davos naheliegend, das am 20. Januar beginnt. Gleichzeitig wird betont, dass sich solche Pläne schnell ändern können, zumal die Ukraine trotz einer Gegenoffensive auf russischem Gebiet militärisch stark unter Druck steht.
Die WEF-Organisatoren rechnen damit, dass Selenski eher gegen Ende des Forums in die Schweiz kommt. Offiziell bestätigt dies aber niemand. Die Veranstaltung dauert bis zum 24. Januar. Am Tag des Auftakts in Davos findet in Washington die Einsetzung von US-Präsident Donald Trump statt. Selenski hat öffentlich kundgetan, dass er gern bei der Feier dabei wäre, sofern er eingeladen werde.
Cassis, Amherd und Jans empfingen Selenski
Auch im vergangenen Jahr war Selenskis Besuch am WEF lange Zeit ein gut gehütetes Geheimnis. Erst eine Woche vor Beginn zeigte eine Recherche dieser Redaktion, dass Selenski eine Reise in die Schweiz plante. Damals machte der ukrainische Präsident am Tag vor seinem Auftritt in Davos auch einen Halt im Berner Vorort Kehrsatz. Auf dem Landsitz Lohn empfingen ihn Bundespräsidentin Viola Amherd, Aussenminister Ignazio Cassis und Justizminister Beat Jans. Im Anschluss fand ein Treffen mit den Spitzen der Schweizer Parteien im Bundeshaus statt, dem die Vertreter der SVP fernblieben.
Dem Vernehmen nach läuft es dieses Jahr nicht auf einen ähnlich feierlichen Empfang in Bern hinaus wie damals. Vielmehr dürfte sich Selenskis Schweiz-Reise – sofern sie stattfindet – auf Davos beschränken. Dies stünde im Kontrast zum letztjährigen Besuch, auch wenn der ukrainische Präsident am WEF erneut viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen dürfte. In Davos könnte er auch mehrere Schweizer Regierungsmitglieder treffen. Der Bundesrat wird allenfalls sogar vollständig vertreten sein.

Vor Jahresfrist gab Amherd nach dem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten bekannt, dass die Schweiz auf Bitten der Ukraine in naher Zukunft eine hochrangige Friedenskonferenz ausrichten werde. Dies war der Grundstein für die Bürgenstock-Konferenz, die im Juni 2024 stattfand. Drei Tage vor der Konferenz stattete der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk dem Bundeshaus einen Kurzbesuch ab. Dieses Treffen ist heute vor allem deshalb in Erinnerung, weil sich SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi während des Fotoshootings im Bundeshaus eine Rangelei mit der Bundespolizei lieferte.
Aus SVP-Kreisen wurde im vergangenen Jahr der – bestrittene – Vorwurf laut, dass Bundespräsidentin Amherd und auch Aussenminister Cassis sich von Selenski und den Ukrainern vereinnahmen liessen und damit die Schweizer Neutralität missachteten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie enge Beziehungen Amherds Nachfolgerin Karin Keller-Sutter mit dem ukrainischen Präsidenten pflegen will.
Warten auf Donald Trump
Seit dem Bürgenstock fanden drei Folgekonferenzen statt: eine virtuelle zum Thema Ernährungssicherheit, eine in Paris zur nuklearen Sicherheit und eine Ende Oktober in Montreal zu humanitären Aspekten. Besprochen wurden in Kanada im Beisein von Cassis und Botschafter Gabriel Lüchinger der Austausch von Kriegsgefangenen und die Rückkehr deportierter Kinder und politischer Häftlinge in die Ukraine.
Nicht als Hauptthema traktandiert war der zentrale Aspekt: Frieden. Alle Seiten wissen: Verhandlungen über einen Waffenstillstand ergeben nur Sinn, wenn auch Russland oder zumindest russlandfreundliche Staaten teilnehmen. Donald Trump hat verkündet, dass er den Krieg in der Ukraine schnell beenden werde. Auch in Bern will man nun zuerst abwarten, ob Trump neue Bewegung in den Friedensprozess bringt, bevor Initiativen weitergeführt werden.

Die Schweiz hat im vergangenen Herbst eine Friedensinitiative von China und Brasilien zur Ukraine unterstützt. Sie tat dies, obwohl in diesem Papier ein Verweis auf die UNO-Charta fehlte und die territoriale Integrität der Ukraine nicht erwähnt wurde. Dies löste vor allem in der Ukraine Kritik aus. Felix Baumann, der Schweizer Botschafter in Kiew, betonte daraufhin in einem Interview, dass sein Land nur als Beobachter teilgenommen und kein Communiqué unterschrieben habe.
Vom Putin-Regime, das die Eidgenossenschaft nach dem Überfall auf die Ukraine 2022 als nicht mehr neutral erklärt hatte, wird die Schweiz wieder mehr geschätzt. Russland hat vor der Jahreswende – wie die Ukraine – die Schweizer Kandidatur für das Präsidium der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) unterstützt. So kann die Schweiz 2026 eine der wenigen Organisationen führen, in denen die beiden verfeindeten Staaten noch gemeinsam vertreten sind.
In einer früheren Version stand fälschlicherweise, Gabriel Lüchinger sei Staatssekretär. Korrekt ist, dass er als Botschafter Chef Internationale Sicherheit im Staatsekretariat des Schweizer Aussendeparements ist.
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