Ein Jahr vor den US-WahlenFür Donald Trump läuft es gerade sehr gut
Seine Gerichtsprozesse scheinen den früheren US-Präsidenten nur zu beflügeln, und die Demokraten tun einiges, um ihm zu helfen.
Es war eine Woche der guten Nachrichten für Donald Trump. Die aus seiner Sicht vielleicht beste: Am Donnerstag hat Jill Stein, Chefin der Grünen in den USA, ihre Präsidentschaftskandidatur erklärt. Es gibt nicht wenige Demokraten, die der Ansicht sind, dass es ohne die heute 73 Jahre alte Ärztin und Aktivistin Jill Stein einen Präsidenten Trump nicht gegeben hätte.
Als Stein im Jahr 2016 schon einmal für das Weisse Haus kandidierte, erhielt sie rund 1,4 Millionen Stimmen, laut Wahlforschern überwiegend von Wählerinnen und Wählern, die sonst für die Demokraten gestimmt hätten. Wären diese Voten auf Hillary Clinton entfallen, hätte Trump vermutlich niemals das Büro im Oval Office bezogen und lebte heute so, wie er vor seiner ersten Präsidentschaftskandidatur gelebt hat: als Gernegross, als Reality-TV-Mann.
Die nützliche grüne Kandidatin
Es kam anders, und nun hofft sein Team, dass sich die Geschichte wiederholt. Dass Jill Stein den Demokraten noch einmal die entscheidenden Stimmen abluchst und Trump erneut ins Weisse Haus einzieht. Seitdem Stein ihre Kandidatur bekannt gegeben hat, scheint eine zweite Amtszeit Donald Trumps als Präsident der USA wahrscheinlicher denn je zu sein (lesen Sie hier den Leitartikel zu den US-Präsidentschaftswahlen).
Es wurde in dieser Woche in den politischen Zirkeln ohnehin viel diskutiert. Zum Beispiel über die jüngste Umfrage der «New York Times» und des Siena College, der zufolge Trump in fünf von sechs Swing States vor Amtsinhaber Joe Biden liegt. In diesen Staaten, die mal republikanisch und mal demokratisch abstimmen, entscheidet sich die Wahl. Es wurde auch von Trump selbst viel über diese Umfrage gesprochen, obwohl er eigentlich Wichtigeres zu tun hatte.
Anfang der Woche musste er in New York vor Gericht erscheinen, um sich in einem Prozess zu verantworten, in dem ihm unter anderem vorgeworfen wird, den Wert seiner Immobilien mal hoch- und mal runtergerechnet zu haben, je nachdem, ob es darum ging, günstige Kredite zu bekommen oder weniger Steuern zu bezahlen. Dass er dieses Vergehens schuldig ist, hat der Richter bereits entschieden. Es geht jetzt allein um das Strafmass. Das Verfahren wird noch einige Wochen dauern.
Trumps Team schlachtet seine Prozesse aus
Einerseits könnte der New Yorker Prozess für Trump gravierende Folgen haben. Im Raum steht, dass er eine Strafe von 250 Millionen Dollar bezahlen muss und sowohl er als auch Teile seiner Familie künftig keine Unternehmen mehr in New York führen dürfen. Andererseits sind es immer lukrative Tage, wenn er vor Gericht erscheinen muss. Sein Wahlkampf-Team bombardiert die Gefolgschaft zu diesen Anlässen mit E-Mails, in denen sinngemäss steht, die Vereinigten Staaten oder vielleicht gar die Welt gingen unter, wenn nicht umgehend einige Handvoll Dollars auf Trumps Konto überwiesen würden.
Trump kann das Geld gut gebrauchen. Die Nachrichtenagentur AP hat im vergangenen Monat unter Berufung auf die Bundeswahlkommission berichtet, dass er seit Januar 2022 rund 37 Millionen Dollar an mehr als 60 Anwaltskanzleien überwiesen habe. Dieses Geld stamme von Kleinspendern, die Trumps Team fortwährend anschreibt. Es handelt sich laut AP ungefähr um die Hälfte der Summe, die er seither mit Spenden eingenommen hat.
Vier weitere Prozesse
Neben dem New Yorker Verfahren muss sich Trump in vier weiteren Prozessen verantworten, unter anderem wegen seiner Versuche, die Wahlergebnisse von 2020 zu verfälschen und wegen des 6. Januar 2021, dem Tag, an dem ein von ihm angestachelter Mob das Kapitolsgebäude in der Hauptstadt Washington, D.C., stürmte. Diesen schwarzen Tag für die amerikanische Demokratie nennt Trump mittlerweile einen «wunderschönen Tag».
Eine zweite gute Nachricht, die der Donnerstag für Trump bereithielt: Der demokratische Senator Joe Manchin hat verkündet, dass er 2024 nicht zur Wiederwahl antreten wolle. Manchin ist einer von zwei Senatoren aus West Virginia, einem Bundesstaat, der mit grosser Mehrheit republikanisch wählt. Die zweite Vertreterin aus West Virginia ist Shelley Moore Capito, eine Republikanerin.
Ein wichtiger Sitz fällt an die Republikaner
Manchin überlebte dort lange, obwohl er als Demokrat firmierte, weil er zum konservativsten Flügel der Partei gehört und sich seit 2010 das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in West Virginia erarbeitet hat, unter anderem dadurch, dass er sich vehement für die Öl- und die Kohleindustrie einsetzte. Es gilt als sicher, dass Manchins Sitz im Senat bei den kommenden Wahlen im Jahr 2024 an die Republikaner fällt. Damit könnten die Demokraten die Kontrolle über das Gremium verlieren, was Trump, sollte er die Präsidentschaftswahl im kommenden November gewinnen, deutlich mehr Macht gäbe.
Sollte Trump tatsächlich den ein oder anderen Schuldspruch kassieren, gibt das Gros der Wählerinnen oder Wähler an, lieber nicht für ihn stimmen zu wollen.
Die Umfrage der «New York Times» könnte aus der Sicht von Trump diesen einen Haken haben: Der Erhebung zufolge sagt eine Mehrheit der Befragten, sie wollten im November 2024 für Trump stimmen – allerdings nur, wenn dieser nicht vorher von einem Gericht rechtskräftig verurteilt werde. Das könnte passieren. Sollte Trump tatsächlich den ein oder anderen Schuldspruch kassieren, gibt das Gros der Wählerinnen oder Wähler an, lieber nicht für ihn stimmen zu wollen. Doch dieser Teil der Erhebung ist mit Vorsicht zu geniessen. Es ist unter den US-Umfragediensten bekannt, dass die befragten Menschen oft angeben, das vermeintlich Richtige tun zu wollen, also nicht für einen verurteilten Straftäter zu stimmen. Aber dann doch unbeirrt Trump wählen.
Der ehemalige Präsident hat in dieser Woche versucht, seine Anhänger mit einigen, wie er schrieb, «kostenlosen» Angeboten zu umgarnen. Sie könnten eine neu gestaltete «Trump 2024»-Fahne «umsonst» erhalten, wenn sie seiner Kampagne vorher «mindestens 50 Dollar» überwiesen. Die Trump-Aufkleberkollektion fürs Auto gebe es ebenfalls «for free», kostenlos, wenn die Besteller 18 Dollar auf eines seiner Konten bewegten. Zudem stellt er seinen Fans eine «GOLD CARD Membership» in Aussicht, für eine Zahlung von 47 Dollar. Diese goldene Karte befugt zu nichts.
Über den demokratischen Prozess macht er sich lustig
Als am Mittwoch seine republikanischen Rivalen in Florida darüber debattierten, wer sich am ehesten als innerparteiliche Herausforderin, als Herausforderer eignen könnte, hielt Trump wenige Kilometer entfernt, ebenfalls in Florida, vor seinen Fans eine mäandernde Rede, in der er sich unverhohlen über den demokratischen Prozess lustig machte. Wer immer ihn herausfordere, sei nicht wirklich Anhänger der Partei, sagte er.
Lange galt Floridas Gouverneur Ron DeSantis als möglicher Rivale. Es sagt viel über das Niveau der republikanischen Debatten, dass die am meisten diskutierte Frage bezüglich DeSantis derzeit ist, ob er in seinen Cowboystiefeln Einlagen trägt, die ihn grösser erscheinen lassen. Der etwas unter 1,80 Meter grosse DeSantis bestreitet das. Fast alle Kommentatoren ignorieren, dass auch Trump, nach allem, was man weiss, Einlagen trägt. Die Nominierung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten läuft am Ende also wahrscheinlich auf zwei Männer hinaus, die gerne grösser wären, als sie es sind.
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