Analyse zur US-PräsidentschaftswahlDonald Trump jetzt auszuschliessen, wäre falsch
Sollen Gerichte Donald Trumps zweiten Griff nach der US-Präsidentschaft stoppen? Bestimmt nicht, indem sie ihn vor der Wahl disqualifizieren.
Der Name «Donald Trump» wird nicht auf die Wahlzettel in Colorado gedruckt. Und falls Wähler ihn ins leere Feld schreiben, wird die Stimme nicht gezählt. So hat es das oberste Gericht des Bundesstaats Colorado am Dienstag entschieden.
So gross der Jubel von Trumps Gegnern am Dienstag auch war: Es ist zu hoffen, dass die Bundesrichter das Urteil aus Denver kippen und Donald Trump zur Wahl zulassen werden. Ja, jenen Donald Trump, der Witze darüber reisst, er werde nur am ersten Tag im Weissen Haus wie ein Diktator wüten. Jenen Donald Trump, der einen Rachefeldzug gegen vermeintliche und echte Gegner in den amerikanischen Institutionen plant. Jenen Donald Trump, der mit Hitler-Zitaten durchs Land tingelt.
Trump ist ungeeignet für das Amt, aber…
Selbstverständlich darf die Gefahr nicht kleingeredet werden, die dieser Mann für die älteste Demokratie der Welt darstellt. Gefährlich ist Trump nicht allein wegen seiner Rhetorik, die viele Amerikaner zu leichtfertig als hinzunehmender Teil einer schrillen politischen Kultur abtun.
Nein, Trump hat auch mit Taten bewiesen, dass er autoritäre Fantasien hegt, dass er für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten ungeeignet ist: Er versuchte nach der verlorenen Wahl 2020, sich auf alle möglichen Arten an der Macht zu halten. Am 6. Januar 2021 mündete das in einen gewaltsamen Überfall auf das US-Kapitol. Entschuldigt hat sich Trump nie für seine Taten.
Auf die Ereignisse rund um den 6. Januar 2021 stützt auch das Gericht in Colorado seine Entscheidung, Trump von der Wahl auszuschliessen. Vier der sieben Richter kamen zum Schluss, Trump sei ein «Aufständischer» im Sinn der US-Verfassung. Seit dem Sezessionskrieg sind «insurrectionists» von allen öffentlichen Ämtern verbannt, weil sie ihren Schwur auf die Verfassung verletzt hätten. Noch nie zuvor wurde der Passus im 14. Zusatzartikel auf einen Präsidentschaftskandidaten angewandt. Nun aber soll Trump deswegen gleich ganz von der Vorwahl der Republikaner in Colorado ausgeschlossen werden?
Die strafrechtlichen Verfahren laufen erst an
Da sind, vorsichtig gesagt, Vorbehalte angebracht. Trumps Vorgehen erfüllt zwar alle Kriterien, um ihn in der politischen Diskussion eines versuchten Staatsstreichs zu bezichtigen. Die strafrechtlichen Verfahren gegen den früheren Präsidenten wegen dieser Versuche sind aber noch in Gang, eines auf Bundesebene und eines in Georgia. Ausführlich hatten Juristen darüber diskutiert, ob Trump in dem Prozess vor den Bundesgerichten wegen «insurrection» angeklagt würde. Denn damit wäre bei einer Verurteilung auch ein Amtsverbot zur Diskussion gestanden.
Auf den Anklagepunkt des Aufstands hat der Sonderermittler des US-Justizministeriums, Jack Smith, jedoch verzichtet. Auch stellten die Demokraten nach dem 6. Januar 2021 im Kongress zur Diskussion, Trump gestützt auf den 14. Zusatzartikel von allen künftigen Ämtern zu verbannen – vergeblich. Es wäre vor diesem Hintergrund nur schwer erklärbar, warum Trump nun plötzlich von einem Gericht, aber ohne gründliche strafrechtliche Aufarbeitung von öffentlichen Ämtern verbannt würde.
Der «Orange Jesus» ist kein König
Ohnehin können die USA das Problem Trump nur politisch lösen, nicht rein juristisch. Der «Orange Jesus», wie ihn einige Republikaner spöttisch nennen, hat sich eine treue Gefolgschaft aufgebaut. Rund die Hälfte der Amerikanerinnen und Amerikaner hat er davon überzeugt, dass die Verfahren gegen ihn politischer Natur seien. Das geht einher mit einem Verlust des Vertrauens in die Institutionen der amerikanischen Demokratie. Dieses lässt sich bestimmt nicht wiederherstellen, indem Trump mit einer juristischen Novelle von der Wahl ausgeschlossen wird.
Das soll nicht heissen, dass die Justiz keine Rolle zu spielen hat. Im Gegenteil. Wie schon im Jahr 2000, als George W. Bush und Al Gore das Wahlresultat bis vor den Supreme Court brachten, werden die Gerichte auch bei den Wahlen 2024 eine entscheidende Rolle spielen. Die Strafverfahren gegen Donald Trump, vor allem jene zwei, die seinen versuchten Staatsstreich betreffen, müssen nun rasch vorankommen.
Die Wahlberechtigten sollen möglichst umfangreiche und gerichtsfeste Informationen über Trump besitzen, bevor sie entscheiden, ob sie ihm am 5. November 2024 ihre Stimme geben wollen. Ob sie riskieren wollen, diesen Mann noch einmal ins Weisse Haus zu schicken im Vertrauen darauf, dass ihn die anderen Institutionen der amerikanischen Demokratie schon in die Schranken weisen werden.
Der Supreme Court kann dazu beitragen, dass zumindest ein Teil der juristischen Klärung noch vor dem Wahltermin stattfindet. Demnächst dürfte er darüber entscheiden, ob Trump Immunität geltend machen kann für die Taten, die in seine Amtszeit fallen. Sollten es die Richter dem früheren Präsidenten erlauben, sich mit Verweis auf seine Immunität aus den Strafverfahren zu winden, würden sie ihm einen Freipass erteilen. Dann könnte und würde sich Trump wohl als der König gebaren, der er eben nicht ist, wie ihn eine Richterin jüngst ermahnte.
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