Schweizer AussenpolitikWarum knüpft Cassis Kontakte zu einem Inselstaat mit 1700 Einwohnern?
Niue ist eine winzige Insel im Südpazifik. Bundesrat Ignazio Cassis trifft nun dessen stellvertretende Aussenministerin 18’000 Kilometer von der Schweiz entfernt.

Das Dorf Erlenbach im Simmental liegt malerisch am Fuss des Stockhorns, gut eine Zugstunde von Bern entfernt. Mit seinen 1771 Einwohnern ist Erlenbach eine der kleineren Gemeinden der Schweiz. Ungefähr gleich viele Einwohner hat Niue, ein winziger Inselstaat im Südpazifik, mehr als 30 Flugstunden vom Flughafen Genf entfernt (aber nur, sofern man eine gute Verbindung erwischt).
Aber Niue ist nicht zu klein, um nicht vom Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis gewürdigt zu werden. Der freisinnige Bundesrat trifft sich auf seiner zehntägigen Tournee durch Südostasien eigens mit einer Regierungsvertreterin aus Niue: Mona Ainu’u. Cassis reist dafür nicht selbst auf die Insel, sondern die Ministerin fliegt vier Stunden zu ihm nach Wellington, der Hauptstadt Neuseelands.
Warum so viel Aufwand für ein Land, das nur so viele Einwohner zählt wie Erlenbach im Simmental?
Ein Sprecher des Aussendepartements verweist auf die Südostasienstrategie des Bundesrats, die erst dieses Jahr aktualisiert wurde. Angesichts des wachsenden Einflusses Chinas und der USA wolle Südostasien seine Unabhängigkeit bewahren und seinen aussenpolitischen Handlungsspielraum erweitern. «Damit steigt auch das Interesse an einer Zusammenarbeit mit Ländern wie der Schweiz, die sich im geopolitischen Spannungsfeld eigenständig positionieren wollen.
Schweizer Netzwerk erweitern
Konkret unterzeichnen Cassis und die Ministerin aus Niue in Wellington eine Absichtserklärung über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Zudem dient das Treffen laut dem Aussendepartement einem «Austausch über aktuelle Entwicklungen im Pazifikraum und der Erweiterung des Schweizer Netzwerks in der Region».
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Cassis’ Gesprächspartnerin Mona Ainu’u war Journalistin des staatlichen Radiosenders Niue Broadcasting Corporation. Sie wurde dann Sprecherin und PR-Managerin der Regierung und vertrat im Parlament Tuapa, eines der vierzehn Dörfer auf der Insel. Ainu’u ist eine von zwei Frauen in der fünfköpfigen Regierung und zuständig für Abfallentsorgung, Fischerei, Land- und Waldwirtschaft. In Wellington vertritt sie ihren Ministerpräsidenten Dalton Tagelagi, der gleichzeitig Aussenminister ist.

Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Niue schliesst die Schweiz eine (kleine) Lücke in ihrem diplomatischen Beziehungsnetz. Niue ist das einzige Mitglied der Regionalorganisation Pacific Islands Forum, mit dem noch keine formellen Beziehungen bestehen.
Seit 2017 richtet die Schweiz ihr Augenmerk vermehrt auf die 22 kleinen Inselstaaten im Südpazifik: Damals ernannte der Bundesrat einen Sondergesandten für die Region mit Sitz in Canberra, der Hauptstadt von Australien.
Die unabhängige aussenpolitische Denkfabrik Swiss Institute for Global Affairs begrüsst diese Strategie. Ihr Sprecher Urs Vögeli sagt: «Im Pazifik vertreten die Grossmächte USA und China zunehmend ihre Eigeninteressen – darum ist es positiv, wenn sich die Schweiz dort als authentische und strategische Brücke zum Westen positioniert.»
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