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Meinung

Kommentar zu bezahlten Politikern
Was die Briten als Korruption verdammen, heisst bei uns Milizsystem

Rief einen Sturm der Entrüstung hervor: Grossbritanniens Premier Boris Johnson.
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Es ist nicht sicher, ob Boris Johnson das politisch überlebt: Vor knapp zwei Wochen stellte sich Grossbritanniens Premierminister schützend vor einen der Korruption verdächtigten Parteikollegen. Er rief damit in Bevölkerung und Parlament einen Sturm der Entrüstung hervor – und brachte auch seine eigene konservative Partei gegen sich auf.

Der Skandal kam ins Rollen, nachdem Johnson konservative Abgeordnete dazu aufgerufen hatte, gegen die dreissigtägige Suspendierung von Owen Paterson zu stimmen – entgegen der Empfehlung eines unabhängigen Ausschusses.

Bezahltes Lobbying ist in Grossbritannien untersagt

Paterson, ein früherer Minister, hatte gegen parlamentarische Regeln verstossen, indem er sich von zwei Unternehmen für Beratungstätigkeiten bezahlen liess, um sich für diese Firmen heimlich als Lobbyist zu betätigen.

Und zwar setzte er sich bei der Aufsichtsbehörde für Nahrungssicherheit und dem Entwicklungshilfeministerium für die beiden Unternehmen ein. Diese hatten ihm zuvor umgerechnet 626’000 Franken bezahlt. In Grossbritannien sind solche bezahlten Lobbydienste von Politikern seit Jahrzehnten untersagt.

Ein guter Teil unserer National- und Ständeräte handelt mehr oder weniger unverblümt als Interessenvertreter.

Interessanterweise hinterfragte bisher in der Schweiz niemand die Schreckensmeldungen aus London. Denn was im britischen Parlament verboten ist, wird hierzulande munter gepflegt. Ein guter Teil unserer National- und Ständeräte handelt mehr oder weniger unverblümt als Interessenvertreter von Unternehmen und Verbänden.

Anhänger des Milizsystems – also des Prinzips, dass Parlamentarier ihr Amt nur nebenamtlich ausüben – mögen einwenden, diese enge Verbandelung von Wirtschaft und Politik sei beabsichtigt. Doch sie irren. Denn der ursprüngliche Zweck des Milizsystems war, Bürgernähe zu schaffen. Und man wollte vermeiden, dass Berufspolitiker weltfremde Entscheide treffen, die von der Lebensrealität ihrer Wähler abgehoben sind.

Eine Pervertierung des Milizsystems

Doch von einem Milizparlament kann in der Schweiz schon lange keine Rede mehr sein. Die Mehrheit der National- und Ständeräte wendet heute so viel Zeit für ihre Ämter auf, dass sie als Berufspolitiker bezeichnet werden müssen.

Im Gegenzug schanzen sich viele von ihnen üppig bezahlte Lobbymandate zu. Das geht etwa so: Eine Nationalrätin, die noch nie im Gesundheitswesen gearbeitet hat, wird kurz nach ihrer Wahl in die Gesundheitskommission in den Verwaltungsrat einer Krankenkasse gewählt. Oder ein Ständerat, der mit dem Finanzsektor bisher nichts am Hut hatte, erhält kurz nach seiner Wahl in die Wirtschaftskommission ein lukratives Mandat einer Bank.

Das ist eine Pervertierung des Milizsystems. In anderen Ländern sähe man dadurch die Unabhängigkeit der Parlamentarier gefährdet. In der Schweiz wird das diskussionslos hingenommen.

Andere Länder machen vor, wie es gehen könnte

Dass es auch anders geht, zeigen Deutschland oder Grossbritannien. In beiden Ländern ist es den Parlamentariern gestattet, neben ihrem politischen Amt weiterhin ihren Beruf auszuüben. Streng verboten ist dagegen, bezahlte Lobbymandate anzunehmen.

Auch diese Parlamente sind also nicht reine Berufsparlamente, sondern – wie in der Schweiz – eine Mischung zwischen Teilzeit- und Berufsparlament.

Doch wenn bezahltes Lobbying ruchbar wird, löst das dort einen Skandal aus. Bei uns bestenfalls Schulterzucken.