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Update im Test
Microsofts «neue Ära der Computer-Bedienung» hat einen Haken

Letzten Donnerstag hat Microsofts Satya Nadella in New York davon gesprochen, wie die künstliche Intelligenz das hauseigene Betriebssystem Windows aufwerten soll.
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Alle paar Jahre versprechen uns die Techkonzerne die Revolution: Die Art und Weise, wie wir mit unseren Geräten interagieren werden, stünde vor einem fundamentalen Wandel, behaupten sie. Vor zwölf Jahren war das Mittel zum Zweck die Sprach- und Gestensteuerung. Die sollten komplizierte Menüs und komplizierte Fernbedienungen zum Verschwinden bringen.

Heute wissen wir, wie übertrieben diese Verheissungen waren: Wir können zwar per Siri eine Lampe einschalten oder auch den Wecker stellen. Doch schon an etwas komplexeren Aufgaben scheitern die digitalen Assistenten. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Anwenderinnen und Anwender auch einfach keine Lust haben, mit ihren Geräten zu sprechen.

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2023 ist es nun wieder so weit: Microsoft verspricht uns nichts weniger als eine neue Ära – natürlich – dank der künstlichen Intelligenz. «Die Art und Weise, wie wir mit Technologie umgehen und von ihr profitieren, wird sich grundlegend verändern», sagt der Konzern. Aber ist das wieder nur heisse Marketing-Luft – oder steht uns wirklich ein Paradigmenwechsel bevor?

Der Chatbot auf dem Desktop

Einen ersten Anhaltspunkt gibt uns das Herbst-Update für Windows 11. Das wird ab Dienstag etappenweise über die Update-Funktion ausgeliefert und enthält eine neue Funktion namens Copilot: Das ist Microsofts Chatbot, den wir auch in der Suchmaschine Bing vorfinden und der dort komplexe Fragen beantwortet und mit Quellen aus dem Web belegt. In Windows 11 erscheint er über einen Knopf in der Taskleiste oder über das Drücken der Windows-Taste und «c» in einer eigenen Leiste am rechten Rand.

Der Copilot steht über eine Leiste am rechten Bildschirmrand Red und Antwort und will auch bei der Bedienung des Computers behilflich sein.

Der Copilot beherrscht gegenüber seinem Bing-Pendant einen entscheidenden Extratrick: Er ist in der Lage, mit dem System zu interagieren und Konfigurationsänderungen vorzunehmen. Ein Werbevideo zeigt, wie wir uns das vorstellen können: auf die Aufforderung, das System für «produktive Arbeit zu optimieren» schlägt Copilot vor, eine Fokussitzung zu aktivieren, bei der es keine ablenkende Benachrichtigungen gibt. Copilot arbeitet mit Dokumenten, die per Maus auf sein Fenster gezogen werden, und fertigt Zusammenfassungen an oder verschickt sie automatisch über die Kommunikationssoftware Teams an bestimmte Empfänger. Er kann auch Apps steuern und, auf die Aufforderung hin, entspannende Musik zu spielen, Spotify mit einer passenden Wiedergabeliste öffnen.

Eine Chance für wenig versierte Nutzer

So verspricht es Microsoft zumindest. Ich habe mit einer Vorab-Version von Windows 11 experimentiert und festgestellt, dass die allermeisten der Copilot-Tricks bisher nicht funktionieren. Nur eine einzige Aufforderung hat tatsächlich etwas bewirkt: Mit «Aktiviere den hellen Modus für mich!» konnte ich Copilot dazu bewegen, die Fensterdarstellung zu ändern (jene Option, die in den Einstellungen unter «Personalisierung > Farben» zu finden ist).

Auch in Microsoft 365, wie die Office-Umgebung heisst, wird Copilot Einzug halten. Wie dieses Beispiel zeigt, hilft die KI, die wichtigen Mails aus der E-Mail-Inbox zu fischen.

Ob Copilot eine Revolution oder ein Rohrkrepierer ist, lässt sich bislang nicht entscheiden. Es wird davon abhängen, wie verständig Copilot ist – und es ist anzunehmen, dass es auch noch einige Entwicklungsschritte dauern wird, bis er den Alltagsaufgaben gewachsen ist. Aber das Potenzial, gerade für eine wenig versierte Nutzerschaft, ist meines Erachtens unbestreitbar: Denn während die Windows-Cracks genau wissen, wie eine Funktion heisst und wo sie zu finden ist, könnten unerfahrene Anwenderinnen und Anwender beschreiben, was sie tun möchten. Daraufhin könnte Copilot das direkt am Computer vorexerzieren – denn schliesslich hat er Zugriff nicht nur aufs System, sondern auch auf die persönlichen Dokumente und Konfiguration.

Wobei wir bei dem grössten Problem dieser neuen Funktion wären: dem Schutz der Privatsphäre. Die KI-Funktionen laufen allesamt auf Microsofts Servern. Eine tiefe Verankerung von Copilot im Betriebssystem führt, salopp gesprochen, dazu, dass sich nicht mehr genau sagen lässt, wo der eigene Computer aufhört und die Cloud anfängt. Wenn der KI-Assistent auch mit lokal gespeicherten Dokumenten arbeitet, wird es schwierig bis unmöglich, sensible Informationen zu schützen. Wenn Copilot ein Erfolg wird, werden Leute mit Cloud-Vorbehalten in ein Dilemma gestürzt: Sie müssen entscheiden, ob sie ihre Datenschutz-Grundsätze aufgeben sollen oder ob sie auf die KI verzichten und einen Wettbewerbsnachteil in Kauf nehmen.

Die Risiken sind schwer abzuschätzen

Das Risiko für den Datenschutz wächst bei den KI-Funktionen, weil die Sprachmodelle die Angaben, die Nutzerinnen und Nutzer ihnen zur Verfügung stellen, auch zum Training nutzen und womöglich für künftige Auskünfte verwenden. Das kann dazu führen, dass vertrauliche Informationen öffentlich werden. Dieses Problem stellt sich auch bei der Integration der KI in die Office-Anwendungen, die Microsoft auch in Aussicht gestellt hat. Dort ist die Copilot-Funktion allerdings kostenpflichtig und wird, wie hier beschrieben, voraussichtlich um die 30 US-Dollar zusätzlich pro Monat kosten. Der zahlenden Nutzerschaft gibt Microsoft Zugriff auf eine speziell abgesicherte Variante der KI, die die Nutzereingaben nicht speichert.

Wir Computernutzerinnen und -nutzer stehen vor einer doppelten Herausforderung: die KI verstehen und ihre Möglichkeiten einsetzen zu lernen – und dabei gleichzeitig unsere Unabhängigkeit und unsere Prinzipien zu wahren.