Corona-Medienkonferenz im LivetickerBAG-Chefin: «Wir übernehmen keine Verantwortung für das Datenleck»
Die Fallzahlen steigen, und ein Datendebakel beim elektronischen Impfbüchlein beschädigt das Vertrauen. Exponenten von BAG und Taskforce äussern sich zur aktuellen Corona-Lage. Der Live-Ticker zum Nachlesen.
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Das Wichtigste in Kürze:
Die Impfkampagne zeigt Wirkung. Der Anteil der über 80-Jährigen in den Spitälern sinkt laut BAG markant.
Ein gravierendes Datenleck beim elektronischen Impfbüchlein Meineimpfungen.ch sorgt derzeit für Aufruhr.
Auf Intervention des Datenschützers wurde die Plattform am Dienstag vom Netz genommen, ein Verfahren wurde eingeleitet.
Das BAG distanziert sich von der privaten Stiftung, die Meineimpfungen.ch betreibt und die mit Bundesgeldern unterstützt wurde.
Um die Rollen zu trennen, tritt BAG-Vertreterin Virginie Masserey aus dem Stiftungsrat zurück.
Zusammenfassung
In der Schweiz soll es bis im Sommer ein einheitliches, international anerkanntes Impfzertifikat geben. Das BAG weist jegliche Verantwortung für das Datenleck bei der Impf-Plattform meineimpfungen.ch zurück. Derweil ist die Zahl der Ansteckungen wieder auf über 2000 Fälle gestiegen.
Die Plattform meineimpfungen.ch müsse deaktiviert bleiben, bis die Sicherheitsmängel behoben seien, sagte BAG-Direktorin Anne Lévy am Mittwoch vor den Medien in Bern. Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle beim BAG, will aus dem Stiftungsrat der Plattform zurücktreten, «damit es eine klare Trennung zwischen BAG und Stiftung gibt», wie sie betonte. Das BAG subventioniert die Stiftung mit.
Es sei noch zu früh für eine Beurteilung, ob das BAG die Zusammenarbeit mit der Stiftung weiterführen werde, sagte Lévy weiter. Die Stiftung müsse nun zuerst ihre Hausaufgaben machen. Die Lecks seien beunruhigend und inakzeptabel. Eine Verantwortung für das Datenleck übernehme das BAG aber nicht.
Am Dienstag war bekannt geworden, dass die 450'000 Impfdaten auf meineimpfungen.ch, darunter 240'000 von Covid-19-Geimpften, manipulierbar waren. In der Folge wurden das BAG und der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (Edöb) aktiv. Die Plattform wurde deaktiviert und ein Verfahren gegen die Betreiber eingeleitet.
Die Stiftung für Konsumentenschutz rief Nutzerinnen und Nutzer auf, ihre Daten von der Plattform meineimpfungen.ch löschen zu lassen. Die Betreiber der Plattform hätten jegliches Vertrauen verspielt. Für eine neue Lösung schlug Digitalswitzerland einen Hackaton vor.
Zertifikat soll das Reisen erleichtern
Mit dem bis im Sommer angestrebten Impfzertifikat habe meineimpfungen.ch nichts zu tun, betonte Lévy. Im Zentrum des Zertifikates stehe das Erleichtern des Reisens. Weitere Privilegien für Geimpfte müssten politisch diskutiert und entschieden werden.
Der Impfausweis soll vorerst nur die Impfung ausweisen, nicht aber die Tests oder eine durchgemachte Krankheit mit dem Coronavirus. «Wir wollen ein fälschungssicheres und international anerkanntes Impfzertifikat ausstellen können», sagte Lévy. Auf die EU warten will sie nicht.
Laut Masserey sind unterdessen 36 Prozent der vulnerablen Personen in der Schweiz gegen Covid-19 geimpft. Bei den älteren Menschen sei die Entwicklung gut. Die Zahl der Hospitalisierungen und Todesfälle nehme ab. Das sei ein klarer Effekt der Impfung.
Auch Taskforce-Präsident Martin Ackermann würdigte diesen Umstand, mahnte aber weiter zur Vorsicht. Er plädierte für weniger Tempo beim Öffnen, dafür mehr Tempo beim Impfen: «Dann können wir den Sommer freier geniessen.»
Es gebe noch viele Personen aus der Zielgruppe 1, die nicht geimpft seien. Diese Zahl müsse zuerst deutlich gesteigert werden. «Solange müssen wir noch Sorge tragen zu unserem Gesundheitssystem.» Die rückläufigen Hospitalisationen und Todesfälle bei älteren geimpften Personen würden eine künftige Überlastung der Spitäler noch nicht verhindern können.
Griechenland auf Quarantäneliste
Am Mittwoch erhielt das BAG erstmals seit dem 27. Januar wieder über 2000 laborbestätigte Ansteckungen mit dem Coronavirus in der Schweiz und in Liechtenstein innerhalb von 24 Stunden gemeldet. Neben den 2022 Infektionen registrierte das BAG 20 neue Todesfälle und 83 Spitaleinweisungen. Am Mittwoch vor einer Woche waren es 1858 neue Coronavirus-Ansteckungen, 16 neue Todesfälle und 72 Spitaleinweisungen gewesen.
Einen Dämpfer gab es am Mittwoch für alle, die die Osterferien in Griechenland verbringen möchten: ab 5. April muss in Quarantäne, wer von dort in die Schweiz zurückkehrt. Auf der neusten Liste des Bundes nicht mehr vertreten sind dafür namentlich die USA und Grossbritannien.
Auch mit den Massentests geht es laut dem BAG vorwärts. Inzwischen hätten 22 Kantone ein Konzept für Massentestungen eingereicht, in zwei Kantonen laufe das bereits gut. Das repetitive Testen soll künftig in Schulen, Unternehmen und Verwaltungen kostenlos möglich sein.
Point de Presse ist zu Ende
Die Medienkonferenz ist beendet. Vielen Dank für Ihr Interesse. In Kürze folgt hier eine Zusammenfassung.
Johnson & Johnson: Was lief schief?
Masserey: «Ich kann mich dazu nicht äussern. Es gab viele Impfstoffkandidaten. Wir haben mit den vielversprechendsten Kandidaten verhandelt, vor allem Hersteller von mRna-Vakzinen, und grosse Mengen eingekauft.»
Ist man nicht ein bisschen spät dran mit dem Zertifikat?
Schüpbach: «Uns fehlte bisher die gesetzliche Grundlage für ein Impfzertifikat. Und Impfstoffe fehlten auch. Es sind noch viele Fragen offen.»
Ist das BAG überfordert?
Lévy: «Jeden Tag tauchen neue Fragen auf im Zusammenhang mit der Pandemie. Es ist ein ‹learning by doing›, wir versuchen uns stetig zu verbessern.»
Führt das Impf-Durcheinander zu Glaubwürdigkeitsverlust? Dazu, dass sich weniger Leute impfen?
Lévy: «Ich traue der Bevölkerung zu, zwischen einem ‹Impfbüechli› und einem internationalen, fälschungssicheren Zertifikat zu unterscheiden. Wenn wir die Zahlen anschauen, wollen sich alle impfen lassen.»
Antigen-Schnelltest-Kapazitäten?
Gattoni: «Ich habe gerade keine genauen Zahlen. Aber wir haben mehrere Anbieter und es stehen grosse Mengen zur Verfügung.»
Wie gehen Sie weiter vor mit dem Zertifikat? Wie realistisch ist das Ziel Sommer?
Lévy: «Wir arbeiten unter anderem mit Privaten und dem zuständigen Bundesamt zusammen. Wir versuchen, von Anfang an möglichst alle an Bord zu haben, um eine Einführung im Sommer realisieren zu können.»
Lesen Sie unseren Kommentar zum Thema: So werden wir Gefangene im eigenen Land
Bestellung bei Johnson & Johnson?
Masserey: «Es ist nicht ausgeschlossen, dass es weitere Diskussionen geben wird. Sonst äussern wir uns nicht zu Gesprächen mit Impfstoffherstellern.»
Masserey tritt aus Vorstand der Stiftung meineimimpfung.ch zurück
Sie sei erst seit Januar im Vorstand der Stiftung, sagte Masserey. Und das lediglich als Expertin. «Ich werde mich aus dem Stiftungsrat zurückziehen, damit es eine klare Trennung zwischen BAG und Stiftung gibt.»
Verantwortung des BAG bei meineimpfungen.ch?
myCOVIDvac sei die einzige Verbindung des BAG zur Stiftung, sagte BAG-Direktorin Anne Lévy. «Es ist wahr, dass wir die Stiftung unterstützen. wie viele andere, dazu gehört auch die Ärztevereinigung FMH. Wir alle müssen schauen, wie es weiter geht. Eine Verantwortung für das Datenleck übernehmen wir aber nicht.»
Curevac, Novavac haben immer noch nicht die Zulassung beantragt. Wann rechnen Sie mit den Mitteln?
Lévy: «Das ist Gegenstand der morgigen Sitzung von Bund und Kantonen.»
Ist das BAG bei meineimpfungen.ch nicht auch in der Haftung?
Lévy: «Es ist eine private Stiftung, die wir mit Geldern finanziert haben.»
Wäre es nicht einfacher, ein nationales Impfregister zu haben?
Lévy: «Das wäre sogar einfacher, für den Flughafen oder das Grenzwachtkorps. Aber die Frage stellt sich nicht, weil wir dafür nicht die gesetzliche Grundlage haben.»
Impfzertifikat mithilfe von Privatwirtschaft und Hochschulen?
Lévy: «Wir möchten mit der Privatwirtschaft zusammenarbeiten, das Zertifikat soll nützlich sein, wir möchten die beste Lösung.» Auch arbeite man mit den Hochschulen zusammen.
Erst sprach man von meineimpfungen.ch, nun plötzlich von einem Impfzertifikat. Gab es einen Richtungswechsel?
Lévy: «Es hat da keinen Richtungswechsel gegeben. Sondern es sind zwei verschiedene Dinge. Man wollte das Impfbüechli elektronisch haben, das hat nichts zu tun mit einem fälschungssicheren und international anerkannten Covid-19-Zertifikat. »
Was können Sie zum Ablauf der Schnelltests in Apotheken sagen?
Lévy antwortet, es brauche einen Wechsel und eine Umstellung der Apotheken, damit das Testen praktikabel wird.
Fragerunde
Nun können die anwesenden Journalisten Fragen stellen.
Weniger Tempo beim Öffnen, mehr Tempo beim Impfen
Ackermann übernimmt das Wort.
Man habe verschiedene Szenarien von möglichen Auswirkungen verschiedener Pandemie-Massnahmen modelliert.
Dadurch sei deutlich geworden: «Die jetzigen Massnahmen können eine Überlastung der Spitäler nicht verhindern.»
«Die Zahlen zeigen, dass die Impfungen wirken. Solange wir die Zahl der Geimpften in der Schweiz nicht markant gesteigert haben, müssen wir weiterhin Sorge tragen um unser Gesundheitssystem.» Bei einer schnelleren Impfung würde sich die Situation auf den Intensivstationen stark verbessern.
Es sei bei den Szenarien darum gegangen, wann man mit den Massnahmen zurückfahren könne, ohne einen Anstieg der Fallzahlen zu riskieren. «Die Modellierungen zeigen: Weniger Tempo beim Öffnen, aber mehr Tempo beim Impfen.» So könne man den Sommer unbeschwert geniessen.
Testoffensive
Laut Lévy ist kein Engpass beim Testmaterial zu erwarten. Es gebe ausreichend Tests auf dem Markt. Die Selbsttests sollen «in ein paar Wochen vorliegen».
Momentan bearbeite die Schweizer Heilmittelbehörde Swissmedic eine Ausnahmebewilligung für solche Selbsttests, die künftig jeder kostenlos in Apotheken soll beziehen können. Die Apotheken müssten sich noch «darauf einstellen», sagte Lévy.
Auch mit den Massentests geht es laut dem BAG vorwärts. Inzwischen hätten 22 Kantone ein Konzept für Massentestungen eingereicht, in zwei Kantonen laufe das bereits gut. Das repetitive Testen soll künftig in Schulen, Unternehmen und Verwaltungen kostenlos möglich sein. «Das heisst, wir können die Menschen auch dann testen, wenn kein erhöhtes Übertragungsrisiko vorhanden ist», sagte Lévy.
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