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Meinungsfreiheit in den USA
Urteil des Supreme Court: Webdesignerin darf homosexuelle Kundschaft abweisen

Die Webdesignerin Lorie Smith (rechts) aus Colorado will nicht für homosexuelle Kundschaft arbeiten – und zog deshalb vor Gericht.
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Die Welt staunt über dieses Urteil, das einmal mehr Amerika verändern könnte. Da hatte es eine Webdesignerin aus Colorado also tatsächlich bis vor den Supreme Court in Washington geschafft, sie gewann sogar: Lorie Smith will keine Websites für homosexuelle Paare anfertigen, weil sie das mit ihrem Glauben nicht vereinbaren kann. Das Recht auf Meinungsfreiheit verbiete ihrem Bundesstaat, sie dazu zu zwingen, entschied der Oberste Gerichtshof kürzlich in ihrem Sinne. Wer ist diese Frau? Und wie kam es zu dieser höchstrichterlichen Entscheidung?

Solche Fragen stellt sich inzwischen der eine oder die andere auch deshalb, weil eine kuriose Neuigkeit die Runde macht. In immer höhere Instanzen getrieben worden war dieses Duell auch deshalb, weil sich im September 2016 ein Mann namens Stewart samt Mailadresse und Telefonnummer bei Smiths Studio 303 Creative nach Angeboten erkundigt haben soll. Man wolle im kommenden Jahr heiraten und hätte gern ein paar Entwürfe für Einladungen und so, vielleicht könne man auch eine Website gebrauchen, schrieb er damals angeblich. Mike heisse sein Partner.

Die Anfrage war Fake

Tags zuvor hatte Lorie Smith vor einem Bundesgericht Klage gegen Colorado eingereicht, weil sie die Folgen des dortigen Antidiskriminierungsgesetzes fürchtete. In Colorado ist der gleichberechtigte Zugang zu Unternehmen geschützt. Und dann meldet sich sofort ein potenzieller schwuler Kunde bei ihr?

Die streng gläubige Unternehmerin Smith antwortete nicht – laut ihrer Version aus Angst, sich strafbar zu machen, wenn sie so einen Auftrag zurückweist. Die Anfrage habe darauf hingedeutet, dass sie gebeten werden könnte, tatsächlich eine Website für eine gleichgeschlechtliche Hochzeit zu entwerfen, erklärte sie während des Verfahrens. Das schien ihren Bedenken Kontur zu geben. Doch nun stellt sich heraus: Die Anfrage war Fake.

Eine Reporterin des Magazins «The New Republic» hatte die Idee, einfach mal bei diesem Stewart anzurufen. Der fiel aus allen Wolken. Doch, das war seine Telefonnummer, es sei auch seine Mailadresse. Aber er war zu der Zeit bereits mit einer Frau verheiratet, sie haben einen Sohn – von 303 Creative hatte er noch nie gehört, das Dokument mit seinem vermeintlichen Interesse müsse gefälscht worden sein. Obendrein ist er dem Vernehmen nach selbst Webdesigner.

Sie klagte wegen der möglichen Konsequenzen der hypothetischen Ablehnung einer hypothetischen Kundschaft.

Das macht die Genese dieses Rechtsstreits und seinen Ausgang noch bizarrer, als sie es ohnehin schon sind. Es sieht so aus, als hätten sich nie Schwule oder Lesben darum bemüht, Lorie Smith mit einer Arbeit zu beauftragen. Sie klagte wegen der möglichen Konsequenzen der hypothetischen Ablehnung einer hypothetischen Kundschaft. Dennoch gelangte ihre Sache am Ende bis vor die bedeutendsten Richterinnen und Richter der USA. Deren konservative Mehrheit, den Republikanern nahestehend, setzte sich mit 6:3 Stimmen gegen die Liberalen durch.

Auf der Website von 303 Creative ist auf den ersten Blick nichts zum Thema «Wedding» zu entdecken. Unter «Events» sind Veranstaltungen wie «Birthday» und «Babyshower» zu finden. Auch hätte Lorie Smith bei Interessenten, die ihr unangenehm sind, einfach behaupten können, sie sei ausgebucht. Stattdessen wurde daraus eine Causa, deren Auswirkungen kaum absehbar sind. Im Prinzip könnte nun jeder, der irgendwie kreativ tätig ist, auf das First Amendment verweisen, wenn ihm ein Gast oder Klient nicht passt.

«Eine Art Lösung, die ein Problem sucht»

Lorie Smith schreibt auf ihrem Portal von 303 Creative, sie werde mit Nachrichten bombardiert. «Einige waren unterstützend, aber viele andere waren hasserfüllt und zutiefst beunruhigend.» Medien verweist sie an die Pressestelle der Alliance Defending Freedom; von dieser christlich-reaktionären Rechtsberatung wird sie vertreten. Die Gruppe mit Hauptsitz in Arizona will den religiösen Einfluss bei Regierungen verstärken, Abtreibungen verbieten und die Rechte von LGBTQ-Menschen beschränken.

Was Letzteres betrifft, so ist diese Freiheitsallianz dank des Supreme Court erheblich vorangekommen. Ihre Präsidentin Kristen Waggoner sagte in einem Interview, dass sie nicht wisse, ob dieser Stewart ein Troll sei oder echt. «Wenn Lorie der Frage nachgegangen wäre, hätte Colorado bereits entschieden, dass sie wegen eines Gesetzesverstosses strafrechtlich verfolgt werden würde», meint sie. Kritiker sollten sich lieber auf den Inhalt des Urteils konzentrieren.

Dies sei ein erfundener Fall, findet dagegen ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft von Colorado. «Es gibt keine Websites, die für eine Hochzeit erstellt wurden. Es wurde auch niemand abgewiesen. Wir befinden uns in einer rein hypothetischen Welt.» Der US-Transportminister Pete Buttigieg, Demokrat, gläubig und offen homosexuell, äusserte bei CNN den Verdacht, dass die Grafikdesignerin einen Fall wie diesen provozieren wollte. Das passe zum Urteil des Obersten Gerichtshofs und dem, was man in anderen Bundesstaaten erlebt habe. Es gebe da «eine Art Lösung, die ein Problem sucht».