Axel Webers Abgang bei der UBSEr machte aus dem Ärgernis der Nation wieder eine seriöse Bank
Am Mittwoch tritt der Präsident der Bank ab. Webers Ära war geprägt von Aufräumarbeiten und einem strategischen Neustart. Kritik gibt es an seiner Personalpolitik.
In solchen Momenten blüht er auf: Die Kameras gehen an, alle Augen sind auf ihn gerichtet – auf Axel Weber, den Präsidenten der UBS. Am Mittwoch wird der Deutsche, welcher der erste Nicht-Schweizer auf dem Präsidentenstuhl ist, zum letzten Mal seinen Auftritt bei der Generalversammlung haben – wenn auch nur virtuell. Samstag zog er im Interview mit der NZZ Bilanz und zeigte sich – wenig überraschend – zufrieden.
Unter dem Strich hinterlässt Weber tatsächlich ein gut bestelltes Haus. Während der Heimrivale Credit Suisse von einem Skandal in den nächsten stolpert, steht die UBS solide da – auch wenn sie in Sachen Gewinn und Börsenbewertung von den US-Banken lange abgehängt worden ist.
Was bleibt von der Ära Weber? Diese Zeitung sprach mit einem halben Dutzend aktiven und ehemaligen UBS-Managern und Wettbewerbern. «Axel Weber hat gemeinsam mit Ermotti die Fokussierung der Bank auf weniger volatile Geschäftsfelder vorangetrieben. Das haben nicht alle Wettbewerber so hinbekommen», sagt zum Beispiel Martin Blessing, Ex-Leiter der UBS-Vermögensverwaltung, der heute Präsident der Danske Bank ist.
Auch in der Schweizerischen Bankiervereinigung wird Weber gelobt: «Obwohl er die grösste Bank der Schweiz repräsentierte, habe ich sein Auftreten nie als auftrumpfend oder arrogant empfunden, ganz im Gegenteil», sagt Martin Scholl, Chef der Zürcher Kantonalbank und Verwaltungsrat der Bankiervereinigung.
«Alle Optionen in der Hand»
Als Weber im Mai 2012 sein neues Amt antrat, war damals die UBS die Skandalnudel der Nation: Steuerstreit mit Deutschland, Libor-Tricksereien, Devisen-Manipulationen – die Grossbank liess keinen Fettnapf aus. Insgesamt zahlte die Grossbank in der Ära Weber Bussen von rund 12 Milliarden Dollar.
Bei seinem Amtsantritt dümpelte die Aktie bei 11 Franken herum. Heute steht sie bei rund 18 Franken. Zu seinem Start litt die UBS noch unter dem Image der grössenwahnsinnigen Bank, die vom Staat gerettet werden musste. Heute ist sie so gut unterwegs, dass der UBS auch grössere Übernahmen zugetraut werden. «Die neue Führung der UBS hat alle Optionen in der Hand», sagt ein Manager aus dem innersten Machtzirkel der Bank.
Neben Anerkennung für den Umbau mischt sich bei einigen Gesprächspartnern aber auch Kritik. Vor allem Webers Personalpolitik wird als unglücklich moniert. «Weber hat es versäumt, gute Talente neben Ex-Bankchef Sergio Ermotti aufzubauen», sagt ein UBS-Topmanager. «Es ist zudem bisher nie gelungen, einen internen Kandidaten in den Verwaltungsrat zu bringen», sagt ein zweiter Topshot. Erst mit dem Einzug von Ex-UBS-Schweiz-Chef Lukas Gähwiler in den Verwaltungsrat am Mittwoch wird sich das ändern.
Holpriger Start
Die Bilanz der Ära Weber ist untrennbar mit jener des früheren Bankchefs Sergio Ermotti verbunden. Das Verhältnis beider Männer war gerade am Anfang nicht einfach.
Der Tessiner hatte als Lehrling der Cornèr Bank angefangen und sich in Zürich, New York und London zum ranghöchsten Schweizer einer Wall-Street-Bank hochgearbeitet, bevor er UBS-Chef wurde. Er ist ein Banker durch und durch, die grosse Bühne ist dagegen nicht so sein Ding.
Ganz anders Weber: Er war 10 Jahre Wirtschaftsprofessor, dann 10 Jahre Präsident der Bundesbank. Von Bankenregulierung und Makroökonomie versteht er viel, hatte aber vor seiner Zeit bei der UBS nie mit Bankkunden zu tun. Beide Topleute konnten also kaum unterschiedlicher sein. Und mussten sich erst zusammenraufen.
«Am Anfang hat es ziemlich zwischen beiden geknirscht, sie mussten ihre Arbeitsbereiche sauber voneinander trennen», erinnert sich ein Mitglied des innersten Machtzirkels der UBS.
«Beide haben ein Ego und sind machtbewusst, aber sie sind intelligent genug, zu verstehen, dass sie nur gemeinsam Erfolg haben können», meint ein Wegbegleiter Webers. Angeschrien hätten sie sich nie, aber in Sitzungen mit den Augen rollen, während der andere sprach, das sei schon vorgekommen, heisst es.
2012 präsentiert Ermotti dann die Strategie «Accelerate»: Die UBS stutzte die Investmentbank, die weniger riskanten Geschäftsfelder wie die Vermögensverwaltung und das Schweiz-Geschäft rückten in den Mittelpunkt.
Kampf um den Chefposten
«Am Anfang war unser Umbau einigen Regulierern sogar zu aggressiv. Hier konnte Axel Weber als ehemaliger Bundesbankpräsident mit seinen Kontakten helfen, sie zu überzeugen», erinnert sich ein Beteiligter. Auch bei Kunden konnte Weber mit seinem Wirtschaftswissen punkten: «Weber war bei Kundenevents immer ein Bestseller», heissts von UBS-Bankern.
«Eine Investmentbank zu schrumpfen, ist so, als wenn man ein Atomkraftwerk zurückbaut», erklärt ein früherer Spitzenmanager. «Das hat der damalige Investmentbankchef Andrea Orcel super hinbekommen.»
Doch der ehrgeizige Orcel wollte mehr: Er wollte UBS-Chef werden oder drohte zu gehen. In der Verwaltungsratssitzung im Herbst 2018 in Singapur brach Hektik aus. Einige Mitglieder wollten Orcel zum neuen CEO machen oder ihm zumindest eine feste Zusage geben, dass er in absehbarer Zeit Ermotti beerben würde.
Ermotti wollte aber frühestens 2019 gehen. Am Ende hielt Weber Ermotti die Treue, die Bank verlor aber den ehrgeizigen Orcel und damit ein Toptalent.
Gut gelungen ist in der Ära Weber das Aufräumen von Altlasten. Chefjurist Markus Diethelm hat stets die Offensive gesucht und zum Beispiel beim Skandal um die Manipulation des Libor-Referenzzinses von sich aus Behörden über Fehlverhalten in der Bank informiert. Die EU honorierte diese Selbstanzeige im Libor-Fall damit, dass sie der UBS eine Busse von 2,5 Milliarden Euro erliess, obwohl UBS-Händler zum Kern der Zinsmanipulatoren gehörten.
Offene Rechtsfälle
Nach Webers Abgang bleibt noch der Streit um den Verkauf von Ramsch-Hypotheken-Papieren in den USA sowie der Steuerprozess in Frankreich ungelöst. Doch da im Revisionsprozess in Paris Busse und Schadenersatz auf insgesamt 1,8 Milliarden Euro halbiert wurden, hat dieser Fall seinen Schrecken verloren.
Bei Amtsantritt hatte Weber einen Kulturwandel versprochen – und geliefert. Das Einhalten der Regeln führte aber am Ende seiner Amtszeit zu einem neuen Konflikt mit seinem CEO Ermotti.
Dieser wäre gerne Webers Nachfolger als UBS-Präsident geworden. Direkte Wechsel vom CEO zum Präsidenten sind aber mittlerweile verpönt, in Deutschland regelt gar das Aktiengesetz, dass ein CEO zwei Jahre eine «Cooling-off»-Phase absitzen muss, bevor er Präsident seines Unternehmens werden kann.
«Es ist enttäuschend, dass es uns nicht gelungen ist, als führende Vermögensverwaltungsbank der Welt einen neuen CEO aufzubauen.»
Bei UBS wollte es Weber genauso halten. Ermotti wiederum hatte keine Lust, zwei Jahre zu warten. Also wurde er Präsident bei der Swiss Re.
Am Ende griff Weber sowohl für den Nachfolger für Ermotti als auch für seine eigene Nachfolge auf externe Kandidaten zurück. «Es ist enttäuschend, dass es uns nicht gelungen ist, als führende Vermögensverwaltungsbank der Welt einen neuen CEO aufzubauen», urteilt ein ranghohes Mitglied des Managements.
Weber hat sich stets verteidigt, den Niederländer Ralph Hamers als neuen Bankchef geholt zu haben. Der Ex-ING-Chef habe hohe Digitalisierungskompetenz und zudem erfolgreich eine Grossbank geführt. Interne Kandidaten wie Tom Naratil oder Sabine Keller-Busse hätten dies nicht vorzuweisen.
Neben Schwächen in der Personalpolitik attestieren UBS-Topleute zudem, dass in Sachen Zukäufe in der Ära Weber nichts ging. Zuletzt hat Hamers in den USA den digitalen Vermögensverwalter Wealthfront für 1,4 Milliarden Dollar gekauft – das wars.
UBS prüfte Übernahmen
Dabei wurden durchaus grössere Dinge zumindest angedacht. Mehrmals hat sich die UBS eine Übernahme der Credit Suisse angeschaut, heisst es aus dem Umfeld der Geschäftsleitung. Und mit der Deutschen Bank wurde über eine Zusammenlegung der Asset-Management-Bereiche gesprochen. Letzteres scheiterte aber daran, dass die Deutsche Bank bei einer Abspaltung des Geschäfts zu viel Kapital verloren hätte. Die UBS erklärt dazu, sich zu Übernahmespekulationen nicht äussern zu wollen.
Am Mittwoch übergibt Weber das Zepter seinem Nachfolger Colm Kelleher. Beobachter glauben, dass der Ex-Morgan-Stanley-Banker in Sachen Übernahmen wohl mehr Gas geben könnte.
Weber selbst wird das aus der Ferne betrachten. Er wird die Schweiz verlassen und in sein Haus nach Bonn zurückkehren. In Deutschland wird er die Leitung des von ihm gegründeten Center of Financial Studies in Frankfurt übernehmen, was aber nur ein Teilzeitjob ist. Was er sonst noch machen wird, ist noch offen, vielleicht etwas Unternehmerisches, wird spekuliert.
Weber übergibt an Kellerher nicht nur die Schlüssel für die Macht bei der UBS. Sondern auch die Schlüssel für seine Stadtwohnung in Zürich. Kelleher gefiel Webers Wohnung bei einem Besuch so gut, dass er dort nun als Nachmieter einzieht.
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