Vorwurf der WährungsmanipulationWarum die USA die Schweiz vorerst schonen
Im neuen US-Bericht über unfaire Währungspraktiken erfüllt die Schweiz wie schon beim letzten Mal unter Donald Trump alle US-Kriterien für ein solches Verhalten. Dennoch fällt das Urteil der Amerikaner dieses Mal anders aus.
Die neue US-Regierung unter Joe Biden ist gegenüber der Schweiz milder gestimmt als jene zuvor unter Donald Trump. Am deutlichsten zeigt sich das im jüngsten Bericht des US-Finanzministeriums über Währungspraktiken anderer Länder, der kürzlich veröffentlicht wurde.
Im letzten Bericht unter der Trump-Regierung wurde der Schweiz vorgeworfen, zusammen mit Vietnam ein Währungsmanipulator zu sein. Konkrete Gegenmassnahmen wurden nicht angekündigt. Man wolle aber die Schweiz zu einer Politik drängen, die die Schweiz zu einer Anpassung ihrer Aussenhandelsposition veranlasse, hiess es im Bericht.
Grundlage für das US-Verdikt war der Umstand, dass die Schweiz (und Vietnam) alle drei Kriterien der USA erfüllt hat, die gemäss den Amerikanern auf einen Währungsmanipulator hinweisen: Ein Handelsbilanzüberschuss von mehr als 20 Milliarden US-Dollar, ein Leistungsbilanzüberschuss gegenüber allen Ländern von mehr als 2 Prozent gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP) und einseitige Interventionen der Notenbank an den Devisenmärkten zur Verhinderung einer Aufwertung im Umfang von mehr als 2 Prozent gemessen am BIP.
Anders als im Vorfeld des Berichts von einigen Beobachterinnen erwartet wurde, hat die neue Regierung eine unter Trump eingeführte Verschärfung dieser Kriterien nicht rückgängig gemacht. Und auch gemäss dem neuen Bericht der US-Regierung erfüllt die Schweiz alle drei Kriterien für das Jahr 2020 – dem betrachteten Zeitraum. Der Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA beläuft sich auf 57 Milliarden Dollar, der generelle Leistungsbilanzüberschuss auf 3,7 Prozent gemessen am BIP der Schweiz und die Devisenmarkt-Interventionen der SNB auf 15,3 Prozent gemessen am BIP.
Entlastung trotz der Kriterien
Dennoch entlastet der Bericht der neuen Regierung die Schweiz vom Vorwurf, Währungsmanipulation zu betreiben. Daran dürften die Diplomatie und die Überzeugungsarbeit aus Schweizer Sicht einen Anteil haben. Vor allem Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB), hat sich immer wieder vehement dagegen gewehrt, sein Institut manipuliere die Währung. Der SNB gehe es einzig darum, eine gefährliche Aufwertung zu verhindern. Eine Abwertung zugunsten von Schweizer Exportprodukten sei nicht die Absicht. Der Bericht des Finanzministeriums erwähnt denn auch Gespräche, die Anfang 2021 mit den Schweizern stattgefunden hätten.
«Es gebe keine ausreichenden Beweise dafür, dass die im Bericht erwähnten Länder Währungsmanipulation betreiben», heisst es im Bericht.
Allerdings zeigen die USA nicht nur gegenüber der Schweiz Nachsicht. Wie die Schweiz erfüllt auch Vietnam erneut alle drei US-Kriterien, und auch dieses Land wird im Bericht nicht mehr als Währungsmanipulator gebrandmarkt. Das Gleiche gilt für Taiwan, das jetzt ebenfalls alle Kriterien erfüllt. Es gebe «keine ausreichenden Beweise» dafür, dass die im Bericht erwähnten Länder Währungsmanipulation betreiben, heisst es im Bericht.
Konkret begründet das Finanzministerium die veränderte Einschätzung mit den zwei Gesetzen, auf denen der Bericht beruht. Die genannten drei objektiven Kriterien basieren auf einer Norm aus dem Jahr 2015, während ein älteres von 1988 dem Finanzministerium eine Einschätzung ohne konkrete Grenzwerte überlässt. Auf diesen älteren Rechtstext stützt sich das neue und grosszügigere Verdikt der USA im Unterschied zum letzten unter der Trump-Regierung jetzt ab.
Eine Folge der Covid-Krise
Beobachter erklären sich das Verhalten der Biden-Regierung und vor allem der neuen Finanzministerin Janet Yellen mit der Covid-Krise. Der Bericht hält ausdrücklich die aussergewöhnlichen Umstände als Folge dieser Krise auf die internationalen Handelsbeziehungen fest.
Für Entspannung hat aus Schweizer Sicht wohl auch geführt, dass die SNB im zweiten Halbjahr 2020 nur noch für 20 Milliarden Franken Devisen gekauft hat, im Vergleich zu rund 90 Milliarden im ersten Halbjahr. Aus anderen Daten lässt sich ableiten, dass die Notenbank auch im neuen Jahr überaus zurückhaltend mit Interventionen an den Devisenmärkten blieb. Sie hatte allerdings angesichts einer Abschwächung des Frankens gegenüber dem Euro auch kaum mehr Grund, aktiv zu werden. Während der Euro im April 2020 noch 1.05 Franken kostete, ist der Preis seit Ende Februar 2021 meist höher als 1.10 Franken.
Anders sieht die Entwicklung allerdings gegenüber dem Dollar aus. Dessen Preis hat sich seit dem Höhepunkt der Krise im Frühjahr vor einem Jahr deutlich abgeschwächt. Dass die SNB dagegen aber wenig unternommen hat, hat man bei den Amerikanern mit Wohlwollen registriert und im Bericht notiert.
Zu früh für Entwarnung
Der jüngste Währungsbericht der USA bedeutet allerdings nicht, dass das Thema der Vergangenheit angehört. Die neue Regierung hat mehrfach deutlich gemacht, dass sie eine Währungsmanipulation zu ihren Ungunsten – oder zumindest das, was sie dafür hält – nicht tolerieren werde, so wenig wie zuvor Donald Trump hohe Aussenhandelsdefizite auf Kosten von US-Beschäftigten.
Anders als die Nationalbank halten die Amerikaner – mit Bezug auf den Internationalen Währungsfonds – auch den Franken nicht für überbewertet, und sie wollen weiter darauf hinwirken, dass die Schweiz ihren Überschuss im Aussenhandel abbaut, wie der Bericht explizit festhält.
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