Viel Lärm um ReinigungsgerätHerr Vögeli greift zum Laubbläser: «Ein tolles Gerät»
Der Laubbläser nervt – Zürich will ihn gar verbieten. Paul Vögeli schüttelt den Kopf. Der Landmaschinen-Mechaniker findet, die röhrende Maschine werde missverstanden.
In der Werkstatt der Vögeli + Berger AG warten die schwierigen Fälle. Stumme Häcksler, stotternde Traktoren, röchelnde Rasenmäher. Seit 50 Jahren ist der Betrieb für Besitzer von Landmaschinen im Zürcher Weinland die letzte Hoffnung. Der Vögeli in Hettlingen, heisst es, bringt alles wieder zum Laufen.
Der kaputte Laubbläser aber, der auf einer Werkbank liegt, lässt auch den Chef zweifeln. «Was soll ich dazu noch sagen?» Paul Vögeli nimmt das elektrisch betriebene Gerät des schwedischen Herstellers in die Hände. 0,9 Kilowatt Leistung, Gashebel-Arretierung, Windgeschwindigkeit bis zu 320 Kilometer pro Stunde. «Ein tolles Gerät, super effizient, super hilfreich», sagt er, «doch leider völlig missverstanden.»
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Gerade der Herbst ist wieder voller Missverständnisse. Gemeindemitarbeiterinnen, Abwarte und Private blasen lärmend Blätter durch die Gegend. Manchmal effizient und zielgerichtet, meistens aber konzeptlos.
«Der Laubbläser wird nur als Lärm empfunden. Dabei macht er – richtig unterhalten und richtig eingesetzt – Sinn.»
Paul Vögeli weiss aber, dass es bei diesem Gerät um Dinge geht, die mit einem Inbusschlüssel und technischem Know-how nicht zu lösen sind. «Der Laubbläser kann Leute schampar wütend machen.»
«Luft, die durch eine dünne Öffnung gedrückt wird, ist immer laut.»
Das hat vor allem mit der Zahl zu tun, die in den Katalogen aller Hersteller kleingehalten wird: die Dezibel-Lautstärke. 60, 90, über 100. Je nach Modell, dröhnen die Laubbläser im Bereich von Presslufthämmern. «Ja, ist laut», gibt Vögeli zu. «Luft, die durch eine dünne Öffnung gedrückt wird, ist immer laut.» Es sei also nicht der Motor, den die Leute primär hören, ruft er. «Es ist die Kompression.»
Noch so ein Missverständnis.
Elektromotoren – Vögeli schätzt sie etwa 20 Prozent leiser – würden das Problem darum nicht lösen. Es geht um Grundsätzliches.
«Wie sauber wollen wir es haben? Und wie viel darf das kosten?» Paul Vögeli sitzt mittlerweile in seinem kleinen Büro. Sein KMU läuft seit Jahrzehnten wie geschmiert. Im nächsten Jahr übergibt der Patron an die dritte Generation, seinen Sohn.
Paul Vögeli ist nicht nur ein Mann der Maschinen, sondern auch der Zahlen. Er sagt: «Man muss immer die Kostenwahrheit kennen. Alle möchten Ordnung haben, aber wenig dafür zahlen. Ohne den Laubbläser wird diese Rechnung nicht aufgehen.»
«Auf Kiesflächen und chaussierten Flächen ist die Effizienz sogar noch höher.»
Auch die Putzprofis sehen das so. Bei Grün Stadt Zürich heisst es, dass die Laubbläser im Vergleich zur Arbeit mit Rechen oder Besen etwa viermal effizienter seien. Sprecherin Carina Schulze: «Auf Kiesflächen und chaussierten Flächen ist die Effizienz sogar noch höher, weil die Laubbläser im Gegensatz zum Besen den Kies nicht mit dem Laub vermischen.»
138 Geräte sind laut Schulze derzeit in Zürich im Einsatz. Diese Zahl blieb in den letzten Jahren in etwa gleich. Verändert hat sich nur der Antrieb. Statt auf Benzin wird vermehrt auf Batterie gesetzt. Ähnlich wie in Basel oder Bern soll so der Lärm möglichst tief gehalten werden.
Trotzdem will man in Zürich nun noch weiter gehen. Während Genf schon länger per Gesetz auf eine Lärmreduktion drückt, soll es in der grössten Schweizer Stadt gar zu einem Verbot kommen. Eine Motion der Grünen schaffte diesen Frühling eine Mehrheit im Gemeinderat. Der erfolgreiche politische Vorstoss will den Einsatz von Laubbläsern nur noch in den Monaten September bis Dezember erlauben.
Jürg Rauser ist der Initiant der Motion. Der grüne Lokalpolitiker sagt: «Es ist an der Zeit für etwas mehr Gelassenheit punkto Ordnung. Aus meiner Sicht müssen wir pragmatischer werden und nicht mehr jedes Serviettli aus dem Gebüsch blasen.»
Rauser will den Einsatz der Laubbläser aber nicht grundsätzlich verbieten. In den laubintensiven Monaten sollen sie immer noch erlaubt sein. «Dann, wenn der Nutzen der Maschinen wirklich gross ist und die Vorteile überwiegen», so Rauser.
Den Rest des Jahres, Januar bis September, sollen laut dem Zürcher Gemeinderat diese Maschinen aber verstummen. «Das wird vor allem die Privaten treffen, die ihren Vorplatz auch im Sommer von jedem Blättli freihalten wollen.»
«Natürlich kann es für die Polizei nicht Priorität sein, Bussen zu verteilen.»
Eine Laubbläser-Polizei will aber auch Jürg Rauser nicht. «Natürlich kann es für die Polizei nicht Priorität sein, solche Bussen zu verteilen.» Vielmehr strebt er eine Sensibilisierung an.
Neben dem Aufwirbeln von Feinstaub, den Abgasen und dem Stromverbrauch will der Grüne auf den Schaden für die Biodiversität hinweisen. Wichtige Bodentiere wie Käfer oder Spinnen würden durch die orkanartigen Luftstösse aufgewirbelt und getötet. «Das muss nicht sein. Wir können – den Herbst ausgenommen – gut auf diese Maschinen verzichten.»
Verbot in Graz
In Graz wissen sie, wie das Leben ohne Laubbläser ist. Das Land Steiermark hat im Jahr 2013 die Verordnung zum Verbot von Laubbläsern eingeführt. Gerade eben haben die österreichischen Behörden auf ihrer Website mit einem Schreiben daran erinnert: «Wer das Verbot der Inbetriebnahme von Laubbläsern und Laubsaugern nicht einhält, kann mit einer Geldstrafe bis zu 2180 Euro bestraft werden.»
«In den letzten zwei Jahren sind etwa 30 Anzeigen erfolgt», sagt Wolfgang Götzhaber. Der Feinstaubexperte vom Grazer Umweltamt sagt aber, dass Bussen auch nicht unmittelbar das Ziel seien. Wie der grüne Politiker in Zürich, spricht auch der österreichische Beamte von einer Sensibilisierung fürs Thema und Aufklärung.
Reicht das, um gleich ein generelles Verbot für eine Maschine zu wollen?
«Lästige Laubbläser brauchts wirklich nicht.»
«Wir hier in Graz finden schon, ja. Die Stadt ist nicht unordentlicher geworden», sagt Götzhaber. «Lästige Laubbläser brauchts also wirklich nicht.»
Dafür werde, gibt der Grazer zu, das Thema noch kontroverser diskutiert. Die Stadt hält sich zwar daran, doch die Privaten foutieren sich oft um das Bläserverbot. Mit Folgen: Statt dass sich der Nachbar über den Lärm nur aufregt, macht er in Graz nun eine Anzeige. Der Konflikt wird offiziell.
Die Polizei in Graz aber winkt ab, versucht, an die Vernunft zu appellieren. Die Anzeige soll ein letztes Instrument zu sein. «Wir haben nie behauptet, dass wir das Problem Laubbläser restlos gelöst haben», sagt Götzhaber vom Umweltamt. «Aber wir sind es angegangen.»
Laubbläser als Lebenserklärer
Wie viel darf Ordnung kosten? Wie viel Lärm, wie viel Geld und wie viel Schaden für die Umwelt darf es sein? Überall dieselbe Frage. In Graz, in Zürich und auch in Hettlingen bei Winterthur.
Paul Vögeli rückt seinen Oberkörper an den Tisch heran, streicht sich dabei seinen roten Arbeitsmantel glatt. Im kleinen Büro am Rand von Hettlingen setzt der Landmaschinenversteher zur grossen Antwort an. «Mit dem Laubbläser ist es wie im Leben: Zack, ein Verbot, Problem gelöst – funktioniert nicht.»
«Viele Leute kennen den Wert der Arbeit nicht mehr.»
Früher hätten die Leute vor ihrem Haus und ihren Teil der Strasse putzen müssen. Ordnung halten war noch eine gemeinschaftliche Arbeit. «Heute nicht mehr!» ruft Paul Vögeli.
«Ein Städter …», beginnt er. «Wenn morgens der Abwart von nebenan mit dem Laubbläser vorbeigeht, wacht der doch auf. Und natürlich regt der sich dann auf. Und warum?»
Paul Vögeli gibt die Antwort selbst. «Weil viele Leute doch gar nicht mehr wissen, was der Wert dieser Arbeit ist. Dass diese Maschine die Arbeit des Abwarts effizienter macht und damit die Kosten, die niemand mehr zahlen will, niedrig hält.»
Griff zum Rechen
Paul Vögeli überlegt kurz und sagt dann: «Verbieten wir doch die Laubbläser, kein Problem.» Er meint es nicht monetär. Der Anteil dieser Maschinen am Umsatz seines Betriebs ist im Promillebereich.
«Aber dann müssen alle wieder zum Rechen greifen und mithelfen. Okay?»
Bis dahin wird Paul Vögeli mit einem BGA 86, Luftdurchsatz 250 Kilometer pro Stunde, den Vorplatz seines Hauses und den Hinterhof seiner Werkstatt frei halten. Gerade fallen die Blätter der Pappeln zu Boden.
Es sind unzählige kleine Aufforderungen, Ordnung zu halten.
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