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Schlafprobleme nach Zeitumstellung
Warum der Wechsel unsere innere Uhr stören kann

Junge Morgenmuffel: Spätestens in der Pubertät erwacht das «Eulen-Gen» – die frühen Schulzeiten in der Schweiz sind deshalb für viele Jugendliche ein Nachteil.
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Um das Tageslicht besser zu nutzen und damit Energie zu sparen, führte Europa 1977 die Sommerzeit ein. Die Schweiz zog vier Jahre später nach. Seither wird immer wieder eifrig darüber gestritten, wie sinnvoll das Ganze ist.

Denn viele Menschen klagen, die Zeitumstellung bringe ihren Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinander und bereite ihnen Ein- und Durchschlafprobleme. Tatsächlich bestimmt unsere innere Uhr, von Fachleuten auch «circadianer Rhythmus» genannt, wann es Zeit ist zum Aufstehen und zum Schlafengehen. Dabei spielt die Ausschüttung bestimmter Hormone ebenso eine Rolle wie der Chronotyp. 

Wie man den Chronotyp bestimmt

«Der Chronotyp wird durch das Timing der Schlaf-Wach-Zeiten einer Person an Werktagen sowie an freien Tagen definiert», erklärt Christian Cajochen, Schlafforscher an der Universität Basel. «Dieses Timing wird durch Faktoren wie Geschlecht, Alter, genetische Ausstattung der inneren Uhr sowie Arbeits- oder Schulzeiten bestimmt. Ebenfalls eine Rolle spielt die Lichtexposition – also, wie viel Licht man während 24 Stunden ausgesetzt ist.»

Christian Cajochen (57) ist Schlafforscher; er leitet das Zentrum für Chronobiologie an den Universitären Psychiatrischen Kliniken der Universität Basel.

Grundsätzlich gibt es Lerchen (Morgenmenschen) und Eulen (Nachtmenschen). Cajochen: «So wie die meisten Männer eine Schuhgrösse zwischen 40 und 44 haben, sind die meisten Menschen Normaltypen und gehen ungefähr zwischen 23 Uhr und Mitternacht zu Bett und stehen sieben bis neun Stunden später wieder auf.» Extreme Früh- und Abendtypen seien seltener und machten je rund fünf Prozent aus.

Wer wissen möchte, zu welcher Gruppe er oder sie gehört, kann zum Beispiel online den «Munich Chronotype Questionnaire» ausfüllen, den es in vielen Sprachen gibt. Entwickelt wurde er von Professor Till Roenneberg von der Ludwig-Maximilian-Universität in München, der eine sehr grosse chronobiologische Datenbank aufgebaut hat. «Dieser Test», erklärt Schlafforscher Cajochen, «bestimmt im Wesentlichen das Timing des Schlafmittelpunkts an Werk- und an Freitagen und errechnet daraus den Chronotyp.» 

Wider die Natur

Viele Kinder und vor allem Jugendliche sind unfreiwillige Frühaufsteher, werden doch ihre Schlaf-Wach-Zeiten in der Regel von den Eltern oder der Schule bestimmt. Spätestens aber in der Pubertät erwacht dann das «Eulen-Gen» endgültig: Nachdem die Mädchen die Periode und die Buben den Stimmbruch bekommen haben, weckt sie ihre innere Uhr jedes Jahr rund 20 Minuten später. Sind die jungen Frauen schliesslich 19 und die Männer 21 Jahre alt, haben sie ihren endgültigen inneren Rhythmus gefunden.

«Diese Verspätung, die von biologischen Faktoren ausgelöst wird, die wir noch nicht kennen, bereitet besonders den Spättypen unter den Jugendlichen Probleme», berichtet Cajochen. «Sie kommen mit den frühen Schulzeiten in der Schweiz viel schlechter zurecht als Frühtypen. Zudem schreiben sie bei gleichem Intelligenzquotienten schlechtere Noten als Lerchen.»

Versuchen zufolge, bei denen sich die Probandinnen und Probanden in Isolation befanden und nach ihrem eigenen Rhythmus leben konnten, dauert ein ganzer Tag für Eulen bis zu 26 statt 24 Stunden. Ihre innere Uhr hinkt der von der Erdrotation vorgegebenen Zeiteinteilung also zwei Stunden hinterher. Ohne äussere Einflüsse wie Arbeitszeiten und morgendliche Lichtexposition würde sich die Schlafenszeit der Eulen stetig nach hinten verschieben.

Flexible Arbeitszeiten wären gesünder

Eulen, die aufgrund der angesetzten Schul- oder Arbeitszeiten gezwungen sind, entgegen ihrem angeborenen Chronotyp zu leben, geraten in einen «sozialen Jetlag». Der fällt umso heftiger aus, je mehr sich die Schlaf-Wach-Zeiten während der Woche und am Wochenende unterscheiden. Die Folgen davon können verheerend sein. So haben verschiedene Studien gezeigt, dass Schichtarbeiterinnen und -arbeiter ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlafstörungen oder auch Depressionen aufweisen.

Dazu rauchen Menschen mit grossem sozialem Jetlag auch noch eher und konsumieren mehr Alkohol und Drogen. «Unsere Gesellschaft hat noch nicht begriffen, dass es zeitliche Nischen gibt fürs Wachsein und fürs Schlafen, die individuell verschieden sind und genetisch gesteuert werden. Man zwingt ja auch nicht alle Männer in die Schuhgrösse 42, weil die meisten diese tragen», sagt der Basler Experte. «Fortschrittliche Unternehmen lassen Mitarbeitende daher ihre Arbeitszeiten individueller wählen.»

Gesünder als jeden Tag ins Büro: Wer im Homeoffice arbeitet, findet gemäss Umfragen eher zu seinem natürlichen Schlaf-wach-Rhythmus.

Genau das war und ist auch dank der Corona-Pandemie möglich. «Wir und andere fanden in Umfragen heraus, dass die Leute während der Lockdowns im Homeoffice eher zu ihrem natürlichen Schlaf-wach-Rhythmus fanden. Unter anderem deshalb, weil der Arbeitsweg wegfiel, was den Menschen auch zu mehr Schlaf verhalf.» Oder anders formuliert: Homeoffice fördert Gesundheit und Erholung der Angestellten, wovon wiederum die Unternehmen profitieren. 

Mit zunehmendem Alter werden wir «lerchiger»

Während wir mit rund 20 Jahren die grössten Nachteulen sind, werden wir danach immer «lerchiger». Männer sind dabei tendenziell spätere Chronotypen als Frauen. Mit etwa 50 – während der Andro- bzw. der Menopause – verschwindet dieser Geschlechtsunterschied wieder. Mit zunehmendem Alter nimmt das Schlafbedürfnis ab, was zu einer Vorverschiebung des circadianen Rhythmus führen kann – besser bekannt ist dieses Phänomen als «senile Bettflucht».

Wer davon betroffen ist oder sonst schlecht schläft, sollte den verpassten Schlaf aber nicht mit einem Mittagsschlaf auszugleichen versuchen. Denn der reduziert den Schlafdruck und verschlechtert somit die Qualität des Nachtschlafs.

Nach einer Woche ist die «innere Uhr» wieder im Takt

Doch zurück zur Zeitumstellung am Wochenende: Können diese 60 Minuten Unterschied wirklich unsere innere Uhr durcheinanderbringen, oder beruhen die Beschwerden der Betroffenen nicht eher auf Einbildung? «Wahrscheinlich beides», sagt Christian Cajochen. «Diese Stunde sollte man nach einer Woche verkraftet haben – vor allem jetzt im Herbst.»

Die Umstellung im Frühling sei schlimmer, weil man eine Stunde weniger schlafen könne und gegen den eigenen Tagesrhythmus vorverschieben müsse, was den meisten schwererfalle, als nach hinten zu verschieben.

Die Zeitumstellung jetzt im Herbst erfordert laut Cajochen deshalb keine speziellen Vorkehren. Im Frühling empfiehlt der Experte jedoch Anpassungen in kleinen Schritten: viertel- oder halbstündiges Vorverschieben vor der Zeitumstellung – und sich viel Morgenlicht gönnen.

Was hält der Schlafforscher generell von der Zeitumstellung? «Aus chronobiologischer Sicht macht sie keinen Sinn. Wir plädieren schon lange dafür, die ‹Sommerzeit› wieder abzuschaffen. Das muss aber europaweit geklärt werden.»

Sind Sie eine Lerche oder eine Eule?

Ob jemand eine Lerche (Morgentyp) oder eine Eule (Abendtyp) ist, lässt sich beispielsweise in einem mehrwöchigen Erholungsurlaub klären. Denn nur in einer Phase, in der es kaum terminliche Zwänge oder Vorgaben gibt, kommt der natürliche Eigenrhythmus zum Tragen. Und nur so lässt sich herausfinden, ob man ein Morgen- oder ein Abendtyp ist und wie viel Schlaf man benötigt.

Nach einer Übergangszeit von ein bis zwei Wochen beginnt der Körper so zu funktionieren, wie es ihm am besten entspricht. Will heissen: Dann setzt der natürliche Rhythmus von Wach- und Schlafphasen ein, aufgrund dessen eine Zuordnung zu den Lerchen oder den Eulen möglich sein sollte. Zudem wird sich die tägliche Schlafdauer auf einen bestimmten Mittelwert einpendeln.

Sind Schlaftyp und -bedürfnis erst einmal ermittelt, wäre es natürlich wünschenswert, den Alltag so weit als möglich diesen Erkenntnissen anzupassen.

So schlafen Sie besser

  • Regelmässige Aufsteh- und Schlafenszeiten, nicht mehr als 30 Minuten davon abweichen.

  • Das Schlafbedürfnis ist individuell, doch die meisten Menschen benötigen sechs bis acht Stunden Nachtruhe.

  • Viel Tageslicht tanken, am besten am Morgen. Licht ist der Taktgeber für die innere Uhr.

  • Mit Kunstlicht am Abend und in der Nacht sparsam umgehen und Bildschirme von Fernseher und Handy meiden.

  • Viel Bewegung, körperliche Aktivität fördert einen gesunden Schlaf.

  • Vier bis acht Stunden vor dem Zubettgehen auf Koffein, Alkohol und Nikotin verzichten.

  • Im Schlafzimmer sollte es dunkel sein und 16 bis 18 Grad kühl.

  • Kein Mittagsschlaf, ein 20-minütiger Power-Nap ist erlaubt.

Dieser Artikel erschien erstmals am 26. Oktober 2022. Anlässlich der aktuellen Zeitumstellung haben wir ihn für Sie aktualisiert.