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Oberstes US-Gericht
Drei folgenschwere Fälle, und das ganze Land blickt auf Trumps Richter 

Vor dem Obersten Gericht in Washington demonstrieren Studenten für den Erlass von Studienschulden. Das Gericht wird vor der Sommerpause ein Urteil darüber fällen.
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Abtreibungsgegner jubelten, doch die Mehrheit der US-Bevölkerung war schockiert: Die konservative Mehrheit der Richter am Obersten Gericht hat vor einem Jahr das Recht auf Abtreibung aufgehoben, 49 Jahre nach dessen Einführung durch ihre Vorgänger.

Das Urteil hat das Land verändert. In fünfzehn Bundesstaaten sind Schwangerschaftsabbrüche ganz oder praktisch verboten, weitere zehn arbeiten daran. Auch politisch waren die Folgen spürbar. Bei den Zwischenwahlen mussten sich die Republikaner vielerorts den Demokraten geschlagen geben, deren Wählerschaft durch das Abtreibungsurteil elektrisiert war.

Nun finden sich erneut folgenschwere Urteile auf der Traktandenliste des Gerichts für die kommenden Wochen vor der Sommerpause. Es sind Testfälle für die ultrakonservative Mehrheit, die Donald Trump seiner Partei verschaffte. Die Richter sind auf Lebenszeit ernannt, die Konservativen dürften dank Trump auf Jahre hinaus das neunköpfige Gremium prägen.

Studienplatz nach Hautfarbe

Noch diese Woche könnten die Richter nach dem Recht auf Abtreibung ein weiteres politisches Steckenpferd der Demokraten sterben lassen: die Förderung von nicht weissen Studenten, bekannt als «Affirmative Action». John F. Kennedy hatte dem Instrument 1961 zum Durchbruch verholfen.

Leidenschaftlich streiten die Amerikaner seither darüber, ob das Selbstverständnis ihrer Nation stimmt, dass allen unbegrenzte Möglichkeiten zur Verfügung stehen – oder ob Weisse einen Startvorteil geniessen. Nun werden die Richter urteilen, ob Hochschulen nicht weisse Bewerber vorziehen dürfen. Die private Eliteuniversität Harvard und die öffentliche Universität von North Carolina wurden von einer Studentenorganisation verklagt, hinter der finanzkräftige konservative Aktivisten stecken.

Pikanterweise werfen Angehörige einer Minderheit den Universitäten vor, sie zu benachteiligen: Asiatischstämmige Amerikaner bemängeln, Afroamerikaner und Latinos hätten bessere Chancen auf einen Studienplatz. Das hat eine komplexe Rassismusdebatte in Gang gesetzt. Der asiatischstämmige Tiktok-Influencer Limmy veröffentlichte ein Video mit Zulassungsstatistiken von Harvard, wonach afroamerikanische Bewerber eine bis zehnmal höhere Erfolgsaussicht hätten als Asiaten, selbst mit deutlich schlechteren Noten.

Fast 50 Prozent der Weissen besitzen einen höheren Schulabschluss, hingegen nur rund 30 Prozent der Afroamerikaner.

Das Zahlenmaterial ist zwar zu lückenhaft für solche Rückschlüsse, doch es setzte den Ton. Afroamerikaner dürften nicht bessere Chancen erhalten als Weisse, nur weil Weisse einst Sklaven gehalten hätten, kommentierte ein Nutzer. Die Anliegen von Asiaten verkamen damit zur Nebensache, als Hauptpunkt schält sich die Bewältigung der Sklavereigeschichte heraus.

Nach Jahrhunderten der Diskriminierung ist der Lebensstandard von Dunkelhäutigen deutlich tiefer als jener weisser Amerikaner. Fast 50 Prozent der Weissen besitzen einen höheren Schulabschluss, hingegen nur rund 30 Prozent der Afroamerikaner.

Positive Diskriminierung ist in den USA dennoch sehr unpopulär. Mit Kalifornien und Michigan haben zwei Bundesstaaten «Affirmative Action» verboten – worauf sich die Anteile dunkelhäutiger Studenten halbierten. Die Universitäten begründen «Affirmative Action» denn auch mit dem Ziel der sozialen Durchmischung der Studentenschaft, nicht mit der Bekämpfung von Ungleichheit. Bei den mündlichen Verhandlungen hat die Mehrheit der Richter Skepsis gegen «Affirmative Action» durchblicken lassen. Am schwersten würde der Symbolcharakter einer Abschaffung wiegen: Die Diskussion über die Folgen der Sklaverei und der Rassentrennung ist längst nicht abgeschlossen.

Meinungsfreiheit gegen LGBTIQ-Rechte

Um die Rechte einer anderen Minderheit dreht sich der Fall einer Webdesignerin, die keine Hochzeitswebseiten für homosexuelle Kunden bauen will. «Ich will für Hochzeiten arbeiten, die meinem Glauben entsprechen», sagte Lorie Smith bei der mündlichen Verhandlung. Sie wehrt sich gegen ein Gesetz in Colorado, das die Diskriminierung von Kunden aufgrund der sexuellen Ausrichtung oder Konfession verbietet. Das verletze ihr Recht auf Meinungsfreiheit, macht die Webdesignerin geltend.

Nun muss das Gericht urteilen, wessen Ansprüche es höher gewichtet. Auf dem Spiel steht viel für LGBTIQ-Menschen: Würde ihr Diskriminierungsschutz aufgeweicht, könnten sie besonders in konservativ geprägten Gegenden Zugang zu Alltagsdienstleistungen verlieren.

Studienkredite

Eng dürfte es für einen Wahlkampfschlager von Joe Biden werden. Sechs Bundesstaaten haben Klage eingereicht gegen seinen Entscheid, Studenten bis zu 20’000 Dollar an staatlichen Studienkrediten zu erlassen. Der Präsident hatte damit kurz vor den Zwischenwahlen den Kongress umgangen, gestützt auf Notrechtskompetenz löste er ein 400 Milliarden Dollar teures Versprechen an die jüngere Wählerschaft der Demokraten ein.

Die Kläger kritisieren, Biden habe damit seine Kompetenzen überschritten, eine Auffassung, die eine Mehrheit der Richter bei der mündlichen Verhandlung im Februar zu teilen schien.

Gericht hat schon Mässigung bewiesen

Bis zur Sommerpause wird sich in all diesen Fällen zeigen, inwiefern sich Trumps Richter am Supreme Court durchsetzen. Einige Beobachter machen geltend, das Gericht habe inzwischen schon mehrfach bewiesen, dass es seine Urteile nicht ideologisch, sondern in Abwägung juristischer Argumente fälle.

Insbesondere Chief Justice John Roberts ist um Ausgleich bemüht, teilweise mithilfe von von Trump eingesetzten Richtern wie Amy Coney Barrett und Brett Kavanaugh. Unter anderem verzichtete das Gericht darauf, das Streikrecht zu schleifen. Auch pfiff es die Republikaner in Alabama zurück, die Wahlkreise so gezogen hatten, dass Afroamerikaner benachteiligt wurden.