Schuldenschnitt für StudierendeBiden verteilt Wahlkampfgeschenke an Junge und Minderheiten
Der US-Präsident erlässt Studenten bis zu 20’000 Dollar an Schulden. Das hat viel mit den nahen Kongresswahlen zu tun.
Lange hat er die Entscheidung vor sich hergeschoben, nach eineinhalb Jahren im Amt hat sich Joe Biden nun durchgerungen: Er hat am Mittwoch mitgeteilt, einen Schuldenschnitt für Studiendarlehen zu gewähren. Bis zu 20’000 US-Dollar will er Empfängern von Finanzhilfen des Bundes erlassen. Davon könnten bis zu 27 Millionen Amerikaner profitieren, bei Kosten von maximal 300 Milliarden Dollar. Der US-Präsident löst damit kurz vor den Zwischenwahlen ein Wahlkampfversprechen ein, mit dem er sein Ansehen bei zwei für die Demokraten wichtigen Gruppen stärken will: den Jungen, insbesondere den Afroamerikanern.
Wohl sind sich die meisten Amerikaner in der Analyse einig, dass Studieren in ihrem Land viel zu teuer geworden ist. Die Kosten haben sich seit den 1980ern verdreifacht, nicht nur an den noblen Privatuniversitäten, die über 70’000 Dollar Gebühren pro Jahr verlangen. Die Folge ist, dass viele mit einem hohen Schuldenberg ins Erwerbsleben starten, der teilweise selbst im Pensionsalter noch auf ihnen lastet.
Ein ultralinkes Anliegen – bis Covid kam
Noch vor kurzem verlangten aber nur die linksten Demokraten, dass Washington auf die Probleme mit einem Schuldenschnitt bei Studiendarlehen reagieren sollte. Doch dann kam die Covid-Pandemie, 22 Millionen Amerikaner verloren ihren Job, vielen fehlte das Geld für ihre Ratenzahlungen, Präsident Donald Trump setzte Verzinsung und Amortisation der Kredite aus. Vor den Präsidentschaftswahlen 2020 musste dann der moderate Joe Biden den linken Parteiflügel für sich begeistern. Eher widerwillig versprach er einen Schuldenerlass.
Einmal im Amt, zögerte Biden, sein Versprechen umzusetzen. Damit frustrierte er gerade Junge und Afroamerikaner, ausgerechnet jene, die von Biden vorsichtig ausgedrückt ohnehin nicht begeistert waren, weil sie von ihm auch vergeblich mehr Engagement für linke Anliegen wie eine Wahlrechtsreform erwarteten. Für Biden wurde die Entscheidung nicht einfacher, als die Teuerung auf fast 10 Prozent kletterte.
Nun hat die Inflation etwas nachgelassen, und ein Teil von Bidens Beratern drängte darauf, dem linken Parteiflügel entgegenzukommen für die entscheidende Phase vor den Zwischenwahlen. Biden hat nun einen Mittelweg gewählt. Die Ratenzahlungen setzen wieder ein, aber auf tieferem Niveau. Dafür erhält einen Schuldenschnitt, wer weniger als 125’000 Dollar jährlich verdient.
Die Rassismusfrage schwingt mit
Biden setzt seine Partei damit einem Stresstest aus. Beim Schuldenschnitt schwingt die Rassismusfrage mehr oder weniger offen mit. Das wichtigste Programm des Bundes namens Pell Grant nimmt knapp ein Drittel der weissen Studierenden in Anspruch, hingegen fast die Hälfte der Latinos und deutlich mehr als die Hälfte der Afroamerikaner. Studien haben gezeigt, dass über 90 Prozent der Weissen den Kredit abstottern können, 95 Prozent der Afroamerikaner hingegen nicht.
Linke verweisen darauf, dass Angehörige von Minderheiten weniger verdienen, ihre Eltern sie nicht mit Erspartem unterstützen können, sie häufiger das Studium abbrechen, weil sie nebenbei in mehreren Jobs arbeiten und Verwandte mitfinanzieren müssen. Moderate und Rechte pochen hingegen auf Eigenverantwortung und kritisieren, ein Schuldenschnitt bestrafe jene, die ihre Kredite abbezahlt hätten. Der Demokrat Tim Ryan etwa, der in Ohio in einem knappen Senatsrennen gegen Trumps Günstling J. D. Vance steckt, distanzierte sich umgehend von Bidens Plan. Biden «schickt die falsche Botschaft an Millionen von Menschen in Ohio ohne Studienabschluss, die genauso hart arbeiten, um über die Runden zu kommen», sagte Ryan.
Die Republikaner haben angekündigt, den Schuldenschnitt mit allen Mitteln zu bekämpfen. Abstimmen darüber können sie nicht, weil Biden den Kongress umgeht und argumentiert, der Bildungsminister könne darüber in eigener Kompetenz entscheiden. Konservative Gruppen werden nun versuchen, vor Gericht dagegen vorzugehen. Allerdings ist ungewiss, ob sie dafür überhaupt eine rechtliche Handhabe finden.
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